Fusionierter Dienstleister hofft auf Synergieeffekte

Sparkassen bündeln ihre IT-Ressourcen

18.04.2003
MÜNCHEN (wh) - Der Kostendruck in der Finanzbranche zwingt die Sparkassen zum Umdenken. Vier bisher getrennt agierende IT-Organisationen verschmelzen zum Dienstleistungsriesen Finanz IT. Um die erhofften Synergien zu heben, muss das Management Konsolidierungsprojekte auf allen Ebenen bewältigen.

"Mit 700 Millionen Euro Umsatz und rund 2500 Mitarbeitern ist die Finanz IT einer der größten IT-Dienstleister in Deutschland", sagt Thomas Noth, Vorsitzender der Geschäftsführung. Entstanden ist das Unternehmen aus der Fusion von vier bis dato unabhängigen Firmen im Norden, Osten und äußersten Südwesten der Sparkassenorganisation (siehe Kasten "Eckdaten Finanz IT" auf Seite 4).

Als Full-Service-Provider für die IT im Retail-Banking bedient der Anbieter sowohl Sparkassen als auch Landesbanken. Derzeit decke man rund 20 Prozent des deutschen Retail-Banking-Marktes ab, rührt Noth die Werbetrommel. Den Angaben zufolge nutzen rund 200 Sparkassen und Banken in zehn Bundesländern Software der Finanz IT.

Seine Kunden will der Dienstleistungsriese künftig aus einer Hand versorgen. Damit verbunden seien schnellere Entscheidungen sowie kürzere Planungs- und Realisierungsprozesse in Sachen IT, beispielsweise reduzierte Rollout-Zeiten. Zu den vorrangigen Zielen der Finanz IT gehöre es, Geschäftsprozesse der zusammengeführten Unternehmen zu vereinheitlichen und das Produktportfolio zu harmonisieren.

Schon während der auf fünf Jahre angesetzten Migrationsphase erhofft sich das Management Synergien in zweistelliger Millionenhöhe. Danach geht man von einem weiteren "Nettosynergiepotenzial" in hoher zweistelliger Millionenhöhe aus. Dass sich diese Effekte kaum ohne Stellenabbau realisieren lassen, ist in der Branche ein offenes Geheimnis. Die in diesem Zusammenhang kolportierte Zahl von 30 Prozent stimme aber nicht, sagt Noth. Das anvisierte Synergiepotenzial lasse sich nicht eins zu eins in einen Stellenabbau übersetzen. Vielmehr gehe man davon aus, künftig noch mehr Aufgaben der Sparkassen zu übernehmen.

Darüber hinaus würden bislang von externen Anbietern erledigte Aufgaben zum Teil wieder intern abgewickelt. Mit diesen Maßnahmen hoffe man, die meisten Arbeitsplätze, die nicht durch natürliche Fluktuation oder Vorruhestandsregelungen frei werden, zu erhalten. Grundsätzlich würden Stellen sozialverträglich abgebaut.

Um die erhofften Synergien heben zu können, muss Noth Konsolidierungsprojekte auf allen Ebenen anstoßen. Im ersten Schritt geht es um die Konzentration der Produktionsstandorte, sprich Rechenzentren: Vier Standorte werden in zwei Mainframe-Rechenzentren in Hannover und Leipzig konsolidiert. RZs der BB Data und der ehemaligen IT-Organisation dvs in Berlin wurden geschlossen, Daten und Anwendungen in die RZs Hannover und Leipzig transferiert. Ähnliches ist bis Ende 2003 für den Standort Saarbrücken geplant.

RZ-Konsolidierung

Die Banker sprechen in diesem Zusammenhang gerne von Harmonisierungsprojekten, obwohl den Betroffenen klar sein dürfte, dass damit im RZ-Betrieb etliche Stellen wegfallen. Redundanzen sieht das Management auch in den Servicebereichen. Ziel sei es, sämtliche Schnittstellen zu den Anwendern in den Sparkassen zu konzentrieren, erläutert Noth, inklusive First- und Second-Level-Support. In diesem Zusammenhang werden mehrere Call-Center zusammengelegt.

Neben den technischen Abteilungen fasst die Firmenspitze Verwaltungsstrukturen der vormals eigenständigen Unternehmen zusammen. Auch das geht nicht ohne Personalmaßnahmen ab. So ist etwa Hans-Heinrich Brendecke (59), bisher Geschäftsführer der Finanz IT Netzbetriebsgesellschaft mbH, zum 1. April ausgeschieden. Rainer Hoese (59), ehemaliger Geschäftsführer des eingegliederten Saarbrückener Dienstleisters SIK, verlässt das Unternehmen zum 30. Juni 2003. Dass die interne Umorganisation dauert, liege auch an den unterschiedlichen Kulturen der beteiligten Unternehmen, berichtet ein Insider: "Herr Noth hat sich da viel Arbeit aufgeladen."

Die diversen Konsolidierungsprojekte gehen einher mit einer umfassenden Modernisierung der IT-Infrastruktur. Vor allem in den neuen Bundesländern stehen häufig noch Nixdorf- und IBM-Midrange-Systeme aus den 80er Jahren. Diese werden zum Teil nicht mehr gewartet und verursachen hohe Betriebskosten. Weit verbreitet ist zudem noch das Betriebssystem OS/2. In den Sparkassenfilialen arbeiten Tausende Anwendungen unter dem IBM-System, berichten Mitarbeiter. Diese Applikationen müssen im Zuge des Fusionsprozesses portiert werden.

Im Endausbau soll eine Drei-Schichten-Architektur stehen, mit IBMs z/OS im Rechenzentrum, Solaris auf Sun oder Fujitsu-Siemens-Maschinen für mittelgroße Server und Windows-XP-Clients als Frontend. Im Verbund der Sparkassen und Landesbanken geht es dabei um rund 90 000 Anwender.

Vor der Verschmelzung zur Finanz IT kam es offenbar zu Verzögerungen und internen Machtkämpfen. "Die in Teilen heterogenen Interessen der Gesellschafter zu koordinieren war nicht immer einfach", räumt Noth ein. Die Finanz IT habe ein schlüssiges Konzept vorgelegt, das die Gesellschafter insgesamt überzeugt habe. Allerdings sei der ökonomische Druck mittlerweile sehr groß.

Inwieweit sich dieser Druck durch eine Ausweitung der Geschäfte lindern lässt, muss sich zeigen. Laut Noth bietet die Finanz IT ihre Dienste zum Teil schon heute auch externen Unternehmen an. Nach Abschluss der Konsolidierung sei man für weitere Kunden auch aus anderen Sektoren und Branchen offen.

Eckdaten Finanz IT

Die Finanz IT GmbH mit Sitz in Hannover ist entstanden aus der ehemaligen dvg Hannover, der dvs Berlin und Leipzig, der Netzbetriebsgesellschaft nbg Berlin und Hannover sowie dem IT-Dienstleister der S-Finanzgruppe Saar, der ehemaligen SIK mit Sitz in Saarbrücken. Nach einer Konzernbildung unter dem Dach der dvg im Jahr 2002 meldete das Unternehmen die rechtliche Verschmelzung der vier Finanz-IT-Firmen mit Wirkung zum 1. Januar 2003.

Vorsitzender der Geschäftsführung ist der ehemalige dvg-Manager Thomas Noth. Zum Portfolio zählen neben der Rechenzentrumsproduktion auch Anwendungsbereitstellung und dezentrale Services.