Sparkasse verbessert Kundenservice

12.11.2004
Sparkassen stehen im Allgemeinen nicht gerade im Ruf, besonders innovativ zu sein. Das Beispiel der Zweigstelle Bad Tölz-Wolfratshausen tritt diesem Vorurteil entgegen: Die Banker ersetzten ihrekonventionelle TK-Anlage durch ein IP-basierendes System, das neue Funktionen ermöglicht und zudem preisgünstiger ist. Dafür kürte sie die Jury zum diesjährigen "Anwender des Jahres".

Das Handy klingelt. Es ist aber kein gewöhnlicher Anruf aus dem Mobilfunknetz, der Anton Geraci, Abteilungsleiter EDV-Organisation bei der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen, erreicht. Der Anrufer ist ein Kollege, den die neue, IP-basierende TK-Anlage des Finanzinstituts auf Geracis Gerät umgeleitet hat, nachdem dieser nicht an seinem Arbeitsplatz den Hörer abgehoben hat. Die Mitarbeiter des Finanzinstituts sind jetzt besser erreichbar, ohne dass sie ihre Kollegen vorab über ihre Abwesenheit informieren müssen oder zusätzliche Geräte benötigen.

Dass die Telekommunikation der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen auf IP-Basis stattfindet, ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass das Geldhaus die Möglichkeit erhielt, seine Zentrale in ein neues Gebäude, das Sparkassen-Center, zu verlegen. Das in Frage kommende Objekt sollte hierfür entkernt, von Grund auf saniert und mit einer modernen IT-Infrastruktur ausgerüstet werden. Angesichts dieser Ausgangslage kam das Finanzinstitut, das zu diesem Zeitpunkt "das Thema Voice over IP schon länger verfolgt hatte", auf die Idee, die Gelegenheit zu nutzen und die traditionellen TK-Komponenten durch neue, konvergente Technik zu ersetzen: Auf Basis des Internet Protocol wollte die Sparkasse eine zukunftssichere Lösung schaffen, die Daten und Sprache über die gleiche Infrastruktur transportiert, um so die Betriebskosten senken, zudem aber auch neue Dienstleistungen anbieten zu können.

Weg mit alten Zöpfen

Bis zu diesem Zeitpunkt bestand die TK-Welt der Banker in ihrem Kern aus zwei Hicom-300-Anlagen, die sich in den durch eine Fusion im Jahr 1999 miteinander verbundenen Sparkassenstandorten Bad Tölz und Wolfratshausen befanden. Das durch die Verschmelzung der Finanzinstitute notwendige Zusammenschalten dieser Systeme hatte schon einige Mühen und Kosten bedeutet: Unterschiedliche Softwarestände und Schnittstellen galt es zu harmonisieren, außerdem musste eine eigene, 30 Kilometer lange Datenleitung mit einer Bandbreite von 2 Mbit/s angemietet werden, die allein schon etwa 1200 Euro pro Monat kostete.

Angesichts des Umzugs suchte die Sparkasse nun nach einer Lösung, die es ermöglichte, die alten Anlagen auszumustern, außerdem gehörte es zu den erklärten Zielen, den Filialverbund nach außen einheitlicher erscheinen zu lassen und die ohnehin zwischen den insgesamt neun Filialen des Sparkassennetzes vorhandenen Datenleitungen auch für Telefonate zu nutzen.

Hohe Anforderungen

In Zusammenarbeit mit dem Fachplanungsbüro Tecoplan Telecommunications-Consult- und Planungs-GmbH sowie dem Sparkassen-IT-Dienstleister Informatik-Zentrum Bayern (IZB) erfolgte dann die Aussschreibung für das Projekt. Das IZB musste schon deswegen mit ins Boot, weil es die in das Konzept einzubeziehenden Datenleitungen zwischen den einzelnen Filialen bereitstellt. Wichtige Aspekte im Rahmen der Ausschreibung waren neben dem Aufbau der VoIP-Infrastruktur die Integration des zentralen Call-Centers in Bad Tölz, die Implementierung eines Voice-Portals, über das Kunden auch außerhalb der Geschäftszeiten verloren gegangene Sparkassen- und Kreditkarten sperren lassen können, sowie die Möglichkeit, Gespräche im Zusammenhang mit dem Wertpapierhandel beweissicher aufzeichnen, dokumentieren und archivieren zu können.

Alle bekannten VoIP-Hersteller reichten ihre Angebote ein, überzeugen konnte schließlich das Lösungskonzept des Anbieters Tenovis. Unter anderem war es der Aspekt Benutzerfreundlichkeit, der den Ausschlag für den Hersteller gab. Ein namhafter Anbieter hingegen fiel aus einem ganz banalen Grund durch: Den Sparkassenmitarbeitern sagten die Telefone nicht zu.

Bei den Vorbereitungen für den Wechsel auf das neue System übernahm Markus Haiduk als Projektleiter VoIP von der EDV-Organisation neben anderen Aufgaben auch die Schnittstellenfunktion zwischen den internen Mitarbeitern, Tecoplan, IZB und Tenovis. Er redete mit den Abteilungen, fragte sie nach den für sie wichtigen Dienstemerkmalen der Telefonanlage und leitete die gesammelten Erkenntnisse weiter. Der zuständige Fachvorstand Reinhard Bredtmann begleitete das Vorhaben und nahm an Präsentationen und Verhandlungen teil.

