IT in der Verwaltung/Kommunalpolitiker engagieren sich für den Web-Auftritt

Städte-Marketing im Internet: Tourismus und E-Business noch vorrangig

06.10.2000
Das Internet steht weit oben auf der Prioritätenliste mancher Städte und Kommunen. Wirtschaftsstrategen der Städte Frankfurt am Main, Mannheim, Worms und Wiesbaden haben Andrea Heerdt* Rede und Antwort gestanden und ihre Web-Intentionen, -Pläne und Kostenüberlegungen offen gelegt. Bürgerservices sind demnach noch nicht selbstverständlich.

Nicht nur die Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt und nutzen zunehmend das Internet als Marketing-Kanal. Nachdem nun auch immer mehr Städte und Kommunen kräftig in das Medium investieren und mit sorgsam ausgearbeiteten Konzepten vorpreschen, müssen diejenigen, die von Anfang an dabei waren, darauf achten, nicht den Anschluss zu verlieren.

Eine der ersten Städte im Netz, die mehr als die obligate Titelseite zeigten, war auch eine der historisch ältesten: Worms versucht seit 1996, den für die Stadt wichtigen Bereich Fremdenverkehr zu bewerben. Beispielsweise lockt derzeit, in den Tagen des größten Weinfestes am Rhein, dem "Backfischfest", eine Live-Webcam im Hauptfestzelt zusätzliche Besucher an.

Doch seit 1999 haben sich Schwerpunkte und Ansprache verändert. Joachim Kramer, zuständig für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung in Worms: "Im letzten Jahr wurde die Präsentation komplett überarbeitet, der Bereich Wirtschaft rückte weiter in den Vordergrund. Entwickelt wurde die erste Präsentation in Zusammenarbeit mit Professor Erwin Georg Walldorf von der Fachhochschule Worms. Für die erste Überarbeitung und die Umstellung auf Frames beauftragte die Stadt dann ein ortsansässiges Unternehmen."

Am meisten frequentiert wird der Bereich Fremdenverkehr, vor allem mit Anfragen in puncto Stadtführungen. Es folgen die Seiten rund um Wirtschaft und Infrastruktur der Kommune, die für Unternehmen interessant ist. Kramer: "Der Bereich Wirtschaft informiert über die aktuellen Steuersätze und gibt ansiedlungswilligen Unternehmen Auskünfte". Sie werden eifrig genutzt, wie die Internet-basierte Nachfrage nach Gewerbegrundstücken beweist.

Ähnlich gute Erfahrungen hat auch Frankfurt am Main gemacht. Stadtkämmerer Albrecht Glaser, zuständig für das Stadt-Marketing im Internet: "Mehr als 50 Prozent unserer Internet-Abrufe kommen aus dem Ausland. Das Internet ist deshalb für den Wirtschaftsstandort Frankfurt ein wichtiges Marketing-Instrument geworden". Glaser hat aber auch erkannt, dass der Web-Auftritt nur eines von vielen Rädern im komplexen Getriebe der Wirtschaftsförderung sein kann: "Es muss gelingen, die zentrale Lage von Frankfurt in Europa und die Vorteile, die sich daraus zum Beispiel für ansiedlungswillige Unternehmen ergeben, auch im Netz zu transportieren. Letztendlich macht aber die Summe aller Angebote und Dienstleistungen die Attraktivität einer Stadt aus, was insgesamt zu positiven Impulsen in allen Bereichen des städtischen Lebens führen wird."

Und hier ist man nicht zimperlich, wenn es um Investitionen im Bereich Internet geht. Frankfurt will sein Angebot, wie übrigens fast alle bundesdeutschen Städte, weiter ausbauen. "Wir sind derzeit damit beschäftigt, unser Angebot insgesamt zu überarbeiten und massiv auszuweiten. Die zentralen Kosten für die Entwicklung, den Aufbau und den technischen Betrieb des Angebots belaufen sich auf zirka eine Million Mark pro Jahr. Die Pflege der einzelnen inhaltlichen Beiträge erfolgt dezentral durch die jeweiligen Informationsanbieter. Die dort entstehenden Kosten werden aus Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit beglichen", berichtet Glaser.

Dass die Städte sich in Bezug auf Internet-Präsenz finanziell weiter aus dem Fenster lehnen müssen als ursprünglich gedacht und es wenige Möglichkeiten gibt, diese Kosten aufzufangen, sieht auch der Wiesbadener Oberbürgermeister Hildebrand Diehl: "Ein attraktives Internet-Angebot zum Nulltarif ist nicht zu haben. Deshalb werden wir auch in diesem Bereich investieren. Allerdings sehe ich zurzeit noch keine realistische Möglichkeit einer umfassenden Refinanzierung. Einzelne Projekte können aber sicherlich über Sponsoren auf den Weg gebracht werden, beispielsweise durch Partner aus dem Multimedia-Bereich oder durch eine Zusammenarbeit mit der in Wiesbaden ansässigen Fachhochschule für neue Medien."

