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Prozess um Meinungsfreiheit

Spickmich-Prozess: Eine gegen alle

09.01.2008
Der Form halber geht der Prozess durch die Instanzen, weil die Klägerin gegen das Schülerportal Spickmich eine Grundsatzentscheidung anstrebt.

Der gerichtliche Streit um Lehrer-Benotungen im Internet-Portal "Spickmich" geht in die nächste Runde: Seit Mittwoch klagt eine Lehrerin vor dem Kölner Landgericht erneut gegen ihre Bewertung im Internet. Die Gymnasiallehrerin verlange das Löschen ihrer persönlichen Daten und ihrer Bewertung aus dem Portal, sagte ein Sprecher des Kölner Landgerichts zu Beginn des Zivilprozesses. Ursprünglich sollte über zwei Unterlassungsklagen verhandelt werden. Eine Schuldirektorin hatte ihre Klage jedoch am Vormittag zurückgezogen. Die Gymnasiallehrerin hatte ihre Beurteilung zuvor schon per einstweiliger Verfügung stoppen wollen, Ende November 2007 aber vor dem Kölner Oberlandesgericht (OLG) verloren.

Die Pädagogin vom Niederrhein strebt eine Grundsatzentscheidung beim Bundesgerichtshof oder beim Bundesverfassungsgericht an, wie ihre Anwälte erklärten. Das jetzige Hauptsacheverfahren sei dazu aus "formaljuristischen Gründen" notwendig. Am 27. November 2007 hatte das Kölner OLG in dem einstweiligen Verfügungs-Verfahren entschieden, dass Schüler ihren Lehrern im Internet Noten geben dürfen. Das sei vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und greife nicht unzulässig in das Persönlichkeitsrecht ein. Das OLG hatte damit die Entscheidung das Landgerichts Köln bestätigt.

Am Mittwoch machte das Kölner Landgericht zum Prozessbeginn deutlich, dass es im Spickmich-Fall bei seiner juristischen Einschätzung bleibe, wie Sprecher Dirk Eßer sagte. Das Urteil werde am 30. Januar verkündet.

In dem seit Frühjahr 2007 bestehenden nicht-kommerziellen Portal, das drei Kölner Studenten betreiben, werden Lehrer in Kategorien wie "faire Noten", "menschlich" oder "gut vorbereitet" mit Noten von 1 bis 6 bewertet. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Deutsche Philologenverband lehnen das Portal ab, das inzwischen mehr als eine Viertel Million Schüler nutzen.

Die Klägerin will in dem Prozess Ansprüche aus ihrem Selbstbestimmungsrecht geltend machen, sagte ihre Duisburger Anwaltskanzlei der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Sie wendet sich dagegen, dass sie gegen ihren Willen in ein Internetbewertungsportal gezogen wird und dort anonymen Benotungen ausgesetzt ist." Es stehe noch nicht einmal fest, ob die Bewertungen tatsächlich von den Schülern selbst stammten. Außerdem habe die Kritik auf Spickmich zumindest in Teilen nichts mit der Berufsausübung der Pädagogin zu schaffen, etwa bei Kriterien wie "cool" oder "menschlich".

Sollte sie den Prozess verlieren, sei eine Berufung beim OLG Köln oder auch eine "Sprungrevision" beim Bundesgerichtshof möglich. Erst wenn der Zivilrechtsweg ausgeschöpft sei, könne sie Verfassungsbeschwerde einlegen. (dpa/ajf)