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Spion im Netz - Deutscher Hacker schlich sich 1987 ins Pentagon

22.06.2007
Er brauchte nicht mehr als Computer und Modem, um der Großmacht USA einen ihrer schlimmsten Albträume zu bescheren.

Vor 20 Jahren, am 23. Juni 1987, setzten Fahnder einen damals 25 Jahre alten Programmierer in Hannover fest, der über das Internet militärische Einrichtungen in den USA ausgespäht hatte - darunter auch das Pentagon, Sitz des US-Verteidigungsministeriums. Mit Hilfe weiterer Hacker aus Hannover hatte der Mann die brisanten Daten in Ostberlin dem sowjetischen Geheimdienst KGB angeboten. 1990 wurde den Männern in Celle der Prozess gemacht.

Der Hacker aus Hannover - so die Bezeichnung der Computerexperten, die im Internet auf Diebestour gehen - erhielt wie seine Komplizen eine Bewährungsstrafe. Zwar hieß es in der Urteilsbegründung: "Die Angeklagten haben durch ihr Tun den Tatbestand der gemeinschaftlichen geheimdienstlichen Agententätigkeit (...) erfüllt." Es wurde aber berücksichtigt, dass "nachweisbarer erheblicher Schaden weder für die Bundesrepublik Deutschland noch für die Vereinigten Staaten von Amerika festzustellen war».

Dennoch: In Auszügen hatte der hannoversche Hacker, der sich in der Szene "Urmel" nannte und als technischer Kopf der Bande galt, dem Klassenfeind der USA in Zeiten des Kalten Krieges gewichtige Staatsgeheimnisse serviert. Darunter Daten über die Schlagkraft des biologischen und chemischen Waffenarsenals der USA sowie Pläne für die Unterstützung der NATO-Verbündeten im Kriegsfall.

Doch der große Coup blieb aus. Nur stückchenweise übergaben die Hacker ihrem KGB-Kontakt "Sergej" in Ostberlin das Material. Laut Gerichtsakte flossen mehrere tausend D-Mark. Der Plan der Hacker war, irgendwann ihre gesamten Kenntnisse zu verkaufen - damit die UdSSR fortan selber den Westen ausspionieren konnte. "Als Kaufpreis stellte man sich 1 Mio. DM vor", ist in den Gerichtsarchiven festgehalten.

Dass es soweit nicht kam, lag an 75 Cent und dem Einsatz der Deutschen Bundespost. Clifford Stoll, damals Computerfachmann an einer US-Forschungseinrichtung, verfolgte 1986 einen vermeintlichen Abrechnungsfehler bei den Telefonverbindungen - in Höhe eines Dreiviertel-Dollars. Stoll erkannte, dass sich ein fremder Nutzer in das Netz seines Arbeitgebers einwählte und von dort weitere Verbindungen aufbaute. "Urmel" nutzte zivile US-Einrichtungen als Zwischenstationen, brachte ihr Netz unter seine Kontrolle und hackte sich von dort aus weiter.

Stoll packte der Ehrgeiz, den Hacker aufzuspüren. Im Film "Der KGB, der Computer und ich" hat er seine Jagd dokumentieren lassen. Wochenlang überwachte er die Rechner seines Instituts, nächtigte im Schlafsack zwischen Dutzenden Computern, mit denen er Informationen über den Hacker "Urmel" sammelte. Schließlich verfolgte er die Spur nach Frankfurt am Main zurück. Die Amerikaner baten Westdeutschland um Amtshilfe, bald war Hannover als Standort der Hacker ausgemacht.

Mitte Mai 1987 rückte das Bundeskriminalamt an. Die Bundespost musste alle Vermittlungsstellen besetzen. Es galt herauszufinden, von welchem hannoverschen Anschluss aus "Urmel" bis ins Pentagon hinein spionierte. In der Vermittlungsstelle an der Rosenstraße arbeitete an diesem Tag auch Jürgen Schlüter, als sich "Urmel" wieder einwählte. "Es hätte auch rund 60 andere Stellen treffen können", sagt der damals 43 Jahre alte technische Beamte. "Doch der Anschluss des Hackers lief nun einmal über die Dienststelle, in der ich saß."

Im analogen Zeitalter jener Tage habe die Fangschaltung noch nicht per Mausklick funktioniert. Schlüter musste die Leitungen in der 30 Meter langen Halle manuell verfolgen, sicherte die Einwahl vorsorglich mit Relaisklammern und war nach rund 15 Minuten am Ziel. "Um die Durchwahl dem Anschlussteilnehmer zuzuordnen, brauchte ich nur noch einen Anruf bei den Kollegen." Der Hacker war ermittelt. Noch einige Wochen habe die Bundespost zur Sicherheit "Urmels" Verbindungen dokumentiert.

Laut Gerichtsakte erfolgte am 23. Juni 1987 die Hausdurchsuchung bei dem Hacker, dem als Spion im Netz 75 Cent zum Verhängnis geworden waren. Alle Angeklagten waren im späteren Prozess geständig. (dpa/tc)