Gefahr proprietärer Varianten

Standardisierung von Java erleidet einen Rückschlag

13.06.1997

Suns erster Versuch, Java als internationalen IT-Standard zu etablieren, stieß auf das Nein der US Technical Advisory Group (TAG), die Teil der International Standards Organization (ISO) ist. Die Mehrheit der 29 stimmberechtigten Mitglieder wehrte sich gegen die Rolle, die Sun bei der zukünftigen Pflege des Java-Standards beansprucht. Der Workstation-Hersteller will als sogenannter Publicly Available Specification Submitter (Pass) fungieren. Er wäre damit in der Lage, alleine über Vorschläge zu entscheiden, die zur Änderung beziehungsweise Weiterentwicklung von Java eingebracht werden, und könnte als einziger derartige Entwürfe an die ISO weitergeben. Kritik erntet der Vorschlag vor allem deshalb, weil erstmals ein auf Gewinn orientiertes Unternehmen in eine solche Position käme. Freilich geht es dabei nicht um die Wahrung ehemals olympischer Ideale, sondern um das Bestreben von Mitwerbern, ihre Interessen gegen möglicherweise daraus resultierende Wettbewerbsvorteile von Sun zu verteidigen. In seinem Ablehnungsbescheid fordert das Gremium, selbst über die Weiterentwicklung eines Standards bestimmen zu dürfen, falls es sich beim Submitter um ein gewinnorientiertes Unternehmen handelt.

Zusätzlich formuliert die TAG in dem Dokument http://www.jtc1tag.org/sunvote.htm drei weitere Forderungen:

- Die Verwendung der Handelsmarke Java darf im Falle einer Standardisierung nicht auf Sun beschränkt bleiben;

- Tests und Überprüfungen des Submitters dürfen nicht Voraussetzung dafür sein, daß ein Produkt als Java-konform gilt, und

- der Schutz des geistigen Eigentums muß gewährleistet sein, wenn Hersteller Vorschläge zur Weiterentwicklung von Java unterbreiten.

Den ersten und dritten Punkt könnte man noch als Gerangel konkurrierender Hersteller abtun. Die Forderung hingegen, daß nicht mit Hilfe von Suns Testverfahren entschieden werden darf, ob ein Produkt dem Java-Standard entspricht, droht den Standardisierungsprozeß ad absurdum zu führen. Wenn nicht ein unabhängiges Gremium diese Aufgabe übernimmt, könnte die Erfüllung dieses zweiten Verlangens herbeiführen, was Sun durch die Standardisierung verhindern will: die Zersplitterung von Java in herstellerspezifische Varianten. Die Ablehnung von Tests richtet sich offensichtlich gegen Suns Zertifizierungsprogramme "100% pure Java" und "Java compatible", mit denen der Hersteller die Ablauffähigkeit von Java-Programmen auf allen Plattformen gewährleisten will.

Das Votum der TAG ist keine glatte Ablehnung, sondern ein "No with comments". Sun bleibt also die Möglichkeit, den Vorschlag in einer geänderten Fassung erneut zu unterbreiten. Die Unix-Company gibt sich trotz dieses Rückschlags gelassen. Zum einen muß bis zum 14. Juli abgewartet werden, an dem neben dem amerikanischen auch die anderen Abstimmungsergebnisse aus den 30 Mitgliedsländern vorliegen. Noch besteht für Sun die Möglichkeit, die nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Allerdings können die Gegner des Vorschlags, allen voran Apple und Hewlett-Packard, über ihre internationalen Niederlassungen auch dort Einfluß nehmen. Das Schweizer Gremium votierte ebenfalls schon mit einem Nein. Microsoft besitzt übrigens nur Recht auf Anhörung, aber kein Stimmrecht, weil die Gates-Company genauso wie Intel dem TAG-Gremium erst kürzlich beigetreten ist.

Sollte der Standardisierungsprozeß gar nicht im Sinne von Sun verlaufen, dann komme man, so Javasofts Vice-President Jim Mitchell, "auch ganz gut ohne Standard zurecht". Wichtigster Grund für den Normierungsvesuch sei ohnehin bloß, daß viele europäische Unternehmen nur ISO-zertifizierte Produkte einsetzen.