Stand - alone - Anspruch

01.07.1988

Kaum offene Fragen nach einer IBM - Ankündigung - auch das gibt es. Es stimmt eben nicht, daß die IBM ihre unterschiedlichen Architekturen partout unter einen SAA - Hut bringen will - die Schrägstrich - Philosophie und der hierarchische /370 - Ansatz sind unvereinbar. Der Mittelbetrieb, für den das IBM - Anwendungssystem AS/400 entwickelt wurde, will auf die "Ease-of-use" - Eigenschaften - einer Black - box - Datenbank etwa - eben nicht mehr verzichten.

Klar ist auch, welchen Markt die IBM mit der neuen AS - Maschine nicht angehen kann: den der öffentlichen Verwaltungen. Man schreibt dort Unix-Kommandos ins Pflichtenheft - und für diesen Betriebssystem - Standard mag Big Blue bei der AS - Maschine nicht einmal nachsitzen. Auch mit seiner AS - Ethernet - Abstinenz grenzt sich der Mainframe-Monopolist selbstgefällig von den armen Open -Systems - Nachbetern ab.

Wir haben es also mit einem klassischen Parkschutz -Announcement zu tun: S/36- und S/38 - Kunden sollen bei der Stange gehalten werden - mit Proprietary - Rezepten, versteht sich. Das ist Mother Blue immerhin ein neues Betriebssystem wert. Die Kunden werden es ihr zu danken wissen. Ob sich die AS/400 überdies für das Neugeschäft als Zugpferd erweist steht noch in den Sternen. Mit Unix stehen Einsteiger und Softwarehäuser allemal auf der sicheren Seite.

Gleichberechtigung herrscht vermeintlich in der Anzeigenwerbung für das neue IBM - System AS/400: Mit einer perfekt gestylten Karrierefrau und einem graumelierten Management - Softie (siehe Abbildung) illustriert Big Blue das Thema "Anwendungslösungen". Die beiden Halbprofile könnten indes auch auf ein verdrängtes Identitätsproblem der IBM hinweisen: Die dynamische Kurzhaar-Lady (Blick nach vorn gerichtet) posiert "für Unternehmen, die viel vor sich haben", so der Anzeigentext.

"Hinter mir habe ich die Pflichtübungen der Informationsverarbeitung"; läßt IBM den DV - Gruftie beinahe wehmütig zurückdenken. Sollten nur die AS/400-Neukunden eine Zukunft haben? Und was wird aus dem System 9370? Der IBM - kundige Anzeigen -Betrachter sucht die Antwort vergeblich: Das Doppelbild mutet merkwürdig androgyn an - als ob sich die IBM nicht für ein eindeutiges Rollenverhalten gegenüber ihren Kunden entscheiden könnte. Es bleibt die Frage: War diese Wirkung beabsichtigt? Will die IBM signalisieren, daß sie sich in einem Umwandlungsprozeß befindet, daß es am Ende zwei getrennte, firmenrechtlich autonome IBM - Einheiten geben wird? Oder sollte es sich ganz einfach um eine Freudsche Fehlleistung der Werbeagentur handeln?