Staat und Wirtschaft müssen für die Informationstechnik mehr tun

Staat und Wirtschaft müssen für die Informationstechnik mehr tun Bildungsministerin Bulmahn: Nicht jammern, sondern handeln

26.03.1999
Mit den 900 Millionen Mark, die in diesem Jahr zusätzlich in ihr Budget fließen, will Bundes- bildungsministerin Edelgard Bulmahn Deutschland auf dem Weg in die Informationsgesellschaft weiterbringen. Die CW-Redakteure Alexandra Glasl und Hans Königes fragten auf der CeBIT die SPD-Politikerin, wie sie die Informationstechnik fördern will.

CW: In Deutschland soll es 75000 unbesetzte IT-Stellen geben. Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Bulmahn: Ich muß an unterschiedlichen Punkten ansetzen. Zum einen in der Schulausbildung, zum anderen bei den Weiterbildungsmöglichkeiten. Mit dem Fraunhofer-Institut und der Uni Kaiserslautern erarbeiten wir Weiterbildungskonzepte, um dem Fachkräftemangel offensiv entgegenzutreten. Der dritte Bereich ist die Hochschulausbildung. Ich bin froh, daß sich wieder mehr Jugendliche für ein Studium der Informatik oder Elektrotechnik entscheiden.

CW: Müssen sich nicht auch die Studieninhalte ändern, damit der Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis gelingt?

Bulmahn: Die Hochschulen müssen ihre Informatikausbildung verbreitern. Die mathematische Orientierung reicht bei weitem nicht aus. Wir brauchen Studiengänge, die stärker auf das künftige Anwendungsfeld ausgerichtet sind. Nicht umsonst findet die Wirtschaftsinformatik so eine große Nachfrage.

CW: Aber bisher hat die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft noch nicht die erhofften Früchte getragen.

Bulmahn: Inzwischen studiert ein großer Teil der Jugendlichen mit dem Ziel, die so erworbenen Kenntnisse in einem Unternehmen und nicht im Rahmen einer wissenschaftlichen Karriere anzuwenden. Die Unternehmen stellen fest, daß eine intensive Zusammenarbeit mit Hochschulen auch ihnen nützt, weil sie dadurch früh an neue Forschungsergebnisse kommen.

CW: Ein Professor und Inhaber eines Softwarehauses beklagte sich, daß an der Uni nur Forschungsergebnisse Anerkennung bringen. Gründet er ein Unternehmen, wird er von den Kollegen geschnitten. Hat die Wissenschaft nach wie vor einen zu hohen Stellenwert?

Bulmahn: Als ich das gelesen hatte, habe ich gedacht: Nicht jammern, sondern handeln. Ich setze bei der Erneuerung der Hochschulen auf größtmögliche Autonomie, auf Wettbewerb und auf eigenständige Profilbildung statt auf staatliche Bevormundung. Der Staat soll sich künftig auf verbindliche Rahmenvorgaben für die Arbeit der Hochschulen beschränken.

CW: Apropos Handeln. Sie haben sich in Sachen computerunterstütztes Lernen einiges vorgenommen. Wie sollen Deutschlands Schulen und Hochschulen auf diesem Gebiet die Nummer eins werden?

Bulmahn: Computerunterstütztes Lernen soll in allen Schulen und Hochschulen zu einem ganz normalen Bestandteil der Lehre werden. Ich werde einen Schwerpunkt für die Entwicklung hochwertiger Lernsoftware setzen. Es ist entscheidend, eine Lernsoftware zu haben, die für die Schüler interessant ist und den Lehrern auch das Unterrichten erleichtert. Das erhöht die Akzeptanz und auch die Motivation, Lernsoftware im Unterricht einzusetzen.

CW: ZVEI-Vorsitzender Jörg Menno Harms hat für ein Bündnis für Bildung plädiert, dagegen ist IBM-Personalvorstand Klaus Kuhnle der Ansicht, daß die Wirtschaft genug getan hat. Was halten Sie von diesen Aussagen?

Bulmahn: Weder Staat noch Industrie haben genug getan. Keiner kann sich entspannt zurücklehnen. Deshalb werde ich Wirtschaft und Länder zu einem Spitzengespräch einladen, um Schulen und Hochschulen im Rahmen einer Public-Private-Partnership so auszustatten, daß sie weltweit eine Spitzenposition beim computergestützten Lernen einnehmen.

CW: Herr Harms könnte es sich so vorstellen, daß der Staat die Koordination übernimmt und die Unternehmen zum Beispiel eine Börse für ältere Rechner aufmachen. Wie würde Ihr Modell aussehen?

Bulmahn: Kurzfristig halte ich solche Überlegungen, die Rechner der letzten Generation gleich an die Schulen weiterzugeben, für richtig. Auf Dauer sollte die Industrie einen bezahlbaren PC entwickeln. Jetzt bewegen wir uns ja noch in Kostendimensionen, die es für viele Familien sehr schwer machen, sich einen PC anzuschaffen.

CW: Mit dem Wirtschaftsministerium arbeiten Sie zur Zeit an einem Masterplan, der Deutschland den Weg in die Informationsgesellschaft ebnen soll. Welche Initiativen umfaßt der Plan?

Bulmahn: Ein Bestandteil wird die Entwicklung des Next-Generation-Internet sein, damit wir die Übertragungsgeschwindigkeit deutlich erhöhen. Andere Schwerpunkte sind die Weiterentwicklung breitbandiger Mobilfunk-Kommunikations-systeme und die Display-Technik.