Das neue Gebäude ist mit Cat-7-Kupferkabeln vernetzt, die einzelnen Arbeitsplätze sind über Ethernet mit 100 Mbit/s angebunden. Das Herzstück der neuen VoIP-Anlage bilden sieben redundant installierte IP-TK-Server "Integral 55" von Tenovis. Fünf davon sind im Rechenzentrum der Zentrale geclustert, zwei sind räumlich getrennt von dem Verbund aufgestellt. Die Arbeitsplätze der Mitarbeiter wurden mit speziellen IP-Telefonen ausgestattet.

Aus wartungstechnischen Gründen schalteten die Experten die einzelnen PCs und IP-Telefone am Arbeitsplatz nicht zusammen, sondern gaben ihnen jeweils einen eigenen Anschluss zum LAN. Die Geräte benötigen keine eigene Stromleitung, sondern werden via Power-over-LAN mit Energie versorgt. Damit die Mitarbeiter auch bei einem möglichen Stromausfall noch telefonieren können, sorgt eine USV-Anlage im Keller der Zentrale dafür, dass im Notfall sämtliche Systeme mit Strom versorgt werden.

Dass diese Vorsichtsmaßnahme nicht überflüssig ist, machte ein Vorfall deutlich, bei dem in Folge von Bauarbeiten ein Hochspannungsmast umkippte. Das hatte zur Folge, dass die gesamte Region über Stunden ohne Strom war. Dank der unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) der Sparkasse blieben die Mitarbeiter auch während dieser Zeit telefonisch erreichbar.

Mobil erreichbar mit IP

Um die mobile Erreichbarkeit der Mitarbeiter zu gewährleisten, ohne zusätzlich Dect-basierende Systeme einbinden zu müssen, installierten die IT-Spezialisten einen "Mobility Manager" von Tenovis. Wie eingangs geschildert, kann dieser VoIP-Telefonate, die der Mitarbeiter nicht an seinem Arbeitsplatz entgegennehmen kann, auf dessen GSM-Handy umleiten. Über handelsübliche Mobiltelefone stehen den Mitarbeitern dabei wie bei einer normalen Nebenstelle die wichtigsten Leistungsmerkmale der IP-Anlage wie Rückfrage, Konferenz oder Makeln zur Verfügung.

Zu den laut Geraci "immensen Vorbereitungen" gehörte überdies, die Router so zu konfigurieren, dass für Telefonate zwischen den Standorten im Bedarfsfall eine Bandbreite von 1 Mbit/s zur Verfügung steht. Ebenfalls sehr aufwändig war Haiduk zufolge das Portieren des Rufnummernverzeichnisses: Diese Arbeit war unter anderem deswegen kompliziert, weil Rufnummern teilweise über VoIP, teilweise aber auch über ISDN geroutet werden mussten.

Call-Center im Verbund

Schließlich wurden neben den VoIP-Anlagen auch alle anderen Telefonanlagen sämtlicher Geschäftsstellen der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen so konfiguriert, dass von außen eingehende Telefonate bei Nichterreichbarkeit des gewünschten Gesprächspartners innerhalb kurzer Zeit automatisch zum zentralen, von 8 bis 20 Uhr besetzten Call-Center umgeleitet werden. "Für unsere Kunden hat dies den großen Vorteil, dass sie während dieser Zeit immer einen persönlichen Ansprechpartner erreichen, der ihre Anfrage entgegennimmt", freut sich Haiduk.

Zum Abschluss wurde die gesamte Lösung im Auftrag des IZB von dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG unter die Lupe genommen und zertifiziert. Das musste geschehen, um sicherzustellen, dass die speziellen Sicherheitsanforderungen an Finanzdienstleister erfüllt werden.

Dann kam der Tag, an dem die Telekom-Leitungen auf das neue System umgeschaltet wurden. Geraci erinnert sich: "Wir konnten ja vorher nicht üben", entsprechend groß war die Spannung. Der Wechsel funktionierte jedoch, nur die Sprachqualität war zu Anfang "noch nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten". Schuld war unter anderem eine defekte Baugruppe in einem Router. Nachdem Tenovis ein Software-Update eingespielt und die Experten zudem "an vielen kleinen Schrauben gedreht" hatten, war jedoch auch dieses Problem aus der Welt.

Insgesamt dauerte das Projekt, an dem 22 Personen beteiligt waren, von September 2003 bis Mai 2004. Rund 600000 Euro wurden dabei in Hard- und Software investiert. Das vorher festgelegte Budget wurde damit nicht überschritten. Geraci zufolge wäre es auch möglich gewesen, mit herkömmlichen TK-Lösungen zum Ziel zu kommen, doch hätte dies einen "erheblichen Mehraufwand" bedeutet und ebenfalls enorme Summen verschlungen.

Jetzt freut sich die Sparkasse über Einsparungen besonders im laufenden Betrieb: Neben dem Wegfall der zusätzlichen Datenleitung zwischen Bad Tölz und Wolfratshausen konnten zusätzlich die TK-Kosten an den Standorten durch das Routen der internen Gespräche über das VoIP-System um jeweils 25 Prozent gesenkt werden. Insgesamt sollen sich die Betriebskosten gegenüber der alten Technik durch die Sprach-Daten-Integration um etwa 70 Prozent jährlich reduzieren. Das ist laut Haiduk unter anderem auf die einfachere Administration der Anlage zurückzuführen: So müssen die Spezialisten bei internen Umzügen der Mitarbeiter deren Telefonanschlüsse nicht aufwändig umkonfigurieren. Stattdessen meldet sich das IP-Telefon nach dem Wiederanschließen an das lokale Netz automatisch beim IP-TK-Server an, der Mitarbeiter kann sofort telefonieren wie gewohnt.