Stadtwerke bündeln ihre Energie

12.04.2006
Von Jürgen Wasem-Gutensohn
Hohe Verfügbarkeit und ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis: So lautete bei den Stadtwerken München (SWM) die Vorgabe bei der Einführung von SAP-Software. Die Lösung: ein Dell-Server-Cluster.
Die Anbindung der Server an die LAN-Infrastruktur erfolgt über redundant ausgelegte Gigabit-Ethernet-Netze.
Die Anbindung der Server an die LAN-Infrastruktur erfolgt über redundant ausgelegte Gigabit-Ethernet-Netze.

Ein proprietäres System der Mainframe-Klasse? Kommt nicht mehr in Frage. So viel stand bei den Stadtwerken München schnell fest, als es um die Erweiterung der vorhandenen SAP-R/3-Lösung ging. "Vor einigen Jahren bereits hatten wir uns anlässlich der Umstellung von SAP R/2 auf SAP R/3 von einem BS/2000-Großrechner verabschiedet", erinnert sich Rudolf Bayerl, Leiter System-Management bei den SWM.

Die Cluster- Infrastuktur

• Die SAP-Branchenlösung ISU für Energiedienstleister läuft auf insgesamt fünf Dell Poweredge-Servern 6650 (ausgestattet mit vier auf 1,8-GHz getaktete Xeon-Prozessoren von Intel und 8 GB Hauptspeicher).

• Drei dieser Systeme arbeiten als Datenbank-Cluster mit Oracle9i RAC (RAC = Real Application Cluster) und zwei als Applikations-Server für SAP-ISU.

• Als Betriebssystem kommt Windows 2003 zum Einsatz.

• Entsprechend der Vorgabe eines Aktiv/Aktiv-Clusters sind alle Server im Verbund gleichzeitig tätig. Die Shared-All-Architektur sorgt dafür, dass alle Server auf den gesamten Datenbestand zugreifen können.

• Fällt ein Cluster-Knoten aus, übernehmen die anderen seine Aufgaben.

• Die Server laufen in einem ganzjährigen 24-mal-7-Stunden-Betrieb. Für den reibungslosen Verlauf sorgt die auf den Datenbank-Servern untergebrachte Zentralinstanz.

• Das gesamte Datenvolumen im Umfang von rund 2 TB liegt auf einerSymmetrix-DMX-3000-Storage-Lösung von EMC.

• Ausgelegt ist die Infrastruktur für 1600 gleichzeitig arbeitende Benutzer.

Das Unternehmen

Die Stadtwerke München (SWM) sind das kommunale Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen der Landeshauptstadt München. Seit Jahrzehnten stehen die SWM für eine sichere und ressourcenschonende Versorgung der bayerischen Metropole mit Energie (Strom, Erdgas, Fernwärme) und Trinkwasser aus dem bayerischen Voralpenland. Die Verkehrstochter MVG ist verantwortlich für U-Bahn, Bus und Tram und damit ein wesentlicher Pfeiler im Münchner ÖPNV. Darüber hinaus betreiben die SWM mit 17 Hallen- und Freizeitbädern eine der modernsten Bäderlandschaften in Deutschland. Die Stadtwerke München beschäftigen derzeit rund 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2004 lag der Umsatz der SWM bei rund 2,95 Milliarden Euro.

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www.computerwoche.de/

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Über einen langen Zeitraum lief dann R/3 mit den Modulen Materialwirtschaft, Personalwesen, Finanzen, Controlling, Vertrieb und Rechnungsstellung recht gut auf einem Windows-2000-Cluster mit zwei Primergy-Servern (acht CPUs, 8 GB RAM) von Fujitsu-Siemens. Als Datenbank kam damals Oracle 8 zum Einsatz. Hier wurden alle Stamm- und Verlaufsdaten für die insgesamt rund eine Million Kunden bearbeitet, die Strom, Wasser, Erdgas oder Fernwärme von den Stadtwerken beziehen.

Bei einem ständig steigenden Datenaufkommen, das nach und nach die Größenordnung von einem Terabyte überschritt, erreichte diese Konfiguration im Jahr 2004 ihr Limit. "Die Performance war einfach nicht mehr ausreichend", berichtet Bayerl.

