Open-Source-Trends/Ergebnisse des EU-Forschungsprojekts Floss über Open-Source-Anwender

Stabilität und Sicherheit überzeugen

19.07.2002
Das EU-finanzierte Forschungsprojekt "Floss" hat das Ausmaß und die Gründe der Nutzung von Open-Source-Software in Deutschland, Schweden und Großbritannien untersucht. 395 Unternehmen und öffentliche Institutionen mit mindestens 100 Mitarbeitern, die solche Programme im Einsatz haben oder den Einsatz innerhalb des nächsten Jahres planen, gaben Auskunft. Von Thorsten Wichmann*

Bei der Befragung über "Free/Libre and Open Source Software" (Floss), die Berlecon Research zusammen mit dem International Institute of Infonomics an der Universität Maastricht betrieben hat, zeigte sich zunächst einmal, dass die betriebliche Nutzung von Open-Source-Software in Deutschland am stärksten verbreitet ist. Während 44 Prozent der deutschen Betriebe näher zu ihrer gegenwärtigen oder geplanten Praxis befragt werden konnten, lag der Anteil in Großbritannien mit 32 Prozent und in Schweden mit 18 Prozent deutlich niedriger. Open-Source-Software ist also in Deutschland bereits ein vergleichsweise selbstverständlicher Bestandteil der IT-Infrastruktur vieler Unternehmen und öffentlicher Institutionen.

Mit der zunehmenden Verbreitung nimmt aber die Bedeutung von Open-Source-Software für die Betriebs-IT ab. Während in Schweden 43 Prozent der Open-Source-Nutzer diese als wichtig oder sehr wichtig für ihre IT-Infrastruktur ansehen, sind dies in Großbritannien nur 30 Prozent und in Deutschland 25 Prozent. Das lässt sich so interpretieren, dass die Open-Source-Nutzer in Deutschland pragmatischer und emotionsloser sind. So gibt auch nur ein geringer Teil der deutschen Betriebe an, mit dem Einsatz quelloffener Software die Open-Source-Gemeinschaft unterstützen zu wollen. In Großbritannien und Schweden ist dieses Motiv stärker verbreitet.

Am häufigsten anzutreffen ist in allen Ländern die Nutzung von Open-Source-Software als Server-Betriebssystem. In Deutschland verwenden bereits knapp 31 Prozent der befragten Unternehmen und Institutionen Open-Source-Software als Server-Betriebssystem oder planen, dies innerhalb des nächsten Jahres zu tun. Das dürfte sich aber bei den weitaus meisten Betrieben auf einige Server beschränken und nur in den wenigsten Fällen alle Server betreffen.

Gefolgt wird diese Nutzungsart von Open-Source-Software im Zusammenhang mit der Erstellung und dem Betreiben von Websites. Diese Kategorie umfasst zahlreiche unterschiedliche Anwendungen, von Apache über PHP und Perl bis hin zu Content-Management-Systemen auf Linux-Basis. In Deutschland nutzen immerhin etwa 16 Prozent der Betriebe derartige Software. Das scheint auf den ersten Blick recht wenig, berücksichtigt man den hohen Verbreitungsgrad von Apache. Die Werte dürften sich aber damit erklären, dass viele traditionelle Betriebe ihre Website hosten lassen und die Infrastruktur nicht selbst betreiben.

Open-Source-Datenbanken sind in Deutschland ähnlich stark verbreitet. Die Nutzung von Open Source auf dem Desktop (entweder als Betriebssystem oder als Anwendung) ist dagegen von geringerer Bedeutung. In Deutschland setzen lediglich 12 Prozent der Betriebe solche Software ein oder planen dies.

Warum haben sich die Betriebe für Open-Source-Software entschieden? Bei der privaten Nutzung dürfte sicher eine Portion Ideologie ("Software sollte frei sein") oder Experimentier- und Programmierfreude eine Rolle spielen. Bei der professionellen Nutzung in Unternehmen und öffentlichen Institutionen - so die Annahme der Untersuchung - sollten diese Dinge aber keine große Bedeutung haben, jedenfalls nicht in den schon etwas größeren Betrieben, die befragt wurden. Entscheidungen werden hier wohl im Wesentlichen auf der Basis einer rationalen Kosten-Nutzen-Analyse getroffen.

Wichtigstes Kriterium der Entscheidung für Open-Source-Software war die erwartete höhere Stabilität und der bessere Schutz gegen unberechtigten Zugriff. Eine bessere Performance zählte ebenfalls zu den Hauptgründen für Open Source. An erster Stelle stehen also Produkteigenschaften, und zwar solche, die häufig auf das Open-Source-Entwicklungsmodell zurückgeführt werden.

Der zweitwichtigste Grund für den Einsatz von Open Source waren die direkten Kostenersparnisse dadurch, dass in der Regel keine Lizenzgebühren zu zahlen sind beziehungsweise nur geringe Kosten für die Leistungen des Distributors anfallen. Damit geht die Einschätzung eng einher, dass Open-Source-Software häufig das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.

An dritter Stelle nannten die professionellen Open-Source-Nutzer indirekte Kosteneinsparungen gegenüber proprietärer Software, und zwar in den Bereichen Installation, Integration, Anpassung, Administration und Support. Andere Arten der indirekten Kosteneinsparung, beispielsweise im Bereich Hardware oder in der Benutzerschulung, waren dagegen von untergeordneter Bedeutung.

Erst nach diesen verschiedenen Kriterien kommt die Eigenschaft, die Open Source ausmacht - frei einsehbarer und änderbarer Sourcecode. Für die befragten professionellen Open-Source-Nutzer war diese Eigenschaft aber vergleichsweise unwichtig bei der Auswahl der Software.

Von noch geringerer Bedeutung war die Entscheidung für Open-Source-Software als Bestandteil einer anderen Anwendung. Dieser Grund war noch am ehesten bei Open-Source-Datenbanken zu finden, die häufig Bestandteil von Internet-basierenden Anwendungen wie Groupware oder Content-Management-Systemen sind.

"Open Source Inside"

Solche Anwendungen mit "Open Source Inside" dürften in Zukunft noch häufiger vorkommen, wenn Appliances oder Betriebssysteme mit wesentlichen Open-Source-Komponenten wie MacOS X an Bedeutung gewinnen. Dann dürften Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit als Kriterien noch wichtiger werden.

Die vollständigen Ergebnisse des Forschungsprojekts Floss stehen seit wenigen Tagen auf der Website von Berlecon Research (www.berlecon.de) zum kostenlosen Download bereit.(ls)

*Dr. Thorsten Wichmann ist Geschäftsführer der Firma Berlecon Research in Berlin.

Angeklickt

In Deutschland ist die Verwendung von Open-Source-Software in Unternehmen und öffentlichen Institutionen selbstverständlicher als in anderen europäischen Ländern. Die Gründe für Open Source sind weniger politischer Natur als rationale Kosten-Nutzen-Überlegungen und technische Vorteile.

Abb: Open-Source-Verbreitung

Anteil der Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten, die Open-Source-Software nutzen oder innerhalb des nächsten Jahres zu nutzen planen. Basis: telefonische Befragung von 1452 Betrieben. Von diesen sind 395 Open-Source-Nutzer. Die Anteilswerte wurden auf der Basis der länderspezifischen Unternehmensstruktur durch Hochrechnung ermittelt. Quelle: Berlecon