Zahlreichere technische Möglichkeiten erhöhen die Gefahr der Verzettelung

Stand und Entwicklungen bei den integrierten PPS-Systemen

09.10.1992

Für produzierende Unternehmen besteht die Notwendigkeit, Kundenwünsche mit der erforderlichen Qualität in immer kürzeren Lieferzeiten zu rasieren. Eine neue Ausrichtung bei Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen (PPS-Systemen) ist unumgänglich.

PPS-Systeme sind die verbreitetste Form integrierter Hilfsmittel zur Produktionssteuerung. Das Funktionsangebot kommerzieller Systeme ist in der Vergangenheit ständig gewachsen. Mit den Funktionen hat auch der Umfang der bereitgestellten Informationen zugenommen. Dabei entstand für den Anwender das Problem der ansteigenden Unübersichtlichkeit über die Bedeutung der einzelnen Informationen und deren Aktualisierungsgrad.

Durch das große Datenvolumen und die Vielzahl der unterschiedlichen Anwender, die die zentrale Rechnerleistung gemeinsam nutzen, lassen sich auf wendige Transaktionen nur im Batch-Betrieb abarbeiten, was die betroffenen Planungs- und Steuerungsabläufe träge macht. Ergebnisse umfangreicher Planungsläufe können meist nur einmal pro Woche aktualisiert werden.

Als weitere Schwachstellen bestehender PPS-Systeme sind mangelnde Geschlossenheit der Regelkreise und die Vernachlässigung der aktuellen Termin- und Kapazitätssituation hervorzuheben. Solche Schwachstellen führen zu Terminverzügen mit der Folge hoher Konventionalstrafen, hohe Umlaufbestände und einer hohen Störungsanfälligkeit der geplanten Abläufe.

Diese Probleme resultieren zum großen Teil aus der deterministischen Ausrichtung der PPS-Systeme. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Material- und der Zeitwirtschaft.

Die klassischen Produktionssteuerungs-Funktionalitäten sind unterrepräsentiert. Um den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden, muß der Schwerpunkt der Funktionalität von PPS-Systemen zukünftig auf die Produktionssteuerung gelegt werden.

Eine besondere Bedeutung erhalten dabei BDE und Analysefunktionen, um auf die aktuellen Betriebsbedingungen reagieren zu können. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, wie gut die installierten Systeme die Heterogenität der unterschiedlichen Unternehmensbereiche berücksichtigen können.

Die Entwicklungstendenzen bei integrierten Hilfsmitteln zur Produktionssteuerung kommen den veränderten Anforderungen entgegen. Der Preisverfall bei der Hardware hat dazu geführt, daß ihre Kosten kein entscheidendes Kriterium für die Systemauswahl mehr sind. Damit werden die anwendungsspezifischen Anforderungen entscheidend für die Systemkonfiguration. Bereichsübergreifend genutzte Daten können logisch zentral gehalten und dezentral verarbeitet werden.

Die bereichsspezifische Datenverarbeitung bleibt auf die jeweilige Aufgabe beschränkt. Eine dezentrales Konzept und die Hierarchisierung der Abwicklungsfunktionen reduziert die Datenmenge pro Bereich auf das, was jeweils entscheidungsrelevant ist.

Dieser Reduzierung des bereichsspezifisch erforderlichen Rechenaufwandes steht jedoch ein erhöhter Kommunikationsbedarf innerhalb und zwischen den Ebenen gegenüber. Die Schnittstellen zwischen den Bereichen sind klar zu beschreiben. So sind beispielsweise die Ergebnisse aus der Auftragsplanung Eingangsgrößen und für die Eigenfertigung konsistent zu übergeben.

Im Rahmen der Produktionssteuerung lassen sich hierarchisch gestufte Regelkreise bilden. Über aktuelle Rückmeldungen können bei Störungen die Vorgaben für nachgelagerte Bereiche angepaßt werden. Die Planungshorizonte sind dabei auf die Ereignisfrequenz der Regelstrecke abzustimmen.

Die Verlagerung der Funktionsgewichte der PPS-Systeme auf die Produktionssteuerung bedeutet außerdem eine Perspektive für die Reduzierung der Bestandshöhe in den Unternehmen. Bisher waren PPS-Systeme deterministisch angelegt, weil die Informationen über das tatsächliche Betriebsgeschehen für eine verursachungsgerechte und genügend schnelle Reaktion nicht ausreichten. Aufträge wurden von der Produktionsprogrammplanung aus durch das Unternehmen gedrückt. Verbesserte Informationsflüsse mit Rückmeldungen aus den direkten Bereichen der Produktion gestatten es, künftig verstärkt zugorientiert zu steuern, wodurch sich der Anteil- kundenspezifisch beschafften Materials steigern läßt.

Den dritten Schwerpunkt zukünftiger Entwicklungen im Bereich der integrierten Produktionssteuerung macht die Verbindung von CAx-Technologien mit PPS-Systemen aus. Als besonders aktuelles Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Verbindung von PPS- und CAQ-Systemen zu nennen.

Dabei geht es um die Zusammenlegung verwandter Funktionalitäten wie Arbeits- und Prüfplanung. Durch die Zusammenfassung des Aufwandes für die Datenerfassung steigt die Aktualität und die Qualität der erzeugten Informationen. In den dezentralen Systemstrukturen lassen sich bereichsspezifische Planungs- und Steuerungsfunktionalitäten in Leitständen zusammenfassen. In einem hierarchisch dezentralen Leitstandskonzept kommt es durch die in den Leitständen auf den unterschiedlichen Ebenen installierte Funktionalität zu einer Aufgabenteilung in Bereichen, die bisher den PPS-Systemen vorbehalten waren. Material- und Zeitwirtschaft bleiben als Kern der PPS erhalten.

Die auf den unterschiedlicher Ebenen erzeugten Informationen werden für den jeweiligen Anwender in entscheidungsgerechter Form verdichtet und in anwenderfreundlichen Benutzerschnittstellen bereitgestellt. Die dezentrale Rechnerleistung kann man entsprechend der zu verarbeitenden Datenvolumina der jeweiligen Ebene dimensionieren. Die dargestellte Entwicklung zu dezentralen Systemstrukturen mit kleinen bereichsspezifischen Regelkreisen ist nur ein Schritt auf dem Weg zu einer insgesamt effektiven, ganzheitlich optimierten Produktion im Sinne der Lean Production. Und die verlangt eine Gesamtbetrachtung der Unternehmung in ihren internen und externen Spannungsfeldern. Bisher ist allerdings eine entschlossene Umsetzung der erarbeiteten Konzepte in japanischen Unternehmen besser gelungen als in amerikanischen und europäischen.