Fluggesellschaft führt Navision ein

Standard mit individuellen Anpassungen bei der Deutschen BA

17.09.1999
MÜNCHEN (CW) - Die Deutsche BA Luftfahrtgesellschaft mbH suchte nach einer betriebswirtschaftlichen Mittelstandssoftware und fand sie in "Navision". Doch der Standard deckt nicht alle Anforderungen ab, so daß einige Lösungsmodule neu entwickelt und Schnittstellen zu anderen Produkten geschaffen wurden.

Früher dauerte die Aufstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung zwei Stunden, jetzt nur noch zwei Minuten", beschreibt Ingeborg Görtler, Leiterin der Finanzbuchhaltung bei der Deutschen BA, eine der deutlichsten Veränderungen. Zudem werde jeder Vorgang nur einmal angefaßt, während zuvor beispielsweise eine Rechnung in Word oder Excel erstellt, ausgedruckt, kontiert und dann von der Finanzbuchhaltung weiterbearbeitet wurde.

Bis zum Ende des letzten Jahres hatte die hundertprozentige Tochter der British Airways die betriebswirtschaftliche Softwarelösung "Sun-Systems" von Systems Union im Einsatz, die hierzulande als Systems Union GmbH in Bad Homburg niedergelassen ist. Dieses System verfügte jedoch über zuwenig Funktionen für die klassische Finanzbuchhaltung. "Für Analysen war die Software sehr gut geeignet, für eine stichtagsbezogene Auswertung allerdings weniger", einnert sich Görtler.

Zu den Standardprodukten, die sich das Unternehmen näher anschaute, gehört auch "Aptos", von Walker Interactive Systems Inc., San Franzisko. Diese Wahl hätte den Vorteil gehabt, daß auch das Mutterunternehmen British Airways diese Software im Einsatz hat. Doch gab es die Software in deutscher Fassung nicht. Auch an den Oracle-Applikationen hatte die Fluggesellschaft etwas auszusetzen: Die Mitarbeiter empfanden die Bedieneroberfläche als zu umständlich.

Die Mittelstandsvariante von R/3 der SAP AG kam ebenfalls auf den Prüfstand. Die BA-Mitarbeiter entschieden sich aus zweierlei Gründen dagegen. Für die Verwaltung des Paketes hätten eigens neue Mitarbeiter eingestellt werden müssen, und die Lösung schien nicht tatsächlich für die Belange eines mittelständischen Unternehmens geeignet: "Wir empfanden die Software als Standardlösung für größere Unternehmen, bei der nur einige Funktionalitäten abgesperrt wurden", sagt Görtler und fügt hinzu: "Die Komplexität wirkte abschreckend." Schließlich fiel die Wahl auf "Navision Financials" des dänischen Herstellers Navision Software.

Das bereits existente Pflichtenheft wurde im Frühjahr 1998 auf Vordermann gebracht, so daß im Oktober desselben Jahres die Programmier- und Anpassungsarbeiten beginnen konnten. Gegen Ende des Jahres waren die Grundmodule für die Finanz-, Anlagen-, Lager-, Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung implementiert sowie für den Verkauf, Einkauf und Zahlungsverkehr.

Für die Deutsche BA spielen die "3-Letter-Codes" eine wichtige Rolle. Damit ist die Identifikation von Flugzeugen, Mitarbeitern und angeflogenen Airports möglich. Diese Codes mußten deshalb in das Standardpaket eingebaut werden. Seit dem 1. April 1999 läuft die komplette Navision-Installation mit rund 30 Lizenzen. Sie ist auf Compaq-Servern der Reihe "Proliant 3000" sowie auf Pentium-II-Maschinen installiert. Zur Zeit stellt die BA auf den Euro als Mandantenwährung um. Das veranschlagte Budget von 600 000 Mark konnte um rund acht Prozent unterschritten werden. In den Kosten enthalten sind sämtliche Anpassungen, die Hard- und Software sowie die Mitarbeiterschulung. Durch die Einführung kann zudem eine Arbeitskraft für andere Aufgaben eingesetzt werden.

