Boston Consulting fördert die Kreativität der Berater mit Content-Management

Sprung über die Grenzen der Plausibilität

26.07.2002
MÜNCHEN (qua) - Wie lassen sich die gewohnten Denkbahnen durchkreuzen, um kreative Lösungen zu finden? Die Boston Consulting Group (BCG) beantwortet diese Frage mit einer Intranet-basierenden "Strategy Gallery", die auf der Content-Management-Software von Gauss basiert.

"Um die Grenze der Plausibilität zu überspringen, arbeiten wir mit Metaphern", erläutert Bolko von Oetingen, Senior Vice President und Direktor des in München ansässigen Strategie-Instituts der BCG. Konkret haben die Berater über einen Web-Browser Zugang zu einer "Galerie" von maximal zweiseitigen Texten sowie einigen Bildern, Videos und Gedankenspielen. Mit Hilfe dieser "Exponate" sollen die Consultants, so von Oetingen, die Grenzen der Wirklichkeit ausloten.

Intelligente Umwege zur Lösung

Zur Verfügung stehen beispielsweise Auszüge aus einer neurologischen Studie über die Gehirne der Londoner Taxifahrer und aus dem 300-seitigen Roman "La Disparation" ("A Void") von Georges Perec, der völlig ohne den Buchstaben e auskommt, oder auch ein kurzer Film über den Einsturz einer Hängebrücke. Bislang enthält die virtuelle Galerie 150 Ausstellungsstücke, sie soll aber auf etwa 1000 Exponate anwachsen. Dreierlei ist allen gemeinsam: Sie behandeln eine wichtige Thematik, sie stammen aus einem Wissensgebiet außerhalb der Betriebswirtschaft, und sie beschreiben einen intelligenten Umweg zur Lösung eines strategischen Problems.

Der Berater kann sich der Intranet-Applikation auf zwei verschiedenen Wegen nähern - über eine dreidimensionale "Flash-Navigation" auf der Begrüßungsseite oder über die Eingabe einer Kategorie. Dazu zählen "Disziplinen" (beispielsweise Anthropologie), "Kollektionen" (etwa Competition & Cooperation) oder "Geschäftskonzepte" (Post Merger Integration etc.).

Die einzelnen Exponate sind anhand dieser Stichwörter miteinander verlinkt. Eine Skala und ein Schieberegler ermöglichen den Consultants, das Gelesene beziehungsweise Gesehene hinsichtlich seiner Nützlichkeit zu bewerten. Außerdem können sich die Nutzer per Mausklick in ein Diskussionsforum einloggen, falls sie Fragen an Kollegen hinterlegen oder ihre eigenen Ansichten preisgeben möchten.

Das System basiert auf dem Content-Management-System "VIP Enterprise" von Gauss Interprise und einer relationalen Datenbank. Umgesetzt wurde es von der Platinion GmbH, einer hundertprozentigen BCG-Tochter mit Sitz in Köln.

Vier Entwickler für drei Monate

Wie deren Managing Director Hagen Pfeiffer erläutert, hatte das Entwicklerteam zuvor einen Versuch mit dem Gauss-Konkurrenten Interwoven gestartet. Weil sich mit dessen Tool die internen Verbindungen zwischen den einzelnen Inhalten nicht zufrieden stellend hätten implementieren lassen, sei das Vorhaben abgebrochen worden. Letztlich belegte die Realisierung der Systemstruktur vier Entwickler etwa drei Monate lang mit Beschlag.

Den Content erweitert das zweiköpfige Redaktionsteam, indem es sowohl mit Universitäten zusammenarbeitet als auch Vorschläge der BCG-Mitarbeiter aufgreift. Es editiert die für brauchbar befundenen Exponate im "VIP Edit Server" von Gauss. Bevor ein Ausstellungsstück auf dem Web-Server mit dem "VIP Production Server" freigeschaltet wird, muss es aber noch die Qualitätssicherung im "VIP QA Server" passieren, wo der Kurator es hinsichtlich der oben genannten Kriterien abklopft.

Ein Fünftel kommt regelmäßig

Gespeichert werden die Dokumente, Bilder und Videos mit "MS SQL", weil Gauss zu Beginn des Projekts, also im Mai des vergangenen Jahres, noch kein eigenes Datenbanksystem im Angebot hatte. Auf der Basis des Microsoft-Produkts entwickelte Platinion auch eine eigene Suchmaschine. Das Diskussionsforum wurde mit der Community-Software des Münchner Anbieters Cassiopeia umgesetzt. Eine Java-Applikation schließlich erlaubt es den Benutzern, ihre eigenen Sammlungen anzulegen, mit Kommentaren zu versehen und wieder in die Galerie einzustellen.

Seit September 2001 verzeichnete die virtuelle Galerie rund 10000 Besuche. Wie von Oetingen erläutert, kommen etwa 20 Prozent der Berater mehrmals im Monat vorbei, um sich von den Exponaten anregen zu lassen. Bei einigen Mitarbeitern sei allerdings noch Überzeugungsarbeit zu leisten - umso mehr, als das System den "genetischen Code des Unternehmens" repräsentiere.

Abb: Der Aufbau des Systems

Via Intranet oder auf ihrem PDA können die BCG-Berater in fremdartige Vorstellungswelten eindringen. Quelle: Platinion