Kolumne

"Stärken werden zu Schwächen"

30.08.2002
Wolfgang Hermann Redakteur CW

Es gab eine Zeit, in der so mancher IT-Dienstleister neidvoll auf Siemens Business Services (SBS) und T-Systems blickte. Denn sie hatten etwas, was selbst die ganz Mächtigen der Branche nicht vorweisen konnten: einen quasi hausinternen Großkunden mit einem kaum überschaubaren Wust unterschiedlicher IT- und Kommunikationsstrukturen. Damit schien die Nachfrage nach IT-Consulting, Systemintegration und Outsourcing-Services auf lange Zeit gesichert.

SBS verdankt das rasante Wachstum vergangener Jahre denn auch zu einem Gutteil der Siemens AG. Trotz aller Bemühungen, die Abhängigkeit vom Mutterkonzern zu verringern, macht der Binnen-Umsatz der Münchner noch immer mehr als 25 Prozent der Einnahmen aus. T-Systems verkauft mehr als ein Drittel seiner Dienstleistungen an die Telekom.

In der Krise entwickelt sich der hohe interne Umsatzanteil mehr und mehr zum Problem. Sowohl Siemens als auch die Telekom tun derzeit alles, um die ausufernden Kosten in den Griff zu bekommen und Schulden abzubauen. Was liegt da näher als auch den hauseigenen Dienstleister um Preisnachlässe zu "bitten"? Dass SBS mittlerweile auch um einst sichere Siemens-Aufträge kämpfen muss, ist in der Branche kein Geheimnis mehr.

Dabei müsste der bayerische Dienstleister gerade jetzt auf die veränderten Marktbedingungen reagieren. Ohne Know-how in der Management-Beratung und eine stärkere internationale Präsenz wird SBS auf lange Sicht kaum gegen Komplettanbieter wie IBM Global Services, CSC oder EDS bestehen können.

Etliche Serviceunternehmen versuchen, solche Defizite über Kooperationen oder eine Akquisitionsstrategie auszugleichen. Doch von externem Wachstum will SBS-Chef Paul Stodden nichts wissen. In der derzeitigen konjunkturellen Phase liege das Hauptaugenmerk eher auf einer nach innen gerichteten Konsolidierung, erklärte er auf Anfrage. Für SBS laute das Credo: "Lieber gesund als groß." Diese Vorgabe klingt vernünftig, hat aber in Wahrheit mit der Existenzberechtigung des Dienstleisters im Siemens-Konzern zu tun. Denn wenn Stodden bis zum Jahr 2004 nicht die geforderte Ebit-Marge von fünf bis sechs Prozent schafft, steht SBS zur Disposition.

Kaum besser stellt sich die Situation für T-Systems dar. Angesichts des immensen Schuldenbergs der Telekom gibt es für Akquisitionen keinen Spielraum. Im Gegenteil: Nach erneuten Umsatzeinbußen im Servicegeschäft kündigte Interims-Vorstandschef Helmut Sihler weitere Einschnitte bei der Dienstleistungstochter an. Hartnäckig halten sich zudem Gerüchte, T-Systems werde die problembehaftete Übernahme des Debis Systemhauses zumindest in Teilen wieder rückgängig machen. Was in diesem Fall von den einstigen Stärken übrig bliebe, fragen sich nicht nur die IT-Spezialisten des rosa Riesen.