Studie von COMPUTERWOCHE und Trovarit AG: ERP-Anwender haben abgestimmt

Spezialisten kommen gut weg

02.09.2004
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.
Was taugt ERP-Software in der Praxis? Diese Frage kann wohl niemand besser beantworten als diejenigen, die sie nutzen: die Anwender in den Unternehmen. 1500 von ihnen haben an der „ERP Zufriedenheitsstudie Deutschland 2004“ teilgenommen. Dabei zeigte sich vor allem eines: Die Spezialisten schneiden ingesamt besser ab als die Generalisten.

DIE „KLEINEN“ und die Branchenspezialisten liegen ganz vorn im Rennen um die Zufriedenheit der ERP-Anwender, so das Ergebnis der Studie. Das überrascht vor allem bei den Produkten, die speziell für kleinere Unternehmen gedacht sind - haben sie doch häufig mit dem Image eines „ERP für Arme“ zu kämpfen, da sie in der Regel weniger Funktionalität bieten als die „Großen“. Doch Systeme wie etwa „WinLine“, „Mitan“, „Olymp“, „Steps Business Solution“, „Hamburger Software“ oder „SQL Business“ weisen imDurchschnitt eine signifikant höhere Zufriedenheit auf als Systeme, die vorwiegend bei größeren Unternehmen eingesetzt werden (siehe Grafik „Gesamtzufriedenheit“). Sind also diese Systeme wirklich besser als SAP und Co.? Karsten Sontow, Vorstand der Trovarit AG und Leiter der Studie, meint dazu: „Offensichtlich belastet eine steigende Komplexität der Softwareanwendungen die Zufriedenheit. Dabei stellen kleinere Unternehmen offenbar geringere Ansprüche an den Leistungsumfang von ERP-Lösungen.“ Beispielsweise verzichten kleinere Industrieunternehmen mit übersichtlichen Betriebsabläufen oft auf ausgefeilte Funktionen für die Produktionsplanung und -steuerung. Ihnen reicht es, die wesentlichen Eckdaten eines Kundenauftrags mit der ERP-Lösung abzubilden und alles Weitere mit Excel abzudecken.

Das relativ gute Abschneiden der Branchenlösungen war zu erwarten. Systeme mit einem ausgeprägten Branchenfokus wie „Sivas“, „ABS“ oder dessen Schwesterprodukt „Unipps“ (alleAnlagenbau) sowie „b2 Wincarat“ (Spritzgießereien) weisen denn auch tendenziell einen deutlich höheren Zufriedenheitswert auf als horizontal ausgerichtete Systeme. Offensichtlich honorieren Anwender eine starke funktionale Ausrichtung der Standardsoftware auf ihre branchenspezifischen Unternehmensprozesse. „Vielfach sind die Lösungen bereits so weit vorkonfiguriert, dass aufwändige Anpassungen ganz entfallen“, erklärt Sontow.Die guten Noten hätten aber auch damit zu tun, dass Implementierungspartner für diese Systeme in der Regel wirklich in der Branche zu Hause sind und die Lösungen entsprechend gut abstimmen können. Diese Interpretation wird gestützt durch die separat abgefragte Zufriedenheit mit dem Partner - hier schneiden die Branchenspezialisten überdurchschnittlich gut ab.

Guter Durchschnitt

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang: Die Zufriedenheit mit den eingesetzten ERP-Systemen ist allgemein relativ hoch. Sowohl die Systeme als auch die Dienstleister erreichten eine mittlere Bewertung zwischen 4,7 und 3,3 auf einer Skala von 1 (mangelhaft) bis 5 (sehr gut). Das entspricht Schulnoten zwischen „Sehr gut mit Abstrichen“ und „Befriedigend plus“. Offenbar ist der ERP Markt besser als sein Ruf.

Die Zufriedenheit mit dem Partner und jene mit dem System hängen dabei offensichtlich sehr stark voneinander ab, wie ein Blick auf das Ergebnisportfolio zeigt. Demnach wird ein ERP-System dann gut bewertet, wenn auch die Leistung des Implementierungspartners stimmt und umgekehrt. Insofern ist auch nachvollziehbar, dass in der Regel die Bewertungen von Softwarelösungen jener Anbieter schlechter ausfallen, die in der jüngeren Vergangenheit mit wirtschaftlichen Turbulenzen oder Übernahmen zu kämpfenhatten- wie etwa Baan,BrainAS, XPPS, Ifax-Open oder infor.com. Insgesamt liegt der Durchschnitt aller bewerteten Projekte bei 4,0 (Zufriedenheit mit dem System) und 3,9 (Zufriedenheit mit demPartner) - das ist ein glattes „Gut“.

Ausruhen können sich Hersteller und Dienstleister jedoch nicht auf diesen Noten. Denn der „Gesamteindruck“ fällt in der Regel deutlich besser aus als die Zufriedenheit mit einzelnen Qualitätsaspekten.

Wie bedeutend dieser Unterschied sein kann, zeigt sich besonders bei den Systemen, die vorwiegend in größeren Unternehmen und in mehreren Branchen eingesetzt werden.Hier schneidet nachdem Gesamteindruck SAPR/3 (MySAP.com) am besten ab. Unter Berücksichtigung aller Qualitätsmerkmale hingegen liegt IFS (IV/Applications) leicht vor SAP R/3. Diesen Unterschied erklärt Reiner Martin, Professor der FHKonstanz und Aufsichtsratsvorsitzender der Unternehmenberatung MQ Result AG, aus der Methodik der Studie: „Bei der Zusammenfassung aller Qualitätsmerkmale wurde jedes Merkmal gleich gewichtet. Beim davon getrennt erfragten Gesamteindruck ist jedoch davon auszugehen, dass die Qualitätsmerkmale unterschiedlich stark in die Wertung eingehen.“