Bund soll Forschungs- und Technologieprozesse mehr stimulieren:

SPS fordert bewußtere Schwerpunktförderung

17.04.1987

BERN (CWS) - Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) hat ein Positionspapier zur Forschungs- und Technologiepolitik des Bundes vorgelegt. Eine der Hauptforderungen: An den beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETHs) ist je ein Forschungsschwerpunkt für Technologiefolgenabschätzung einzurichten.

Das Credo der SPS formuliert SP-Nationalrat René Longet, Präsident der parteiinternen Kommission für Bildung, Kultur und Wissenschaft, gleich im ersten Satz seines Vorwortes: "Eine Reihe von Zeitgenossen glauben, daß sich der Mensch der Technik anzupassen habe. Wir halten das Gegenteil für richtig: Die Technik hat sich dem Menschen anzupassen." Die SPS kritisiert, daß die Ziele der Forschungs- und Technologieförderung "in der Regel" nach Kriterien des industriell-militärischen Komplexes ausgewählt werden: kurzfristige Gewinnmaximierung, Prestigebedürfnisse, Zufall...

Technik muß sich dem Menschen anpassen

Nach dem Willen der SPS müßte der Bund eine aktivere, aber auch selektivere Politik betreiben: "Der technologische Fortschritt ist nicht einfach fatalistisch hinzunehmen, sondern bewußt mitzubestimmen." Ein Dorn im Auge ist der SPS, daß "über den Einsatz von rund 75 Prozent der in der Schweiz ausgegebenen Forschungsmittel die Logik der Privatwirtschaft entscheidet, was den Staat dazu zwingt, vor allem in jener Bereichen aktiv zu werden, die für die Privatwirtschaft uninteressant sind". Zur Verhinderung negativer Auswirkungen der Forschungsförderung gehöre, daß der Staat Entwicklungen auf gewissen Gebieten aus der Nähe und kritisch begleite und zur Not bremsend oder mit Verboten eingreife.

Entwicklungen kritisch unter die Lupe nehmen

Die SPS begrüßt die Bereitschaft der Hochschulen, ihr Know-how in der Forschung vermehrt zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme zur Verfügung zu stellen. Sie hält aber auch fest, daß im anwendungsorientierten Bereich der Ingenieur- und Naturwissenschaften "bisher vor allem die Großbetriebe aus einer derartigen Zusammenarbeit Nutzen gezogen haben". Darum fordert die SPS, daß die Hochschulen in Zukunft ihr Wissen nicht nur vermehrt Klein- und Mittelbetrieben zukommen lassen, sondern auch jenen Gruppen der Gesellschaft, die nur über bescheidene finanzielle Mittel verfügen, wie Bürgerinitiativen, Parteien, Gemeinden.

Die SPS zeigt sich vor allem an einem leistungsfähigen, innovativen Schulratsbereich interessiert. Die vom Bund jährlich für ETHs und Annexanstalten aufgewendeten 600 Millionen Franken würden heute nicht so eingesetzt, daß sie zu bestmöglichen Dienstleistungen führten. Innerhalb der beiden ETHs sei die Organisation des Lehr- und Forschungsbetriebes nicht flexibel genug; zu viele Mittel würden durch Dauerprofessuren gebunden.

Zu den Forderungen der SPS gehören: Der Schulrat wird dem Eidgenössischen Departement des Innern unterstellt; die Aufgaben sämtlicher Annexanstalten werden neu definiert - zwei der fünf Annexanstalten werden restrukturiert, redimensioniert und neuen Zwecken zugeführt; die ETH Zürich wird nach Departementen neu organisiert. Fragen der Technologiefolgenabschätzung sollen in interdisziplinären Gruppen forschungsmäßig bearbeitet werden.

Der Bund läßt den kantonalen Hochschulen jährlich 300 Millionen Franken an Subventionen zukommen, verfügt aber zum Bedauern der SPS "über kein eigentliches Steuerungsinstrument". Darum sehe sich der Bund zuweilen gezwungen, zum Mittel der Sondermaßnahmen zu greifen (zum Beispiel Informatik- und Ingenieurwissenschaften-Förderung). Die Revision des Hochschulförderungsgesetzes müsse deshalb eine tiefgreifende Strukturverbesserung bringen: "Der Bund unterstützt die Hochschulen mindestens im selben Ausmaß wie bis heute. Er reduziert aber die für Subventionen vorgesehenen Finanzmittel zugunsten von Förderungsmaßnahmen, über die er aus gesamtschweizerischer Sicht steuernd ins Hochschulwesen eingreift. Insbesondere schafft der Band Anreize für Innovationen der Hochschulen.

Europa von morgen mitgestalten

Die sogenannten Hochtechnologien erfordern nach Ansicht der SPS eine verstärkte Zusammenarbeit im europäischen Rahmen. Die Schweiz habe darum "an der Gestaltung eines Europas von morgen" mitzuwirken. Die SPS denkt dabei an "Esprit", "Race" und "Brite" im Rahmen der EG sowie an das von Frankreich lancierte Forschungsprogramm "Eureka".

Fazit des SPS-Positionspapiers: "Die Hauptaufgaben des Bundes bestehen in der Stimulierung von Forschungs- und Technologieprozessen und der Überprüfung ihrer Auswirkungen."