Schweizer System redet dreisprachig und wahrt die Diskretion

Sprachkommunikation via Voicemail

04.11.1983

BERN (CW) - Personen und Personengruppen, die miteinander kommunizieren müssen nicht erreichbar sind, bietet die Radio-Schweiz AG, Bern, das "System Voicemail" an. Diese Abonnement-Dienstleistung ermöglicht den Austausch gesprochener Meldungen über einen zentralen Computer. Trotz digitalisierung sollen die Nuancen, die gesprochene Sprache bieten, nicht verlorengehen.

Erhebungen, die die Berner AG angestellt hat zeigten, daß nur jeder vierte Telefonanruf die gewünschte Person auf Anhieb erreicht, rund 50 Prozent der geschätlichen Telefongespräche zur übermittlung von Einweginformationen geführt werden und rund 80 prozent eines gesprächs (Dialog) aus Redundanz besteht. Voicemail will nun diese Nachteile des traditionellen Telefonverkehrs eliminieren:

- Es gibt keine besetzten Telefonleitungen.

- Die einseitige Meldungsübermittlung verhindert Redundanz.

Mit Voicemail kann man jederzeit und überall kommunizieren, insbesondere auch dann, wenn der Aufenthaltsort des Gesprächspartners

unbekannt ist oder wenn er anderweitig nicht verfügbar ist. - Der Benutzer wird nicht mehr durch ständige Telefonanrufe gestört. Er hört seine Meldungen dann ab, wenn er Zeit dazu hat, unabhängig davon, wo er sich gerade aufhält.

- Kommunikationsprobleme infolge unterschiedlicher Zeitzonen im Uberseeverkehr werden ausgeglichen.

- Die Meldungen werden im System persönlich adressiert. Zugriff zu den Meldungen hat nur der Empfänger aufgrund eines persönlichen Zahlencodes. Die Vertraulichkeit des Inhalts ist damit gewährleistet. Drittpersonen für die Weiterleitung der Meldungen sind nicht erforderlich, so daß Inhaltsverluste und Fehlinterpretationen vermieden werden.

- Die Nutzung dieses Systems bedeutet mündliche Kommunikation. Sprechen ist für den Menschen die einfachste und naturgegebene Kommunikationsart. Beim Sprechen werden nicht nur sachliche Inhalte, sondern auch Empfindungen ausgedrückt (Tonfall, Sprechgeschwindigkeit).

Voicemail arbeitet nach Darstellung der Radio Schweiz AG nach dem Prinzip des elektronischen Briefkastens. Im Gegensatz zu den traditionellen Systemen wie DataMail erfolgt die Kommunikation mündlich Über das öffentliche Telefonnetz (weltweit).

Jeder Teilnehmer verfügt über einen persönlichen "Briefkasten" mit individueller Adresse im Rechner. Der "Briefkasten" ist jederzeit bereit übers Telefon gesprochene Meldungen aufzunehmen. Der Empfänger kann seinerseits die für ihn gespeicherten Meldungen-über jeden beliebigen Telefonapparat abhören und gleich beantworten.

Die Systemsteuerung durch den Benutzer erfolgt mittels Tonfrequenzen, die über den Telefonapparat eingegeben werden. Zu diesem Zweck ist ein Tonfrequenzgenerator mit Telefontastatur erforderlich. Wo die Telefonzentrale für die Tonfrequenzwahl ausgerüstet ist, können die Steuerbefehle auch über die Tastatur der modernen Telefonapparate eingegeben werden.

Die akustisch übermittelten Sprach- und Befehlssignale werden im System in digitale Form umgewandelt.

Beim Abhören der Meldungen durch den Empfänger werden die digitalen Zeichen in analoge Signale verwandelt. Die Stimme des Senders wird unverfälscht reproduziert.

Die Befehle für die Systemsteuerung sind Zahlen oder einfache Zahlenkombinationen, die mittels Tonfrequenzgenerator eingegeben werden. Die wesentlichsten Funktionen:

- Meldungen senden und abspeichern zu Händen des Empfängers

- terminierte Auslieferung von Meldungen

- Versand von Meldungen an eine Einzelperson oder an eine Gruppe

- Meldungen abspielen, wiederholen und löschen

- eintreffende Meldungen beantworten

- eintreffende Meldungen aktiv weiterleiten an eine oder mehrere wählbare Telefonnummern

- Aktivierung von Personenrufsystemen beim Eintreffen neuer Meldungen

- gleichzeitige Entgegennahme von Meldungen vieler Teilnehmer

- Empfangsbestätigung für gesendete Meldungen

- Identifikation des Absenders mit Namen, Sendedatum und -zeit

Das System kann in der Stunde mehrere tausend Anrufe gleichzeitig verarbeiten. Als Vorteile nennen die Schweizer:

- einfache Bedienung

- getreue Sprachwiedergabe

- Sicherheit gegen unbefugtes Abhören

- Verfügbarkeit von 24 Stunden pro Tag

- Operatorunterstützung auf Verlangen weltweiter Zugriff zum System Sicherstellung der Diskretion mittels Identifikationskontrolle des Empfängers

- Systemansagen auf deutsch, französisch oder englisch (das System erkennt die gewünschte Sprache anhand der Teilnehmeridentifikation)

In folgenden Anwendungen läuft Voicemail nach Angaben des schweizerischen Unternehmens:

- Ein Finanzinstitut, spezialisiert auf die Finanzierung von Großcomputern mit weltweitem Kundenkreis, steht via Voicemail in ständigem Kontakt zu den Mitarbeitern unterwegs (Europa und Übersee). Unter anderem wird damit das Problem unterschiedlicher Zeitzonen im Überseeverkehr gelöst.

Eine Computerfirma mit ausgedehntem Servicenetz steuert ihre Servicetechniker mit dem System. Wichtig ist die kurzfristige Übermittlung von dringenden Meldungen auch bei Abwesenheit des zuständigen Mitarbeiters.

- Die Pikettorganisation einer Firma für Verkehrseinrichtungen gibt Einsatzbefehle an den oder die Pikettmitarbeiter weiter. Jeder Mitarbeiter ist mit einem Personensuchgerät (VIP-Linie, Ortsruf oder Autoruf) ausgerüstet. Bei Eintreffen einer Meldung wird automatisch der Alarm ausgelöst.

- Eine Fluggesellschaft sendet über Voicemail Aufgebote für nicht planmäßige Einsätze von Besatzungsmitgliedern. Das System wählt automatisch die entsprechenden Mitglieder zu Hause, oder in deren Ferienhaus an. Damit können Arbeitsspitzen bei der Einsatzplanung gebrochen werden.

- Das Zentrallager eines Motorradimporteurs nimmt Ersatzteilbestellungen von den Händlern per Sprachsystem entgegen.

- Der Einkauf einer Detailhandelskette gibt kurzfristige Preisänderungen (Tagespreise von Frischprodukten) in Filialen bekannt.