Anschaffungskosten sprachen gegen ein Multiprozessorsystem

Alles sprach gegen einen proprietären Großrechner oder auch ein Unix-System mit mehr als acht Prozessoren. Bayerl: "Die hohen Anschaffungskosten für die Hardware, die enormen Lizenzgebühren für die Software und natürlich der nicht zu unterschätzende Aufwand für das doch recht anspruchsvolle System-Management waren klare Ausschlusskriterien." Die notwendige Performance und Verfügbarkeit versprach man sich bei den SWM von einer unter Windows 2003 laufenden Cluster-Lösung. Auch eine Oracle-Datenbank - konkret: Oracle9i RAC (Real Application Cluster) - sollte dabei weiterhin eine tragende Säule bilden. Als es um die Hardware ging, setzte sich Direktanbieter Dell durch.

Nachdem die Rahmenbedingungen mit Dell, Oracle und SAP als Lieferanten der Infrastruktur festgezurrt waren, begannen die SWM ein Pilotprojekt. "In solch einer komplexen Konstellation aus Hard- und Software kommt es auf eine optimale Abstimmung aller Komponenten an. Denn die Lösung muss im Alltag rund um die Uhr an 365 Tagen verfügbar sein", erläutert der IT-Manager. Gemeinsam mit den anderen SAP-Modulen agiert die Anwendung "Industry Soultion Utilities" (ISU) als unternehmenskritische Applikation: Sie deckt die zentralen Geschäftsprozesse für die Energieversorgung in der bayerischen Landeshauptstadt ab - und das sowohl für Privat- als auch für Geschäftskunden. Das reicht von der störungsfreien Versorgung mit Wasser und Strom bis zur Lagerverwaltung für Ersatzteile. Selbst die Münchner Verkehrsgesellschaft als Tochterunternehmen der SWM greift beispielsweise im Werkstattbereich auf ausgewählte SAP-Funktionen zu.

Das Projektteam nahm nach dem Startschuss umfangreiche Tests vor. Es bestand aus Mitarbeitern der IT-Abteilung der Stadtwerke München sowie Experten von Dell, Oracle und SAP.

Die Testphase war umfangreicher als zunächst angenommen

Auf den fünf Dell-Poweredge-Servern 6650 (mit je vier Intel-Xeon-Prozessoren und 8 GB Hauptspeicher) wurden zunächst Windows Server 2003 und der zugehörige Cluster-Dienst installiert. Die Dell-Server sind von Haus aus für das Datenbanksystem Oracle 9i RAC validiert und zertifiziert. Schritt für Schritt erweiterte das Projektteam die Testszenarien, bis schließlich das gesamte SAP-System gemeinsam mit der produktiven Oracle-Datenbank getestet werden konnte. "Alles in allem erwies sich diese Phase doch als umfangreicher, als wir ursprünglich angenommen hatten", berichtet Bayerl. "Wir benötigten einige Monate, bis alle Komponenten schließlich optimal aufeinander abgestimmt waren."

Zum vorläufigen Projektabschluss bedurfte es noch einer offiziellen Freigabe von SAP - erst dann konnten die SWM ihre Applikation in Gang setzen. Ausgelegt ist die Lösung für 1600 Anwender, die gleichzeitig damit arbeiten können.

Die Datenbank wird laufend optimiert

Für einen reibungslosen Betrieb der neuen Infrastruktur stehen fünf Administratoren bereit. Neben den Standardaufgaben wie Datensicherung und Überwachung des Netz-, Datenbank- und Applikationsbetriebs kümmern sie sich unter anderem auch um ein permanentes Tuning der Datenbank: "Hier gibt es jede Menge zu tun, damit die Performance in Batch-Läufen und im Dialogbetrieb auf einem hohen Niveau bleibt", berichtet Stefan Schwarzmeier, Technology Consultant SAP bei den SWM. "Durch die neue Cluster-Infrastruktur hat sich bei Batch-Läufen die Arbeitsgeschwindigkeit zwar im Bereich einstelliger Prozentzahlen verbessert. Im Dialogbetrieb jedoch erreichen wir Verbesserungen um bis zu 60 Prozent." Dabei ist der Inhalt der Datenbank über einen Zeitraum von 15 Monaten von knapp über einem auf heute mehr als 2 TB angewachsen.

"Mit der gegenwärtigen Infrastruktur werden wir, soweit absehbar, auch die kontinuierlich wachsenden Datenmengen bis weit ins Jahr 2006 bewältigen können", resümiert Bayerl. "Falls mehr Rechenleistung benötigt wird beschaffen wir weitere Dell-Server. Diese Skalierbarkeit haben wir bereits von Anfang an bei der Wahl der Hardwarekonfiguration berücksichtigt." (kk)