Zentrale Organisation für alle Markengruppen?

Sparpolitik zwingt VW zum IT-Umbau

23.04.2004
MÜNCHEN (wh) - Der Volkswagen-Konzern baut seinen IT-Bereich grundlegend um. Die weit verteilte Infrastruktur soll konsolidiert, IT-Kompetenzen der Markengruppen sollen gebündelt werden. Um die harten Sparvorgaben von Vorstandschef Bernd Pischetsrieder einzuhalten, stellt CIO Dieter Schacher sämtliche Prozesse auf den Prüfstand.

Überlegungen zur Neuordnung des IT-Bereichs gibt es in Wolfsburg schon länger. Doch mit dem von Pischetsrieder im März angekündigten Sparprogramm "ForMotion" ist der Veränderungsdruck noch einmal gestiegen: Bis Ende 2005 will der gebürtige Bayer rund zwei Milliarden Euro zusätzlich sparen. Schon das zuvor geplante Kostensenkungsziel lag in dieser Größenordnung. Der Konzernchef reagierte mit der neuen Vorgabe auf einen massiven Gewinneinbruch im Geschäftsjahr 2003.

Für den IT-Bereich mit rund 6000 Beschäftigten ergeben sich daraus weitreichende Konsequenzen. CIO Dieter Schacher, der ein Budget von 1,3 Milliarden Euro verantwortet, muss die über viele Regionen verteilte IT-Infrastruktur konsolidieren. So soll allein die Reduzierung der Rechenzentren von 30 auf sieben Standorte rund 50 Millionen Euro einsparen. Ganz oben auf der Agenda steht auch eine Straffung der internen Abläufe. "Alle Geschäftsprozesse werden derzeit geprüft", ist aus der Konzernzentrale zu hören.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Frage, wie die IT-Kompetenzen der zwei Markengruppen Volkswagen und Audi künftig geregelt werden. Zur Ersteren zählen neben Volkswagen-PKW noch Skoda, Bentley und Bugatti. Unter dem Audi-Dach agieren Seat und Lamborghini. Beide Gruppen operieren selbständig am Markt und unterhalten jeweils separate IT-Organisationen. In diesem Kontext erwarte man "erhebliche Synergien", bestätigt Unternehmenssprecher Thomas Mickeleit. Ziel ist es unter anderem, die IT-Strukturen innerhalb der Markengruppen zu synchronisieren, eine Aufgabe, die sich Audi-CIO Klaus Mühleck schon seit längerem auf die Fahne geschrieben hat.

Welche konkreten organisatorischen Auswirkungen die geplante Bündelung von IT-Kompetenzen haben wird, ist indes längst nicht ausgemacht. Zunächst müsse geklärt werden, wer für welche Felder die Kompetenzführerschaft erhält, berichtet ein Mitarbeiter. Dabei gelte es, "Parallelitäten abzubauen". Zwar existiert für übergreifende IT- und Prozessthemen bereits eine Art Steering-Komitee, in dem unter anderem Konzern- und Markenvorstände sitzen. Doch die jüngsten Überlegungen gehen weit darüber hinaus.

Virtuelle IT-Gesellschaft

Laut internen Quellen erwägt das Management, "im Wege einer virtuellen Gesellschaft im Konzern die Prozesse neu zu ordnen". Derzeit werde geprüft, welche Funktionsmerkmale eine solche Einheit aufweisen müsste. Mickeleit bestätigt diese Informationen nicht. Im Zusammenhang mit ForMotion sei vieles noch nicht in einem entscheidungsreifen Zustand.

Als im Dezember 2003 angebliche Pläne zur IT-Auslagerung publik wurden, demonstrierten einige hundert Mitarbeiter im Wolfsburger VW-Werk mit Trillerpfeifen und Transparenten wie "Hände weg von IT". Im Gespräch war unter anderem eine Verlagerung der kompletten IT in ein eigenständiges Unternehmen oder ein Zusammengehen mit der IT-Tochter Gedas. "Klassisches IT-Outsourcing an einen Dritten stand aber nie ernsthaft zur Debatte", so Mickeleit.

Fest steht jedenfalls die Vorgabe Pischetsrieders, die Gemeinkosten noch im laufenden Jahr um 20 Prozent zu senken. Das bedeute jedoch nicht, dass das IT-Budget um diesen Prozentsatz gekürzt wird, erläutert Mickeleit. Die meisten IT-Kosten entständen im Rahmen von Projekten und würden deshalb von dem Einsparungsziel nicht erfasst.

Für die rund 1500 IT-Mitarbeiter in Wolfsburg dürfte das ein schwacher Trost sein. Denn der Konzernchef kündigte auch an, weltweit 5000 von 337000 Arbeitsplätzen zu streichen. In Deutschland sollen demnach 2500 Jobs "im indirekten Bereich", sprich außerhalb der Produktion, wegfallen. Wie stark die IT-Sparte betroffen ist, sei noch nicht heruntergebrochen, heißt es offiziell. Klar sei aber, dass die Zusammenlegung der Rechenzentren auch einen Personaleffekt bringe.

Konsequenzen hat der Sparkurs auch für die externen Dienstleister des Volkswagen-Konzerns. Wie viele andere Unternehmen haben auch die Niedersachsen in guten Zeiten Aufgaben aus Kapazitätsgründen ausgelagert. Damit soll nun Schluss sein. Generelle Strategie ist es laut Mickeleit, "viele Dinge wieder inzusourcen". Dies gelte besonders für Bereiche, die als geschäftskritisch angesehen würden. Gegebenenfalls müsse man Kompetenzen aufbauen, wie dies etwa in der Fahrzeugelektronik geschehen sei.

Welche Rolle die IT-Tochter Gedas in diesem Szenario spielen soll, scheint ebenfalls noch ungeklärt. Nach zwei Verlustjahren erwirtschaftete der IT-Dienstleister im Jahr 2003 zwar wieder ein positives Ergebnis. Doch ob sich das von Vorstandschef Axel Knobe anvisierte "verhaltene Wachstum" im laufenden Jahr tatsächlich einstellt, hängt wesentlich von der Konzernmutter ab, die noch immer 72 Prozent des Umsatzes beisteuert.

Welche Rolle spielt Gedas?

"Wenn Gedas von den Änderungen betroffen wird, dann positiv", formuliert Mickeleit. Dass sich VW im Rahmen der Sparbemühungen von der Gesellschaft trennen könnte, halten Branchenexperten dennoch nicht für ausgeschlossen. "Das hängt davon ab, ob VW wie seinerzeit Daimler-Chrysler beim Verkauf von Debis Geld braucht", kommentierte etwa Christophe Chalons, Geschäftsführer der Beratungsfirma PAC, schon vor der Ankündigung des ForMotion-Programms. In Wolfsburg dementiert man derartige Überlegungen. Mickeleit: "Mir ist nicht bekannt, dass das jemals ein Thema war."