Nur noch drei Fremdanbieter der umstrittenen SDISTI-Technologie

Speicherkonkurrent wehrt sich mit Monopolklage gegen Digital

23.08.1991

MÜNCHEN (see) - Bislang recht erfolgreich in ihrem Bemühen, Drittanbieter von VAX-kompatiblen Speicherkomponenten auf dem Wege über Patentklagen auszuhebeln, muß sich die Digital Equipment Corp. jetzt selbst vor Gericht verantworten: wegen angeblicher Verletzung der Antitrust-Bestimmungen. Gleichwohl rief die VAX-Company mit der Emulex Corp. auch den letzten unbehelligten Storage-Konkurrenten in den juristischen Ring.

Die DEC-Offensive begann nach Auskunft von Theresia Wermelskirchen, Sprecherin der Digital Equipment GmbH, München, bereits im April 1989 mit einer Klage gegen die kalifornische Systems Industries

Inc. Der Hersteller soll Patente verletzt haben, die die Grundlage für die DEC-eigene Vernetzungs- und Steuerungstechnik von Platten- und Bandspeicher-Subsystemen bilden. Die betreffenden Technologien "Standard Disk Interconnect" (SDI) und "Standard Tape Interconnect" (STI) erleichtern, so Digital, die Speicherung und Abfrage von Daten in Platten- und Bandspeicher-Umgebungen.

Ende 1990 ließ sich Systems Industries auf eine außergerichtliche Regelung in Form eines sogenannten "Phase-out"-Programms ein. Die von dem Rechnerhersteller aus Maynard angeregte Einigung gestattet den Kaliforniern, die SDI/STI-Produkte (Hard- und Software) noch bis einschließlich 31. Dezember 1992 zu produzieren und zu vertreiben. Für den Gebrauch der DEC-Patente bis zu diesem Zeitpunkt werden Lizenzgebühren fällig.

Am 31. Juli 1991 lief ein offenbar eher vorläufig gemeintes Ultimatum von DEC gegenüber den Beklagten aus, dem Phase-out zuzustimmen. Kurz zuvor gaben die Aviv Corp. und Winchester Systems Inc. klein bei; am 7. August 1991 folgten laut Wermelskirchen zehn weitere, darunter die American Digital Systems, Exsys Storage Systems und Transitional Technology Inc.

Störrisch blieben allein MTI - das sich seit 18. Juni 1991 in den USA, seit dem 9. Juli durch seine Wiesbadener Deutschland-Niederlassung auch vor einem Hamburger Gericht verantworten muß - und die unverzüglich nach Ablauf des Ultimatums am 31. Juli 1991 verklagte Lago Systems. Seit dem 13. August sieht sich auch der bis dato unbehelligte Hersteller Emulex dem Vorwurf der Patentverletzung ausgesetzt.

MTI ist inzwischen in die Gegenoffensive gegangen. Im Gefolge der Phase-out-Einigung von Digital mit Aviv, Winchester, Transitional etc. verklagte das kalifornische Unternehmen den Computerbauer vor dem District Court von Los Angeles wegen Verletzung der Antitrust-Gesetze und unfairer Geschäftspraktiken. So verwende DEC in seinen Speicherprodukten nicht-standardisierte elektrische Schaltungen und weigere sich, den Wettbewerbern die notwendigen technischen Spezifikationen zur Verfügung zu stellen. Den Streitwert setzte Maxwell Blecher, als einer der renommiertesten Antitrust-Anwälte der USA von MTI mit der Wahrnehmung der Interessen beauftragt, auf 100 Millionen Dollar fest.

Mit dem Ziel der Monopolisierung des fraglichen Marktsegmentes, so die von Blecher formulierte Klageschrift, habe DEC Peripherieprodukte zu Discount- beziehungsweise Selbstkosten-Preisen verkauft oder sie sogar gratis "weggegeben". Auch die Patentklagen des Computerherstellers aus Maynard interpretiert man bei MTI als monopolistisches Gebaren und nicht etwa als Maßnahmen zum Schutz neuer Technologien.

Sollten die letzten drei unabhängigen DEC-Speicherhersteller vom Markt verschwinden, so MTl-Präsident Steven Hamerslag, müßten die Digital-Kunden darunter leiden. "Sie wissen, was mit den Preisen geschieht, wenn es keinen Wettbewerb mehr gibt", warnt er: Während Digital gegenwärtig Speicherprodukte im Discount verkaufe, könnte es dann zu einer "Verschärfung der Preisliste" kommen.

MTI ist vom Geschäft mit SDI/STI nahezu vollständig abhängig. Von den 83 Millionen Dollar Umsatz im Geschäftsjahr 1990/91 entfielen zwischen 80 und 90 Prozent auf die jetzt inkriminierten Produkte, berichtet Eugen-Gena Gach, Geschäftsführer der Micro Technology GmbH, Wiesbaden. Sich an neuen Märkten zu orientieren dürfte deshalb schwierig werden, auch wenn ein derzeit in der Entwicklung befindliches Netz-Management-Produkt in der Zukunft marktreif sein wird: Fast alle Vertriebswege gehen in Richtung der DEC-Kundschaft.

Wie Gach schildert, ist die Beziehung seiner Gesellschaft zu Digital in Deutschland keineswegs schlecht: Die Münchner böten sogar Support-Leistungen für MTI-Produkte an. DEC-Sprecherin Wermelskirchen bestätigt das, schränkt allerdings ein, die Leistungen bezögen sich lediglich auf MTI-Equipment Rahmen von Digital-Installationen. Sie dementiert dagegen Gachs Darstellung, daß die deutsche Digital-Gesellschaft selbst ein Kunden von MTI sei, also unter angeblicher Patentverletzung entwickelte Produkte im eigenen Haus in München einsetze.

Die jüngste juristische DEC-Offensive richtet sich gegen Emulex. Wie alle anderen Klagen, berichtet Wermelskirchen, sei auch diese mit dem Phase-out-Angebot verbunden und könne daher außergerichtlich beigelegt werden - Nachzahlung von Lizenzgebühren und Ausstieg aus der SDI/STI-Technologie bis Ende nächsten Jahres vorausgesetzte Emulex weist ebenso wie MTI die Klage als "unbegründet" zurück und verweigert sich dem Phase-out.