Die Debatte um Softwarepatente spitzt sich zu

Stadt München hält an Linux-Plänen fest

13.08.2004

Der Pressedienst der Stadt München beeilte sich vergangene Woche, eine Stellungnahme des Oberbürgermeisters unters Volk zu bringen: "Die Landeshauptstadt München hält selbstverständlich, wie vom Stadtrat beschlossen, am Linux-Projekt fest", ließ Ude erklären. Vorausgegangen waren Pressemeldungen, denen zufolge das international beachtete Linux-Umstellungsprojekt auf Eis gelegt werde.

Richtig sei, dass die Ausschreibung für den Basis-Client, sprich die Software für die rund 14000 Arbeitsplatzrechner, "vorläufig zurückgestellt" worden sei, stellte der OB klar. Zunächst müssten rechtliche und finanzielle Risiken geprüft werden, die sich aus einem EU-Richtlinienentwurf für die Patentierbarkeit von Software ergäben. "Das Linux-Projekt ist keineswegs auf Eis gelegt", betont auch Hans Kitzinger, stellvertretender Leiter des Amtes für Informations- und Datenverarbeitung (Afid) der Stadt München. Es gehe lediglich um den Basis-Client. Alle anderen Teile des "Linux"-Projekts liefen unverändert weiter. Wie lange die juristischen Prüfungen dauern werden, sei gegenwärtig noch nicht abzuschätzen.

Auslöser der Debatte waren ein Antrag und eine Anfrage der Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Softwarepatente (siehe CW 32/04, Seite 1). Grünen Stadtrat Jens Mühlhaus verwies auf eine Recherche des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), derzufolge allein der Basis-Client potenziell mehr als 50 europäische Patente verletze.

Inwieweit der EU-Richtlinienentwurf tatsächlich eine Bedrohung für Münchens Linux-Pläne darstellt, ist unter Experten heftig umstritten. Der Linux-Verband Live etwa sieht in der Entscheidung der Stadt "eine Überreaktion auf die aktuelle Patentdebatte". Zugleich aber begrüßt er die "Zuspitzung der Diskussion, weil nun jene Politiker und Großunternehmen endlich Farbe bekennen müssen, die einerseits Softwarepatente befürworten, andererseits Linux als Softwarelösung nutzen".

Deutliche Worte fand auch Joachim Wuermeling, CSU-Abgeordneter im Europaparlament und Befürworter der EU-Richtlinie. Dass München die Ausschreibung gestoppt hat, "war völlig überzogen", erklärte er gegenüber der "Süddeutschen Zeitung".

Das Münchner Linux-Projekt sei von der EU-Richtlinie gar nicht betroffen, behauptet Wuermeling. Sie beziehe sich auf computergestützte technische Erfindungen und nicht auf reine Software. An diesem Punkt allerdings scheiden sich die Geister: Sollte die Richtlinie vom EU-Parlament abgesegnet werden, würden Patente auf Software - ähnlich wie bereits in den USA - auch ohne technischen Bezug legalisiert, argumentieren Kritiker wie der FFII. Vor diesem Hintergrund sei das Vorgehen der Stadt München sehr wohl angemessen.

Oberbürgermeister Ude jedenfalls wehrt sich gegen die geplante Regelung. Er rief "sämtliche europäischen Kommunen und Unternehmen, die an Open Source elementar interessiert sind", dazu auf, EU-Gremien und nationale Regierungen zu einer Änderung des EU-Richtlinienentwurfs zu drängen.

Die SPD-Fraktion im Münchner Rathaus versucht unterdessen, die Wogen zu glätten. "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben", erklärt Stadtrat Christian Amlong, Mitglied der städtischen IT-Kommission. Es sei selbstverständliche Praxis, rechtliche und finanzielle Risiken eines Projekts permanent zu prüfen. Das gelte erst recht für "Limux" mit seiner großen personellen, organisatorischen und technologischen Reichweite.

IBM: Keine Gefahr durch Patente in Linux

IBM wird gegen die Nutzung von patentrechtlich geschützten Technologien im quelloffenen Betriebssystem Linux nicht vorgehen, sagte Nick Donofrio, Senior Vice President for Technology and Manufacturing, auf der Fachmesse Linuxworld Conference and Expo in San Francisco.

Donofrio forderte außerdem andere Hersteller auf, ebenso zu verfahren. Mit dem Statement reagierte der Manager auf Befürchtungen der Linux-Community, die nach einer Studie des Unternehmens Open Source Risk Management (OSRM) aufgekommen waren. Demnach werden in Linux 283 geschützte Technologien verwendet, die bislang nicht gerichtlich überprüft wurden. 60 dieser Patente hält IBM.

Nach wie vor ungeklärt ist jedoch, wie sich der erklärte Open-Source-Gegner Microsoft verhalten wird. Der OSRM-Studie zufolge stecken 27 geschützte Technologien des Softwaremultis in Linux. (lex/wh)