Aus Anwender-Sicht:

Standard-Software erfordert Kompromisse

05.03.1976

MÜNCHEN - Die Computerwoche interviewte Anwender von Standard-Softwarepaketen für kommerzielle Aufgaben. Die Frage: "Warum entschieden Sie sich für die Standard-Lösung?" Die Antworten waren keineswegs einheitlich, vielmehr ergaben sich verschiedene "Kriterien für den Einsatz von Fremdsoftware.

In erster Linie spielte die Zeiteinsparung die entscheidende Rolle, obwohl auch der Preis eine gewisse Attraktivität haben mußte.

Fritz Voigt, Leiter der Organisation und EDV von der Lekkerland Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG (Köln), seit Oktober 1975 Anwender eines Buchbaltungspaketes von Una (München): "Wenn das auch abgedroschen klingt, aber wir wollen doch das Rad nicht noch mal erfinden" und "Wir fangen erst da an, wo wir keine fertige Software mehr auf dem Markt finden". Ähnlich äußerte sich auch Klaus Gasch, Leiter, der DV-Abteilung der Bauunternehmung Sager & Woerner (München), seit zwei Jahren Anwender eines Software-Paketes für Kreditoren-Buchhaltung von ADV/Orga (Wilhelmshaven) und von branchenspezifischer Standard-Software für (..)schgut-Abrechnung: "Wir wollten Entwicklungsarbeit sparen und uns die Erfahrungen anderer zugute kommen lassen."

Ausweg aus Termin-Schwierigkeiten

Die meisten größeren EDV-Abteilungen stricken dennoch in der Regel ihre Software lieber selbst. Nur wenn Terminschwierigkeiten drohen, das heißt, wenn ein Programm so schnell zum Laufen gebracht werden muß, daß diese Aufgabe mit der eigenen Manpower nicht fristgerecht zu bewältigen ist, greifen sie auf die Standard-Software zurück.

Kurt Roslawski von der Demag Fördertechnik (Wetter/Ruhr), seit zwei Jahren Anwender von Unibis (advor 170) Von ADV/Orga (Wilhelmshaven): "Wir mußten unser, Programm für die Geschäftsbuchhaltung so schnell wie möglich zum Einsatz bringen. Die eigene Erstellung hätte viel zu lange ge(..)uert."

Auch Klaus Borgmann, EDV-Leiter vom Kaufhaus Kramer & Mehrmann KG (Essen), seit Januar 1976 Anwender von Lohn- und Gehaltsprogrammen der Firma Datentechnik (Vlotho) nennt als entscheidenden Faktor für den Einsatz von Standard-Softwarepaketen eine "sehr kurzfristige Umstellung von MKC auf Plattenanlagen". Er erwähnt aber, daß dabei doch im wesentlichen auch der Preis eine große Rolle spielt. "Wir kamen preislich viel besser weg, als wenn wir alles selbst gemacht hätten; die Einsparung liegt bei etwa 50 Prozent."

Personal-Engpässe vermeiden

Nicht immer sind Zeit- und Kostenersparungen die entscheidenden Kriterien für den Einsatz von Programm-Paketen, in manchen EDV-Abteilungen mangelt es ganz einfach an Personalkapazität und an EDV-Spezialisten für komplizierte Aufgaben. Klaus Borgmann von Kramer & Mehrmann: "Wir hätten auf jeden Fall von außen einstellen müssen."

Heinrich Stille. EDV-Leiter der Bison-Werke (Springe/Deister) seit Januar 1974 Anwender eines Kostenprogramms der Firma Juhl (Hannover): "Wir verwenden Fremdsoftware, da wir eine relativ schwach besetzte DV-Abteilung haben. Daher versuchen wir, immer gerade nur das Nötigste zu machen."

Probleme mit der Anpassung

Die eigentlichen Probleme beginnen meistens erst dann, wenn die Software wirklich zum Einsatz kommt und die Anpassung an die vorhandene Organisation vorgenommen werden muß. Nicht alle Anwender machen so positive Erfahrungen wie Roslawski von Demag, der behauptet: "Es hat alles phantastisch geklappt; das Programm lief schon nach zwei Tagen." Demgegenüber berichtet Hermann Engstler, Leiter des Rechenzentrums der Firma Werner Schulze (Kiel), seit anderthalb. Jahren Anwender von Buchhaltungspaketen der Hansischen Datenverarbeitungsgesellschaft: "Die Anpassungsschwierigkeiten waren erheblich; erst nach drei harten Wochen kam das Programm zum Laufen."

Geringen Anpassungsaufwand gab es bei dem Münchner EDV-Boss Klaus Gasch: "Die Implementierungszeit war kurz und der Schulungsaufwand gering."

Eine entscheidende Rolle bei der Anpassung spielen die anfallenden Kosten; nicht selten erreichen sie fast die Höhe des Kaufpreises für die Software überhaupt. Klaus Gasch von Sager & Woerner: "Die Anpassungskosten für ein Paket betrugen jeweils rund 50 Prozent des Kaufpreises".

Klaus Bergmann von Kramer & Mehrmann: "Der Preis für die Anpassung belief sich auf 15 000 Mark, das Paket selbst haben wir für 65 000 Mark gekauft." Diese Anpassungskosten und bei Nicht-IBM-Anwendern der Aufwand, die meist auf IBM zugeschnittenen Programme umzustellen, schreckt noch viele Anwender davon ab, Standard-Software in ihrem Unternehmen einzusetzen.

Ausnahmslos alle Anwender, die für diesen Artikel befragt wurden, erklärten, daß ihre bisherigen Erfahrungen mit Standard-Software sie darin bestärken, den Software-Markt weiterhin mit Interesse zu beobachten.