Sprachen der vierten Generation versprechen oft mehr als sie halten

13.03.1987

Allen Herstellerparolen zum Trotz stoßen die 4GL-Produkte in der Praxis sehr oft auf Vorbehalte. Moniert werden erhebliche Performance-Nachteile sowie ein erhöhter Ressourcen-Bedarf. Rudolf Holzapfel, DV/Org.-Leiter bei der Byk Gulden Lomberg GmbH, schildert die Situation so: "Vielfach ist der Anwender nicht in der Lage, sein Problem exakt in das Format der Sprachen der vierten Generation umzusetzen, und erreicht deshalb sein Ziel nur mit riesigem Ressourcen-Aufwand." Daher plädieren viele DV-Verantwortliche dafür, diese Systeme vorwiegend nur Mitarbeitern der DV-Abteilung an die Hand zu geben. Doch selbst diese Profis fühlen sich offensichtlich hin und wieder im 4GL-Dschungel verloren. Konrad Fähler, Leiter des Bereichs Management Services bei Ciba-Geigy, fordert daher eine von allen Softwareanbietern akzeptierte Standardschnittstelle zwischen Datenbank und Endbenutzersprachen. dar

Konrad Fähler

Leiter Management Services, Ciba-Geigy GmbH, Wehr/Baden

Die Sprachen der vierten Generation haben heute als Werkzeug der Informationsverarbeitung ihre Berechtigung. Ich glaube jedoch, daß ihnen ein zu hoher Stellenwert beigemessen wird. Ein sinnvoller Einsatz bedarf eines konzeptionellen Ansatzes.

Für ein Unternehmen, das die Informationsverarbeitung als einen wesentlichen Erfolgsfaktor betrachtet und die Unternehmensdaten als wichtige Ressource nützen will, ist es zunächst sinnvoll, sein Datenmanagement konzeptionell danach auszurichten. Dazu bedarf es einer leistungsfähigen Datenbanksoftware mit einem Data Dictionary.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist nun die Schnittstelle zu den Entwicklungswerkzeugen der professionellen Anwendungsentwicklung und der individuellen Datenverarbeitung. Die 4GLs gehören in diesen Werkzeugkasten.

Entscheidend für die Effektivität dieser Sprachen sind neben der anwendungsorientierten Funktionalität auch die Qualität des Datenmanagements und die Nutzung von Datenmanipulationsmöglichkeiten der Datenbanksoftware. Zwar sind sie für die Anwendungsentwicklung einsetzbar, aber wenig endbenutzerfreundlich. Die Akzeptanzschwelle ist hier sehr hoch, der Einsatz für Endanwender nicht zumutbar.

Die Sprachen, die nun wiederum auf den Endbenutzer zugeschnitten sind, versuchen zwar eine gewisse Datenorganisation mitabzudecken, können jedoch die Anforderung, Daten unabhängig von den Anwendungen zu speichern, in der Regel nicht erfüllen. Dadurch geht der Synergie-Effekt verloren.

Außerdem ist die Datenorganisation nicht offen für andere Entwicklungs- und/oder Programmiersprachen, die nach wie vor benötigt werden. Der Einsatz führt zu hoher Datenredundanz und zu Konsistenzproblemen. Eine weitere Folge ist ein schwer kontrollierbares Wachstum der Rechnerleistung. Die Lösung könnte eine von allen Softwareanbietern akzeptierte Standardschnittstelle (zum Beispiel SQL) zwischen Datenbank und Endbenutzersprachen sein.

Sprachen der vierten Generation sind nützliche Werkzeuge zur Produktivitätsverbesserung. Der volle Nutzen wird aber erst erreicht, wenn Datenorganisation, Dictionary und Datenbanksoftware sowie Sprachen konzeptionell aufeinander abgestimmt sind. Dies zu erzielen, ist beim heutigen Stand der Softwaretechnik für den Anwender jedoch nicht ganz einfach. Es ist noch viel Entwicklungsarbeit auf diesem Gebiet zu leisten.

Rudolf Holzapfel

DV/Org.-Leiter, Byk Gulden Lomberg Chemische Fabrik GmbH, Konstanz

Das Anwendungssystem "AS" wurde nach, ausgiebigen Tests im Januar 1986 produktiv eingeführt.