Doch lassen sich mit der Standardsoftware nicht alle Belange der Deutschen BA abdecken. Insbesondere mußten die Module "Ressourcen" und "Projekte" angepaßt und um eine neu zu entwickelnde Rechnungsprüfung und Uniformenverwaltung ergänzt werden. Mit dieser Aufgabe war das Navision Solution Center MSE, Ravensburg, beauftragt.

Die Rechnungsprüfung erfolgte bislang manuell. Die Fluggesellschaft bekommt Rechnungen von allen angeflogenen Flughäfen. Eine Rechnung enthält passagier- und flugabhängige Kosten, das Handling an der Rampe sowie die Ausgaben für Lotsen und Bodenstrom. Alle Beträge werden bis zur Belegebene zurückverfolgt und mit den Angaben des Piloten im Bordbuch verglichen. Mit Hilfe des neuen Rechnungsmoduls lassen sich die Einträge aus dem handschriftlich geführten Bordbuch elektronisch erfassen, abgleichen und nach Kostenarten, -stellen und -trägern aufsplitten.

Für die Verwaltung der verschiedenen Uniformteile greift die Anwendung auf den BA-eigenen 3-Letter-Code zurück. Per Knopfdruck können die Anwender nun die Anzahl der Blusen, Hemden, Kostüme oder Anzüge feststellen, über die ein Mitarbeiter verfügt, wie alt die Bekleidung ist und wann sie ausgetauscht werden muß.

Das Standardmodul "Projekte" verwendet die Deutsche BA für die Verwaltung von Versicherungsfällen. Wie das Beispiel des Düsseldorfer Flughafenbrands 1996 gezeigt hat, sind die in Folge einer solchen Katastrophe entstehenden Einzelansprüche komplex und schwer zu überschauen. Die BA-Mitarbeiter wollten daher jederzeit abrufen können, ob alle zu einem Fall gehörigen Einzelpositionen richtig bearbeitet werden und in welchem Stadium sich die Abwicklung befindet.

Von Sonderwünschen zu Schnittstellen

Bisher mußten die einzelnen Versicherungsprojekte als Kostenstellen verwaltet werden. Künftig erhält jeder Versicherungsfall eine Projektnummer, unter der alle dazugehörigen Zahlungseingänge und -ausgänge sowie Rechnungen summiert werden. Ende dieses Jahres soll das Modul in Betrieb genommen werden.

Für das Personalwesen und das Controlling setzt die Fluggesellschaft andere Softwareprodukte ein. Ersteres wird mit der IBM-Software "Lohn und Gehalt AS/400" bewältigt. Die Daten aus der Personalverwaltung gelangen monatlich aktualisiert über Excel in die betriebswirtschaftlichen Anwendungen.

Die Abteilung Controlling arbeitet mit "Hyperion-Enterprise". Dafür nutzen die Controller die Buchhaltungswerte und auch die Bordbücher aus dem Navision-Paket.

Über den Wolken

Die Deutsche BA, eine 100prozentige Tochter von British Airways, ist nach eigenen Angaben Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft. Gegründet wurde sie 1992. Etwa 800 Mitarbeiter im Durchschnittsalter von 35 Jahren erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 580 Millionen Mark. Bei etwa drei Millionen Passagieren pro Jahr erreicht die Airline eine Auslastung ihrer Maschinen von mehr als 60 Prozent. Im Kampf um die Kunden hat die Fluggesellschaft sich einiges einfallen lassen. Sie bietet zum Beispiel in den 18 Kurzstreckenflugzeugen vom Typ Boeing 737-300 persönlich gestaltete Ansagen der Flugbegleiter und die Cocktailstunde "Happy Hour" am Freitag nachmittag. Zudem wurden die Seitenleitwerke der Flugzeuge individuell mit Motiven von deutschen Künstlern bemalt.