IT in der Baubranche/Betonwerk zertifiziert nach ISO 9001 mit PPS-Systemunterstützung

Stahlbetonrohre just in time an der Autobahnbaustelle

27.03.1998

"Seit 1992/93 gibt es einen Strukturwandel im deutschen Stahlbetonrohrmarkt. Die Bauunternehmer, Hauptauftraggeber für Stahlbetonrohre und -schächte, sind gezwungen, äußerst scharf zu kalkulieren. Die Subventionspolitik beim Aufbau der neuen Bundesländer sowie die erhoffte Nachfrage führten zu einer riesigen Produktionsüberkapazität, was letztendlich für einen Preisverfall von 20 bis 30 Prozent sorgte", beschreibt Richard Schupp, Geschäftsführer der TBW, die Gründe für den Einsatz einer neuen DV-Umgebung.

In einem ersten Schritt sollte eine neue Netzinfrastruktur aufgebaut werden. "Zwischen den einzelnen Gebäuden im Werk Idar-Oberstein/Weierbach setzen wir Lichtwellenleiter ein. Koax-Kabel in einem Werk zu verwenden, in dem hohe elektromagnetische Störungen beispielsweise durch die Schweißgeräte entstehen, würde regelmäßig zu Schwankungen im Netz führen. Zudem, und das ist bei jedem über Jahrzehnte gewachsenen Unternehmen so, waren bereits eine Vielzahl von Leitungen im Werk selbst verlegt. Es wäre ein zu umfangreiches Unterfangen gewesen, ein Netz auf Koax-Basis zu schaffen, bei dem dann auch sichergestellt werden muß, daß Mindestabstände zwischen bestehenden und sich kreuzenden Leitungen eingehalten werden. Lichtwellenleiter sind zwar in der Anschaffung etwas teurer, aber dadurch wird gewährleistet, daß der Netzwerkbetrieb einwandfrei läuft", begründet Schupp die Entscheidung, Glasfaserleitungen im Werk einzusetzen.

Modern sollte auch die Datenverarbeitung werden. Bis dahin waren DV-technisch gesehen nur Insellösungen vorhanden: beispielsweise ein einfaches Kienzle-Schreibprogramm für die Angebote, ein veraltetes Programm für das Rechnungswesen. Nun wollte TBW Brust auf eine integrierte Lösung setzen, die die Daten durchgängig verwaltet und dadurch Fehlerquellen minimiert. "Wir wollten ein System, das es uns überhaupt erst einmal ermöglicht, ohne Zeitverlust Informationen aus der Produktion zu bekommen, also beispielsweise den Verbrauch von Materialien oder Arbeitsaufwand. Diese Grunddaten sind Voraussetzung, um besser kalkulieren zu können", erklärt Schupp.

Beraten wurde TBW von Mitarbeitern der Universitäten Trier und Kaiserslautern, die dem Unternehmen rieten, auf eine moderne Client-Server-Struktur zu setzen. "Zusammen mit unseren Beratern erstellten wir ein Pflichtenheft für eine neue Software. Insgesamt sieben oder acht Firmen wurden damals angeschrieben. Durch das ausführliche Pflichtenheft konnte schnell die Spreu vom Weizen getrennt werden", so Schupp. Hinzu kam, daß einige Anbieter auf dem Markt erst gar nicht auf die Anforderungen eingingen, sondern einfach nur ein Standardangebot abgaben.

Letztendlich entschied sich TBW für die PPS-Lösung "VPPS" der Infor in Friedrichsthal. "Wir kannten das Unternehmen bis dahin nicht. Da VPPS eine PC-basierte Lösung ist, war dann auch klar, daß wir ein Novell-Netzwerk installieren würden", berichtet Schupp. Heute laufen darauf zirka 16 PCs - von 386ern bis Pentium. Für die Umsetzung im Betrieb wurde die Unternehmensberatung Procon GmbH, Bonn, eingesetzt, die gleichzeitig die Schulung des Personals übernahm.

Organisatorische Änderungen

Mit der Einführung mußte die interne Organisation verändert werden. Schupp: "Wir haben uns entschieden, soweit es geht, die Standardsoftware voll zu nutzen. Insgesamt kann man sagen, 90 Prozent ist Standard und zehn Prozent des Gesamtaufwands waren Umstellungen in der Organisation. Unsere anwendungsspezifischen Änderungen am System wurden mit einem Aufwand von wenigen Tagen realisiert. Im wesentlichen war diese Vorgehensweise auch die Grundlage für die nachfolgende Zertifizierung nach ISO 9001."