Bei Anwendern in den Fachabteilungen haben wir folgende Erfahrungen gemacht: Das Verkaufsargument "Endbenutzertool" gilt uneingeschränkt nur für einfache Anwendungen im Nativ-Modus, die wenig DV-Kenntnisse (einfache Datenstrukturen, eine Datei) erfordern; für komplexere Anwendungen (Menüsteuerung, Dateiabgleich, Update) fehlen bei Benutzern meistens die DV-Kenntnisse. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß solche Anwendungen sinnvoll nur von Mitarbeitern der DV-Abteilung erstellt werden können.

Von Vorteil ist es, wenn Mitarbeiter bereits Erfahrungen mit PC-Systemen (zum Beispiel dBase) mitbringen.

Ein weiterer Aspekt ist das Entstehen unwirtschaftlicher Anwendungen. Bei fehlender Bereitschaft der Fachabteilungen zur Koordination ist das Problem die Entwicklung identischer Anwendungen und die Haltung redundanter Daten.

Der Wartungsaufwand wird deutlich reduziert. Ein Vorteil, der höher zu bewerten ist als die Beschleunigung der Programmentwicklung.

- Nicht alle Anforderungen lassen sich mit "Ideal" abdecken. Performance-Nachteile und erhöhter Ressourcen-Bedarf - vor allem bei Batch-Abläufen - haben Cobol nicht überflüssig werden lassen.

Fast täglich erscheinen und verschwinden neue Sprachen, Tools, Programm- und Maskengeneratoren auf dem Markt. Ich sehe nur für die Tools langfristig eine Chance, die sich in die vom Unternehmen definierte Entwicklungsumgebung einpassen. Die große Vielfalt geht häufig mit geringem Know-how und ineffizientem Einsatz des Einzelprodukts einher. Ein Investitionsschutz für Anwendungen, die mit Hilfsmitteln aus dem Werkzeugdschungel entwickelt wurden, ist häufig nicht gegeben.

Die DV-Verantwortlichen sind in jedem Unternehmen gefordert, eine für ihr Unternehmen geeignete Entwicklungsumgebung zu definieren und mit Werkzeugen auszustatten. Die Sprache der vierten Generation kann ein Werkzeug zur Produktivitätssteigerung in diesem Konzept sein. Denn: Erfolgreiche Anwendungen und damit der Erfolg der "Informations"-Abteilung werden stärker von einem langfristig tragfähigen Systemdesign als von einer Programmiersprache bestimmt.

Eugen Nagel

DV-Leiter, Fichtner Beratende lngenieure, Stuttgart

Wir setzen derzeit "Mantis" Version 1.0 von Cincom Systems ein, eine Sprache der vierten Generation für die Informationsverarbeitung im kommerziellorganisatorischen Bereich. Als Datenbank-Managementsystem liegt dabei "Ultra" von Cincom Systems zugrunde. Beide Systeme sind auf einer VAX installiert.

Um mit den Sprachen der vierten Generation effizient arbeiten zu können, müssen zuerst die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden. Diese Bedingung kann - abgesehen von einigen qualifizierten Mitarbeitern in den Fachabteilungen - nur die DV-Abteilung erfüllen. Die Vorteile dieser Programmiersprachen liegen dann in einer erheblich verkürzten Entwicklungszeit der Projekte und einer reduzierten Wartung.

Natürlich muß man auch die Nachteile der 4GLs sehen. So sind beispielsweise die Programme, die durch diese Methoden erzeugt werden, bezüglich der Ressourcen aufwendiger. Im Endeffekt führt dies bei einer intensiven Nutzung dieser Sprachen nach kurzer Zeit dazu, daß der Hauptspeicher ausgebaut und die Prozessorgeschwindigkeit erhöht werden muß. Dennoch verwenden wir ausschließlich und ganz konsequent die 4GL-Technik für unsere Entwicklungen.

Die Sprachen der vierten Generation sind durchaus noch verbesserungsbedürftig. Dringend notwendig wäre vor allem eine höhere Performance der erzeugten Programme. Außerdem fehlen einige Features, die in Cobol manche Prozesse sehr schnell ablaufen lassen. Im konkreten Fall "Mantis" vermisse ich das "Close" auf Dateien. Weiterhin ist kein Listengenerator vorhanden. Entsprechende Verbesserungsvorschläge sind von uns bereits weitergeleitet worden.

Erfreulicherweise gab es dafür keine Probleme bei der Einführung von "Mantis" in unserer Programmierabteilung. Dies liegt aber in erster Linie an dem relativ jungen Durchschnittsalter unserer Mannschaft. Vorteilhaft war für uns, daß diese qualitativ hoch ausgebildeten Diplom-lnformatiker während ihres Studiums Cobol bereits als eine altertümliche Sprache einstuften.