Standardisierung in der Datenfernübertragung

10.12.1976

Martin Hebel, Direktor Geschäftsbereich Systemmaschinen, Triumph Adler-Büromaschinen - und Computergruppe, Mitglied im Ausschuß Datenfernverarbeitung des VDMA

Die Datenfernverarbeitung oder die Datenfernübertragung (DFÜ) nehmen in immer stärkerem Maße in organisatorischen Abläufen oder in zukunftsorientierten EDV-Anwendungsplanungen einen festen Platz ein. Ursachen dafür liegen im Trend zu Dezentralisierung der Datenverarbeitung mit den organisatorisch und wirtschaftlich interessanten Aspekten, durch Datenfernverarbeitung im Online- oder Batchsystem die Daten "vor Ort" zu erfassen, zu bearbeiten, zu ordnen und verdichtet über Leitungen einer weiteren komplexeren Verarbeitungsstufe in dafür konzipierten Groß-EDV-Anlagen zuzuführen.

Um zu erreichen, daß die Übertragung von Daten weitgehend vollautomatisch erfolgen kann, sind umfangreiche technische und organisatorische Vereinbarungen zu treffen. Dies geschieht durch die Festlegung von Normen, durch die Abmachungen allgemeingültig werden.

Dies geschieht in den Gremien der ISO, des CCITT, bei Ecma und CEPT - und den nationalen Normungsinstituten - um nur einige zu nennen.

Der außerordentlich komplexe Themenkreis, der die zitierten Institutionen beschäftigt, umfaßt

- die Schnittstellen zum Netz,

- die bestehenden und zukünftigen Netze,

- die Datenübertragungseinrichtungen (DÜE),

- die Übertragungsprozeduren,

- die Dienstleistungen (Service des Netzes),

- die Definitionen.

Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) hat umfangreiche Veröffentlichungen über Prozeduren, Schnittstellen, Blocksicherungsverfahren und Definitionen herausgebracht beziehungsweise in Vorbereitung.

Um nur einige zu nennen:

- DIN 44 302 Begriffe

- DIN 66 020/21 Schnittstellen

- DIN 66 019 zeichenorientierte Prozedur

- DIN 66 219 Blockprüfverfahren

- DIN 66 221 HDLC-Prozedur (High Lavel Data Link Control Procedure).

Diese Auflistung ist selbstverständlich nicht annähernd vollständig. Sie zeigt jedoch eine vielschichtige Aktivität, die national und international wirksam ist, wobei jeder einzelne Meinungsbildungsprozeß in den Normungsgremien seine Zeit braucht und nur schwer von außen beschleunigt werden kann.

Es ist Aufgabe der hierfür maßgeblichen Gremien, für die Zukunft neue Wege zu suchen, um den Normierungsprozeß zu beschleunigen und an den Rhythmus der Entwicklung neuer Geräte anzupassen.

Die neuen Prozeduren HDLC/SDLC werden als Hochleistungsprozeduren gekennzeichnet. Diese Verfahren sind im Gegensatz zur BSC-Prozedur nicht mehr zeichen-, sondern bit-orientiert. In ihnen werden die verschiedensten Steuermodi angewandt; Datenströme sind simultan in beiden Richtungen möglich. Die Verlustzeiten durch Quittieren werden erheblich reduziert. Daraus ist zu folgern, daß ein wesentlich höherer Datendurchsatz erreicht wird. Diese höhere Effektivität bei der Übertragung - ein wichtiger Faktor in jeder Wirtschaftlichkeitsbetrachtung - muß erkauft werden durch einen beträchtlichen Implementierungsaufwand, der sicher nicht kleiner sein wird als bei der BSC-Prozedur.

Aus der Praxis für die Praxis kann man zusammenfassen: Genormte Schnittstellen und genormte Prozeduren sind Grundvoraussetzungen für eine schnelle Ausweitung der Datenfernverarbeitung und dürfen weder durch firmenpolitische, nationale noch monopolistische Tendenzen eingeengt werden. Erst recht unter dem Aspekt der technischen Komplexität und der vielschichtigen Organisationsmechanismen bei der DFÜ sollte die Standardisierung jede mögliche Unterstützung vom Anwender über den Hersteller bis zu den politischen Instanzen erhalten.

Wichtig erscheint an diese Stelle der Hinweis, daß bei jeder internationalen Normung ein Ermessensspielraum bleibt. Dieser Freiraum darf nicht dazu führen, daß wieder unterschiedliche Interpretationen entstehen, die beispielsweise in Datenverbundsystemen einen freizügigen Anschluß von Datenendeinrichtungen (DEE) im Wege stehen. Die Bedeutung der Standardisierungsbemühungen als unabdingbare Voraussetzung für Fortentwicklung wird voll faßbar, wenn man nicht nur die DFÜ für sich sieht, sondern im Zusammenhang mit zukünftigen Aufgaben der Tele- und Textkommunikation.