Immer mehr Kommunen wollen Microsoft-Systeme ersetzen

Stadt Wien prüft den Umstieg auf Linux

19.09.2003
MÜNCHEN (CW) - Nach der Münchner Entscheidung für Linux brechen auch in anderen Kommunen die Dämme. Die Stadt Wien prüft den Einsatz von Open-Source-Produkten ebenso wie neun größere Städte in Rheinland-Pfalz.

Die von Microsoft gefürchtete Signalwirkung der Münchner Stadtratsentscheidung scheint sich zu bewahrheiten. Wie ein Sprecher bestätigte, prüft die österreichische Hauptstadt den Umstieg auf Linux für die rund 15 000 PC-Systeme.

Eine Entscheidung für den Projektstart soll in der ersten Jahreshälfte 2004 fallen, wenn ein Prüfbericht der zuständigen Magistratsabteilung vorliegt. Bis zum Jahr 2007 könnte das IT-Team die Infrastruktur sukzessive auf Open-Source-Produkte umstellen und die bislang verwendeten Windows-Programme komplett ersetzen.

Die Initiative der Stadt Wien geht auf einen Antrag der Grünen vom Juni 2003 zurück. Einen Monat zuvor hatte der mehrheitlich rot-grüne Münchner Stadtrat gegen die Stimmen der CSU-Fraktion beschlossen, die IT-Infrastruktur mit rund 14 000 Rechnern von Microsoft-Produkten auf Open-Source-Systeme umzustellen.

Auch andere deutsche Kommunen denken seither über Alternativen zu Windows nach. So prüfen derzeit neun größere rheinland-pfälzische Städte, "anstelle der Produkte des Beinahe-Monopolisten Microsoft ihre Computer-Infrastruktur mit Open-Source-Produkten zu bestücken", heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Mainz.

Neben Mainz zählen dazu die Stadtverwaltungen Kaiserslautern, Alzey, Koblenz, Landau, Neustadt/Weinstraße, Speyer, Trier und Worms.

Um der wachsenden Bedrohung durch die Open-Source-Bewegung paroli zu bieten, intensiviert Microsoft seine Lobbying-Aktivitäten. Am 15. September versammelte der US-Konzern führende europäische Politiker in Rom zum "Gedankenaustausch". Unter den insgesamt 300 Teilnehmern erwartete das Unternehmen auch den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, den ungarischen Erziehungsminister Balint Magyar und weitere rund 50 Minister aus europäischen Ländern. CEO Steve Ballmer kümmerte sich persönlich um die Gäste.

Dabei handelte es sich um das erste Treffen dieser Art, das Microsoft in Europa abhielt. In den Vereinigten Staaten veranstaltet die Gates-Company schon seit fünf Jahren mit hochrangigen Politikern bestückte Konferenzen. Offiziell bemüht sich der Konzern, die Bedeutung der Open-Source-Community herunterzuspielen. Europäische Regierungen würden Open-Source-Software bislang nur "recht begrenzt" einsetzen, zitiert das "Wall Street Journal" Jean-Philippe Courtois, Microsofts CEO für Europa, den Mittleren Osten und Afrika. Trotzdem nimmt der Hersteller den Trend zu quelloffener Software offensichtlich sehr ernst. Seit dem 1. Juli 2003 kümmern sich eigens eingerichtete Teams ausschließlich um die Beziehungen zu Regierungen. Auch in Deutschland hat Microsoft seine Bemühungen verstärkt. (wh)