Hersteller-Empfehlungen zur Netzkonzeption:

Spezialitätenmix für Netze à la carte

21.03.1980

Design, Host- und Knotenrechner, alle Terminals und die dazugehörige Software, um das Netz zum Laufen zu bringen, von einem einzigen Hersteller beziehen und gleichzeitig gut bedient zu sein, hört sich traumhaft an. Die COMPUTERWOCHE fragte verschiedene Hersteller nach ihrer Empfehlung, alle Komponenten aus einer Hand zu bestellen oder von der Anwendung her ein individuelles System den Bedürfnissen entsprechend zusammenzubasteln.

"Natürlich ist es besser wenn die gesamte Hardware eines Netzwerks aus einer Hand stammt", meinte Heinz-Günther Klaus, Pressesprecher der Honeywell Bull AG, Köln, die selbst das System 6 anbietet. Doch in der Praxis lasse sich diese Wunschvorstellung nicht realisieren. Einmal stehe bei dem Anwender häufig ein Großrechner mit laufendem Mietvertrag, auf den die übrigen Funktionen zum Distributed Processing oder zur Nutzung einer Datenbank abgestimmt werden müßten. Zum anderen existierten am Markt zu viele Firmen, so daß man - auch als Hersteller - in der Praxis dem Pluralismus den Vorrang einräume.

Dem Diktat der Praxis beugt sich auch die AEG-Telefunken, Frankfurt. Bei ihrem als Referenz genannten Kunden, dem Leibniz Rechenzentrum in München, thronen in der Mitte als Host zwei Cyber 175 der Control Data (CDC); AEG selbst entwarf, in Zusammenarbeit mit CDC das Konzept und stellte die Knotenrechner. Die intelligenten und stapelorientierten Terminals kommen von wieder anderen Herstellern.

Geringste Kompatibilitätsprobleme

Klar, daß sich dann die geringsten Probleme mit der Kompatibilität ergeben, wenn man als Anwender nach IBM-Empfehlung alles aus einer Hand bezieht. Und "Big Blue" bietet alles, was zum Netz gehört: Terminals, Modems, Hosts, nur die Postleitung fehlt. "Weil ein Netzwerk schwer auszulegen ist", so ein Pressesprecher des Marktführers, "bringt ein bestimmtes Produkt als Endstation nicht unbedingt ein Verbesserung der Gesamtleistung mit sich."

Der IBM-Auffassung widerspricht Karlheinz Rathgeber für Tandem Computers GmbH, die jeden einzelnen Rechner nach dem Netzwerk-Konzept konstruiert und damit auf eine fünfjährige Erfahrung im Netze knüpfen zurückblicken kann. "Es gibt keinen einzigen Hersteller, der alles aus einer Hand bieten kann." Größter genannter Kunde ist die Xerox Corp., die für ihr weltweites Netz 255 Knoten mit bis zu 16 Zentraleinheiten angeschlossen hat. Das IBM-Betriebssystem sei wegen seiner laufenden Erweiterungen statt Neukonzeption kopflastig.

Bei geschlossenen Netzwerken empfiehlt die Prime Computer GmbH ihren Kunden die Lieferung aus einer Hand, da höhere Übertragungsprotokolle eingesetzt werden können. Ist ein Großrechner vorhanden, kann das Netz über Minirechner ergänzt werden "Der geringere Preis gleicht den Nachteil bei der Erstellung von Prozedur-Anpassungen aus", erklärte Manfred Maschek, Prime-Spezialist für Rechnernetzwerke. Die Hamburger Stahlwerke, Referenzanwender, hat mehrere gleichberechtigte Rechner nebeneinander installiert, erklärte Dr. Harald Korth als Leiter der dortigen EDV.

Konzept aus einer Hand

Grundsätzlich sind beim Einsatz von Netzwerken mindestens zwei Hersteller beteiligt", erläutert Wolfgang Krebs, Leiter der Produktmarketing Datenkommunikationssysteme im Erzeugnisbereich Datensysteme der SEL-Unternehmengruppe private Nachrichten- und Datensysteme. Die Deutsche Bundespost dürfe ebensowenig fehlen wie der Hersteller von Host und Terminals. Die SEL, Stuttgart, offeriert ihr CNA-Konzept-Communications Netzwork Architecture, wie es ausgesprochen heißt. Bei vielen CNA-Netzen, und hier nennt Krebs als Referenzen das Rechenzentrum Südwest, Stuttgart, und Enka Glanzstoff In Wuppertal, schlössen sich Terminals und Hosts unterschiedlicher Hersteller problemlos an. "Wichtig ist nur, daß das Konzept selbst aus einer Hand kommt", betont der Mathematiker. Nur dann sei es möglich; die Vorteile des Konzeptes zu verwirklichen.

Einen ähnlichen Schwerpunkt bei der Netzkomponentenauswahl hebt die Sperry Univac, Sulzbach/Taunus, hervor.