Der Einsatz des Systems veränderte die Arbeitsabläufe entscheidend. "Die Tätigkeiten der Mitarbeiter wurden aufgewertet. Die Lösung bietet uns neue Möglichkeiten. Wer ein Angebot schreibt, kann gleichzeitig die Bestände prüfen. Das war mit dem alten System nicht möglich. Ein Auftrag kann von den Mitarbeitern von der Angebotsphase bis zum Abschluß der Baumaßnahme über das System verfolgt werden."

Abgelöst wurde unter anderem das Kienzle-System "MTDS". TBW begann mit der Installation der Angebotsverwaltung im Juli 1994. Bis Ende 1995 wurde die Software dann in den Bereichen Auftragsbearbeitung und Versand, Einkauf, Produktionsplanung und Fertigungssteuerung, Betriebsdatenerfassung für Fertigungsaufträge einschließlich der Personalzeiterfassung sowie für Rohmateriallager, Magazin und Fertigwarenlager eingeführt.

Zunächst wollte man die neue Software mittels Schnittstellen an die vorhandenen Systeme "Fibu Carat 9000", Personalbuchhaltung "PAS" und die Kostenrechnung "Kore" anbinden. Verschiedene Umstrukturierungen machten jedoch den kompletten Umstieg auf das "Varial"-System der IBS in Hamburg erforderlich. Dieses System deckt fast alle kommerziellen Arbeitsgänge ab und ist über ein Integrationsmodul eng mit VPPS gekoppelt. Nur die Personalzeiterfassung wird noch nicht von der Kombination erfaßt.

Fast gleichzeitig entschloß man sich auch, ein zweites Werk des Unternehmens im rund fünf Kilometer entfernten Stadtteil Georg-Weiherbach über eine Standleitung anzuschließen. In einem weiteren Schritt wurden die Verkaufsbüros in Mittenaar, Wiesbaden und Niederzier sowie das auch zur Ciments-Luxembourgeois-Gruppe gehörende Hafenbetonwerk Trier über ISDN mit dem Hauptwerk verbunden. "Damit stellen wir sicher, daß alle Mitarbeiter immer die aktuellen Daten zur Verfügung haben", so Schupp, "und verhindern, daß es zu einem Zeitversatz kommt."

Alles in allem ist man froh, schon frühzeitig auf ein modernes System gesetzt zu haben. "Über die neue Software können wir Trends in der Baubranche erkennen, beispielsweise Veränderungen in der Kundenstruktur oder Verlagerungen innerhalb der Produktpalette, und damit unsere Kunden besser zufriedenstellen. Ein anderer positiver Aspekt ist, daß wir unseren Warenbestand um die Hälfte reduzieren konnten.".

Angeklickt

Die Fertigung von Stahlbetonprodukten für den Tiefbau unterscheidet sich massiv von anderen Produktionsunternehmen. Zwischen der Auftragsvergabe und der Lieferung vergehen bis zu acht Monate. Die Lieferung selbst muß jedoch just in time erfolgen. Soll beispielsweise ein neues Autobahnteilstück entstehen, so ist klar, wie viele Kilometer Stahlbetonrohre insgesamt benötigt werden. Die einzelnen Teile werden jedoch nach und nach abgerufen, da häufig an der Baustelle selbst keine Lagerkapazitäten bestehen. Es muß dann sofort geliefert werden. Dabei ist zu bedenken, daß Betonfertigteile vor ihrer Auslieferung einige Zeit liegen müssen, um Festigkeit zu erlangen. Außerdem ist das Geschäft stark witterungsabhängig. Eine genaue Zeitplanung im Vorfeld ist nur selten möglich. Um nun die nötige Flexibilität zu erhalten und konkurrenzfähige Preise anbieten zu können, beschloß man in Idar-Oberstein 1993, auf ein neues DV-System umzusteigen.

Der Anbieter

Die TBW Betonwerk Brust GmbH & Co. KG in Idar-Oberstein wurde 1965 gegründet. Das Unternehmen erzielt mit etwa 110 Mitarbeitern einen jährlichen Umsatz von 25 Millionen Mark. TBW fährt eine Mischproduktion aus Standardprodukten und kundenbezogener Auftragsfertigung im Bereich Stahlbetonrohre, -vortriebsrohre, -schächte und Sonderbauwerke. TBW gehört seit 1994 zur Ciment-Luxembourgeois-Unternehmensgruppe, die neben Rohren und Schächten auch Zement, Betonfertigteile für Hoch- und Tiefbau, Außenanlagen, Transportbeton sowie Putze und Mörtel herstellt.

Weitere Unternehmen der CL-Gruppe sind die Hafenbetonwerk Trier GmbH und S.A. de Chaux de Contern in Luxemburg.

*Elke Gronert ist freie Journalistin in München.