Schlank und simpel: Datenbanken für Embedded-Systeme

SQL ohne Grenzen

26.02.1999
Datenbanken für Embedded-Systeme sind auf dem Vormarsch. Nicht nur Palmtops und Handhelds, sondern auch Kredit- und Servicekarten sollen künftig mit einem relationalen Datenspeicher ausgestattet sein. Rainer Doh skizziert ein Zukunftsszenario.

Während die Anhänger objektorientierter Datenbanken schon das Ende der SQL-Ära heraufbeschwören, erobert sich die relationale Technologie derzeit ganz neue Einsatzfelder. Sie findet sich in Handheld- oder Palmtop-Computern und immer häufiger auch in Fotokopierern, in Kraftfahrzeugen, ja sogar in Haushaltsgeräten. Zwar sind solche Lösungen derzeit noch die Ausnahme, dennoch liegt hier ein bedeutsamer Zukunftsmarkt für die Hersteller von Datenbanken.

So werden etwa Handhelds angesichts der immer besseren technischen Ausstattung schon in unmittelbarer Zukunft aus ihrer bisherigen Nischenexistenz heraustreten. Als Folge davon wird standardisierte Technologie immer wichtiger. Anbieter von IBM über Compaq/Digital und Sun bis hin zu Toshiba arbeiten daher schon an der Mobile Network Reference Specification (MNCRS).

Handheld-Computer brauchen Standards

Die Aufgaben der Handhelds werden nicht nur immer anspruchsvoller, zugleich verlieren proprietäre Applikationen auch hier an Bedeutung. Sobald diese Geräte nicht mehr bloß Telefonnummern, Termine und Messekontakte verwalten, sondern zum Beispiel für Kundendienst- oder Beratungsaufgaben vor Ort eingesetzt werden, müssen sie über einfache Schnittstellen zu den Datenbanken der Unternehmen verfügen und die entsprechenden Datenbanklösungen beherbergen können. Standardisierte Datenhaltung auf Handhelds kann aber letzten Endes nur bedeuten, daß auch hier entsprechend zugeschnittene relationale DBMS verwendet werden - nicht nur, um einfache Daten-Schnittstellen zur Verfügung zu stellen, sondern auch, um über die bekannten Programmier-Schnittstellen die Integration in die stationären Applikationen zu vereinfachen.

Datenbanken, die in diesem Segment zum Einsatz kommen können, müssen zum einen über einen besonders kompakten Code verfügen, um in die begrenzten Speicher der Systeme zu passen, zum andern darf für ihren Betrieb keinerlei Administration erforderlich sein. Automatisches Startup und Failure Recovery müssen selbstverständlich sein. Auf der anderen Seite werden auf einem Handheld-PC sicherlich keine außergewöhnlichen Ansprüche ans Datenvolumen gestellt werden, auch die Zahl der konkurrierenden Nutzer ist hier uninteressant.

Dieses Anwendungsszenario ist keineswegs auf "computerähnliche" Systeme beschränkt. Mikroprozessoren kommen heute nahezu in allen elektronischen Geräten zum Einsatz, und überall lassen sich auch Datenbanken integrieren: in Navigationssystemen, in Hausgeräten, in Sicherheitssystemen etc. Kürzlich hat Xerox eine neue Generation von Fotokopierern angekündigt, bei denen die relationale Datenbank "Quasar" - eine Miniversion von Centuras SQLBase - Störfälle und Wartungsmaßnahmen protokolliert. Über ein Notebook kann ein Kundendiensttechniker diese Datenbank mit simplen SQL-Befehlen abfragen.

Datenbanken in Kartengröße

Die nächste Stufe in der Miniaturisierung von Datenbanken ist die Smartcard, die auf den ersten Blick wie eine herkömmliche Service- oder Kreditkarte aussieht. Während aber letztere nur einige wenige Informationen enthalten, etwa die Kreditkartennummer in Form einer Prägung und/oder auf dem Magnetstreifen, verfügen die Smartcards über ein reichhaltiges Innenleben. Sie erlauben es nicht nur - wie zum Beispiel Telefonkarten -, veränderbare Daten zu speichern, sondern verfügen über eine eigene CPU und können so eigene Auswertungen vornehmen. Die wichtigste Aufgabe für die in die Smartcards eingebaute "Intelligenz" ist die Verschlüsselung der Daten, wie sie etwa bei Cash-Cards benötigt wird.

Die heute erreichte Entwicklung der DV-Systeme hat für die Smartcards eine weitere Option eröffnet, die zu einer zusätzlichen Verbreiterung der Anwendungsgebiete führt. Relationale Datenbanken können mittlerweile so kompakt gestaltet werden, daß sie auch auf einer Smartcard Platz finden. Enthielten Kartensysteme bisher proprietäre Datenspeicher, so können die neuen, extrem schlanken SQL-Datenbanken nicht nur die Interoperabilität der Datenhaltung herstellen, sondern sie lassen sich auch ganz einfach in die normale Unternehmens-DV integrieren. Aufbau oder Abbuchung von Guthaben auf einer Karte, Einlesen von Bestellungen, persönlichen Daten etc. können dabei direkt mit den üblichen SQL-Befehlenerfolgen.

Die kartenfähigen Datenbanken müssen über besondere Voraussetzungen verfügen: Äußerst geringer Ressourcenbedarf versteht sich auch hier von selbst, denn die Smartcards bieten derzeit bestenfalls Platz für 100 KB. Außerdem müssen diese Datenbanken absolut wartungsfrei sein, und schließlich müssen sie so preiswert sein, daß sich das Ganze für Hersteller und Anwender überhaupt noch lohnt.

Smartcards mit Datenbank erfordern aber auch neue Sicherheitsmethoden. Konnte man sich bisher darauf beschränken, Fremdzugriffe ins System abzufangen, so müssen die Smartcard-Datenbanken nun auch den Eigentümer kontrollieren. Man kann hier nicht wie sonst in der Datenbankwelt davon ausgehen, daß der berechtigte Eigentümer auch derjenige ist, der mit seiner Datenbank sämtliche möglichen Manipulationen vornehmen darf, also beispielsweise eine Cash-Card oder eine Tankservicekarte nach Belieben neu aufladen. Andererseits darf derjenige, der eine solche Karte berechtigterweise auflädt, dabei nicht Daten ohne Einverständnis des Eigentümers speichern oder abrufen. Gerade die Integration in die SQL-Technologie schafft auch für technisch anspruchsvolle und sichere Lösungen die Voraussetzung.

Der Markt für Embedded Databases im weitesten Sinn wird von der Gartner Group derzeit auf einen Umsatz von etwa 250 Millionen Dollar weltweit geschätzt. Bereits 1997 waren laut Datamonitor über 1,2 Milliarden Smartcards im Einsatz. Anbieter im Bereich Embedded-Datenbanken sind momentan Sybase mit "SQL Anywhere", Borland mit "Interbase", Centura mit "SQL Base" und Pervasive mit"Scalable SQL", dem früheren "Btrieve". Die Hersteller von relationalen Datenbanken arbeiten vor allem daran, ihre Systeme soweit zu verschlanken, daß sie mit geringen Ressourcen auskommen und wenig Arbeitsspeicher benötigen.

Dr. Rainer Doh ist Autor der Agentur PR-Com in München.