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Wirtschaftsminister im Silicon Valley

Speed-Dating mit Rösler

22.05.2013
Wer entwickelt das nächste große Internet-Ding? Wirtschaftsminister Rösler tourt durch das Silicon Valley, damit die deutsche Startup-Szene von den großen Jungs lernen kann.

Sein bestes Date in Kalifornien hat Philipp Rösler in einem "Brutkasten". So heißen die Talentschuppen im Silicon Valley, wo Firmengründer und Investoren das nächste große Milliarden-Ding für die Internetwelt suchen.

Im "Rocket Space" in San Francisco wartet Kai Diekmann. Der "Bild"-Chefredakteur und Rösler fallen sich stürmisch in die Arme. Danach gibt es Präsentationen und Gespräche mit vielversprechenden Startups im "Rocket Space", an dem der Springer-Verlag und die Telekom beteiligt sind.

Diekmann, der nach einem Jahr als digitaler Trendscout im Silicon Valley Anfang Juni zu seiner Zeitung nach Berlin zurückkehrt, twittert während des Rösler-Besuchs Fotos und Kommentare. Auch für einen kleinen Spaziergang durch die Straßen von San Francisco ist noch Zeit.

Der Kontrast könnte nicht größer sein: Rösler marschiert im Vizekanzler-Outfit mit blank geputzten schwarzen Lederschuhen mehrere Blocks den Bürgersteig entlang - daneben Diekmann mit vollem Bart, Jeans, grauem Shirt und weißen Turnschuhen ohne Schnürsenkel.

Coole Outfits sind im Valley völlig normal. Multimillionäre tragen Kapuzenpullis, man spricht sich mit Vornamen an, auch unter den Deutschen duzt jeder jeden. Rösler ist von diesem "Spirit" schwer angetan. Zum zweiten Mal binnen drei Monaten ist der 40-Jährige im Hotspot der IT-Welt. So weit wird es Berlin vielleicht nie bringen, aber einen Versuch ist es wert.

Dafür legt sich der Wirtschaftsminister schwer ins Zeug. Rösler klappert aufmerksam und gut gelaunt Weltkonzerne wie Apple, Google und Facebook ab, bringt die mitgereisten über 100 deutschen IT-Firmengründer mit Topmanagern und US-Investoren zusammen.

Worum geht es dabei? "Kohle", sagt Stephanie Renda. Die Chefin des Startups match2blue will acht bis zwölf Millionen Dollar einsammeln, um ihre in Deutschland erfolgreiche Dienstleistungs-App in den USA zu vermarkten. Renda und ihre Mitstreiter haben beim Speed-Dating vor Investoren jeweils nur vier Minuten, um diese zu überzeugen, nicht vor der Haustür im Valley, sondern im fernen Berlin Geld auszugeben.

Die Finanzierung ist seit Jahren ein großes Problem. Während deutsche Banken bei kleinem Wagniskapital schon nervös zucken, werden in den USA heiße Startups mit Millionen überschüttet. Danach gehen viele an die Börse oder werden von den Großen - wie jetzt Tumblr von Yahoo - für Unsummen geschluckt, selbst wenn sie kommerziell nur begrenzt Erfolg hatten.

Deutschen Startups haftet in den Staaten auch ein bisschen der Generalverdacht an, nicht besonders kreativ zu sein, sondern gute Ideen zu kopieren. Dies wird insbesondere mit den Samwer-Brüdern (Zalando) verbunden, die tatsächlich viele amerikanische Startups erfolgreich geklont haben. In der US-Startup-Szene machen sich manche Blogger über den Berlin-Hype lustig.

Einige der Jungmanager, die Rösler im Schlepptau hat, sind schon außer Rand und Band, nur weil sie auf der Google-Treppe stehen oder bunte Google-Fahrräder anfassen dürfen. Das gefällt der Google-Aufpasserin. Nervös wird sie, als Journalisten einen vermeintlichen Programmierer mit oranger Nerd-Brille interviewen wollen. "Was für Fragen haben die ihnen gestellt?", herrscht sie den jungen Mann an. Als sie hört, dass er nur ein Tourist, ein "Allerweltsbürger" ist, knipst sie ihr Lächeln wieder an: "Oh, you're Joe Public."

Deutlich strenger geht es bei Facebook zu. Dort werden die Besucher unter Aufsicht mehrerer Sicherheitsleute durch belanglose Flure und die leere Kantine eines Konzerns geführt, der von seinen Kunden vieles weiß und für gezielte Werbung verwerten will. Selbst Diplomaten und Beamte des Wirtschaftsministeriums dürfen sich nicht frei bewegen. Sie protestieren. Zeitweise darf die Gruppe einen Glaskasten nicht verlassen. Rösler, der von einem Date mit Topmanagerin Sheryl Sandberg kommt, wird informiert. Bevor die Limousine abfährt, stellt sich der Vizekanzler der größten europäischen Wirtschaftsnation noch fröhlich vor den gigantischen "Gefällt-mir"-Daumen von Facebook. (dpa/tc)