Einem Anwendernetzwerk müsse ein einheitliches Gesamtkonzept zugrunde liegen. Da die Standardisierung auf diesem Gebiet erst begonnen hat, sei es zur Zeit notwendig, daß sich ein Benutzer, um keine Systemsoftware entwickeln zu müssen, für ein existierendes Konzept eines Herstellers entscheidet. Diese Entscheidung wird vor allem durch die einzusetzenden Zentralrechner bestimmt und schließt dann die Vorschaltrechner und Netzrechner mit ein. Die angebotene Software-Unterstützung des Herstellers bestimmt auch die Auswahl der Datenstationen. Netzwerkkonzepte sollten jedoch offen für den Anschluß von Fremdgeräten sein, da ein Hersteller nicht immer alle erforderlichen anwendungsorientierten Terminals anbieten kann. DCA von Sperry Univac biete diese Anschlußmöglichkeit.

Offene Kommunikation Zukunftsmusik

Standards auf dem Gebiet der Leitungsprozedur und Emulation herstellereigener Prozeduren erleichtern den Anschluß, so die Sperry Univac. Die "offene Kommunikation" ohne Einschränkung von Terminals und Rechner beliebiger Hersteller wird jedoch erst Realität werden, wenn die Normung auf diesem Gebiet abgeschlossen ist und diese Normen in der Software aller Hersteller implementiert sind.

Die Nixdorf Computer AG, Paderborn, sieht das Zentrum des Problems in der Netzwerkstruktur. Um dem Anwender die Möglichkeit zu bieten, Systeme entsprechend seinen Erfordernissen auszuwählen und in das Netz zu integrieren, setzt sich dieser Hersteller eigenen Angaben zufolge für die Durchsetzung offener Netze ein. Unter der Voraussetzung, daß die sonstigen Bedingungen stimmen, spiele die Herkunft der Systeme dann eine untergeordnete Rolle. Damit begibt sich Nixdorf in eine zu IBM konträre Haltung.

Auch Digital Equipment bezieht die in der Befragung erbetene Empfehlung für den Anwender auf ihr Lieferprogramm. Das Unternehmen liefert eigenen Angaben zufolge die gesamte Rechner-Hardware "aus einer Hand" bis hin zur Schnittstelle mit der jeweiligen DÜ-Einrichtung, die nicht im Lieferprogramm vorgesehen sei.

Das Netzwerk-Konzept "Decnet" der Digital Equipment GmbH, München, ist grundlegend ein Rechner-Netzwerk mit gleichberechtigten Netzwerk-Knoten, im Gegensatz zu Terminal-Netzwerken mit zentraler Steuerung. In diesem Zusammenhang seien in einem Netzwerk zwei Hardware-Komplexe zu unterstreichen: einerseits die Rechner-Hardware einschließlich Peripherie und Terminals, andererseits die Datenübertragungseinrichtungen wie Modems und Datenübertragungswege, die Leitungen.

Auch Data General, neben Hardware auch Lieferant der Xodiac-Software, offeriert nach eigenen Angaben sämtliche Hard- und Software-Komponenten, die zur Installation eines umfangreichen Netzwerkes notwendig sind.

Ob die Lösung des Anwenders jedoch aus einer Hand bezogen werden kann, beantwortet Hans-Dieter Kurrle, Leiter der Systemunterstützung bei DG, lakonisch: "Ob ´aus einer Hand´ oder ´Mixed Hardware´ wird immer von den Erwartungen des Anwenders abhängen, die er sich über Größe und erwartete Leistungsfähigkeit oder Spezial-Peripherie macht."

Damit steht der Anwender wieder allein. Die Zeit des Sammeleinkaufs bei einem Hersteller dürfte vorbei sein, betrachtet man die unterschiedlichen Produkte am Markt. Doch über die Schnittstellen und die allgemeine Verträglichkeit, kombiniert mit einer gewissen Trägheit des Anwenders, verstehen die Großen unter den Lieferanten ihren "mündigen Einkäufer" von dem Ganzheitskonzept zu überzeugen, wenn auch über die Kompatibilität als technischen Trick. Den Kleinen dagegen bleibt gar nichts anderes übrig als die Aussage: Wir haben uns spezialisiert - den Rest findest du Kunde bei einem anderen Spezialisten.

"Verteilte Intelligenz ist Intelligenz, die sich den Bedürfnissen vor Ort anpaßt", nimmt die Hewlett-Packard GmbH, Frankfurt, zu dem Problem Stellung.

Rechner - und besonders Detenbanken - von ganz unterschiedlichen Größenordnungen müssen verbunden werden. Da wird man selten alle Hardware aus einer Hand bekommen, besonders wenn es um preisgünstige Lösungen geht, erklärt der klassische Minihersteller. Wichtiger wäre Software aus einem Guß: Da aber selbst auf Hardware vom gleichen Hersteller unterschiedliche Betriebssysteme laufen, die je nach Systemgroße historisch gewachsen sind und nicht primär für Netzwork konzipiert wurden, falle es schwer, voll kompatible Betriebssysteme zu finden. Man achte also erst auf Kompatibilität der Datenbanksysteme, dann auf möglichst kompatible Betriebssysteme und erst zuletzt auf Hardware.