Modellgemeinden als "Sauerteig" für die Telecom-Ausbreitung:

Sprengkraft liegt in der Projektfinanzierung

04.09.1987

BERN (CWS) - Von den einzelnen Pressure-Groups in die Zange genommen, gerät das PTT-Projekt "Kommunikations-Modellgemeinden der Schweiz" vom ursprünglichen Pfad ab. Nach und nach wird klar: Geschenke werden keine gemacht. Den Gemeinden, die am "Feldversuch" miwirken können, stehen noch finanzielle Überraschungen ins Haus.

80 bis 120 Milionen Franken soll das Projekt kosten, das im wesentlichen ein Ziel verfolgt: Die "Feldversuch"-Gemeinden als eine Art Sauerteig zu benützen, damit die neuen Telekommunikations-Möglichkeiten in die Breite gehen. Wer wieviel berappt, wird noch eine Weile unklar bleiben. Zunächst wird sich am 22. September der Trägerverein und sein Vorstand konstituieren. Unabhängig von der umstrittenen Person des Projekt-Koordinators - Viktor Colombo - stehen Turbulenzen an.

Die Vereinigung Schweizerischer Fernmeldebenützer (Asut) pocht im Interesse der PTT-Großkunden auf einen Platz am Vorstandstisch - die Non-Profit-Organisationen wollen sich nicht als Lendenschurz mißbrauchen lassen. Und Pro-Telecom-Geschäftsführer Josef Koch meinte auf Anfrage zur Rolle der Fernmeldeindustrie bei diesem Projekt: "Die Industrie kann doch nicht den Pestalozzi spielen."

Zwar finanziert die PTT die Pro-Telecom zu einem Viertel mit. Doch das solle ihr nicht das Recht geben, jetzt zu proklamieren: "Die schweizerische Fernmeldeindustrie hat seit Jahrzehnten von der PTT profitiert, also kann sie jetzt auch mal etwas für die PTT tun."

Aus der Sicht der PTT sieht die Finanzierung ungefähr so aus: Der "Gelbe Riese" stellt die Infrastruktur (IFS-Zentralen, Swissnet-Leitungen etc.), Industrie und Wirtschaft kommen für die Nutzanwendungen auf. Was die Industrie anbetrifft, sieht der Pro-Telecom-Geschäftsführer folgende Lösung: "Wir könnten den Projektgemeinden insofern entgegenkommen, als wir auf eigene Kosten in der Projektleitung mithelfen würden."

Gerangel um den Vorstand des Trägervereins

Momentan wird die Finanzierung als zentraler Punkt dieses Großprojekts mit Samthandschuhen angefaßt. Im Vordergrund steht jetzt die Bildung des Trägervereins sowie das Gerangel um dessen Vorstand. Die Asut am Vorstandstisch würde nach Meinung Kochs "der Sache viel mehr nützen, als - man kann fast sagen - der Vertreter von Privathaushaltungen, die zufrieden sind, wenn sie ein Telefon auf dem Stubentisch haben".

Angesichts der sich abzeichnenden Turbulenzen erstaunt nicht, daß sich die Stimmen jener mehren, die schon immer gesagt haben: "Am gescheitesten wäre es gewesen, die betuchten" PTT hätten das Projekt mit Lehre und Forschung allein durchgezogen."