Der Nutzen liegt für OB Diehl auf der Hand: "Eine gut gemachte Internet-Präsentation, die sich an den Anforderungen der User orientiert, ist Stadt-Marketing pur. Wirtschaft, Verwaltung und die Bürgerinnen und Bürger profitieren - jeder ganz individuell. Voraussetzung ist allerdings eine möglichst hohe Aktualität. Gerade der örtliche Einzelhandel, das Handwerk und das Gewerbe haben von einem Portal ,Wiesbaden.de'' einen hohen Nutzen. Die Stadt betreibt damit aktive Wirtschaftsförderung."

Mannheim, in der Szene bisher vor allem bekannt durch seinen Bürgerservice im Internet, hebt auch in Sachen Marketing neue Aspekte hervor. Jörg Blumenthal, Verwaltungsdirektor der Stadt, erklärt: "Beim virtuellen Marktplatz wollen wir einen Impuls für kleine und mittlere Mannheimer Unternehmen geben, beim E-Commerce mitzumachen und sich auch auf die Belange von B-to-B vorzubereiten. Mit unserem Modell, das eine sehr kostengünstige Beteiligung zulässt, wollen wir durch eine möglichst rasche und breit angelegte Beteiligung sicherstellen, dass die Kaufkraft in Mannheim bleibt und nicht übers Netz in alle Welt abfließt. Daneben ist unser angebundenes Intranet ein wesentlicher Bestandteil der Überlegungen zum Verwaltungsumbau."

Mannheim ist dies jährliche Ausgaben von etwa 400000 Mark wert. Den Hauptteil machen dabei laut Blumenthal die Personalkosten aus. Auf die Mannheimer Zukunftspläne angesprochen, ist er um eine Antwort nicht verlegen: "Wir haben eine neue Gliederung unserer Seiten in Arbeit, die klar zwischen den Belangen von Bürgern und Stadt, Tourismus und Marktplatz unterscheidet. Im September wird dann der virtuelle Marktplatz mit einem Shopsystem ergänzt. Ein Lieferservice soll folgen. Daneben werden wir die Bürgerservices weiterentwickeln. Außerdem denken wir über die Integration einer Multifunktions-Chipkarte ab 2001 nach." Zurückhaltender, aber dennoch innovativ, gestalten sich die Perspektiven anderer Städte. Frankfurt plant zum Beispiel, den bisher unterbewerteten Aspekt Bürgerservice auf den Stand der Mannheimer zu bringen. Vor allem das Informationsangebot soll ausgeweitet und zielgruppenspezifisch zur Verfügung gestellt werden. Ein Stichwort ist dabei "virtuelle Verwaltung". "Hier stimmen wir uns mit anderen deutschen Städten ab und werden Möglichkeiten wie die Abwicklung von Bezahlvorgängen über das Netz zur rechten Zeit in unser Angebot aufnehmen", sagt Stadtkämmerer Glaser.

Auf ähnlich bürgerorientierter Basis will Oberbürgermeister Diehl die Wiesbadener Seiten aufforsten: "Ziel des Ausbaus ist ein breites Portal ,Wiesbaden.de'', das sowohl ein Stadtinformationssystem darstellt, als auch den Dialog insbesondere mit den Bürgern gestatten soll. Hierzu gehören beispielsweise Foren zu aktuellen Stadtthemen sowie zielgruppenorientierte Dienstleistungen. Die digitale Signatur eröffnet zusätzliche Chancen, E-Commerce-Lösungen anzubieten."

Fazit: Zahlreiche Kommunen haben die Möglichkeiten des Internet erkannt. Letztendlich sind sich die Wirtschaftsförderer der einzelnen Städte einig über die inhaltlichen Schwerpunkte der Stadtseiten: Das Dreisäulenmodell Bürgerservice - Wirtschaft - Fremdenverkehr wird sich individuell abgewandelt überall durchsetzen. Das Mannheimer Vorbild des Internet-Bürgerservice hat gegriffen, und das Konzept wird zunehmend auch von anderen Gemeinden übernommen. Außerdem werden unternehmerspezifische Angebote und E-Business gefördert. Der Aspekt Fremdenverkehr war von Anfang an in die Seiten vieler deutscher Städte integriert und wird auch in Zukunft wichtiges Attribut der Städtepräsentationen und ihrer Eigenwerbung im Netz bleiben.

*Andrea Heerdt ist freie Journalistin in Monsheim.

Internet-AdressenFrankfurt a. Main www.frankfurt.de

Mannheim www.mannheim.de

Wiesbaden www.wiesbaden.de

Worms www.worms.de

und www.backfischfest.de