Commerzbank untersucht Wachstumsprozeß der Automatisierung:

Soziale Aspekte nicht unter den Tisch kehren

25.11.1983

MÜNCHEN (cw) - Die Entwicklung der Industrieroboter hat im letzten Jahrzehnt einen Technologieschub erfahren wie kaum ein anderer Zweig des Maschinenbaus. Ein Branchenbericht der Commerzbank beschäftigt sich mit diesem Prozeß und untersucht ferner die beschäftigungspolitischen Aspekte der Automatisierung im Fertigungsbereich.

Während bei Punktschweiß- und Lackierrobotern die Nachfrage schon ihren Höhepunkt überschritten zu haben scheint, sehen die Fachleute der Commerzbank für Automatisierungshilfen in der Montagelinie sowie im Lager- und Transportwesen auch mittelfristig ein großes Wachstumspotential. Hier könnten Roboter mittlerweile auch zunehmend als Teile von flexiblen Fertigungssystemen eingesetzt werden.

Nach Anwendungsart gegliedert, stellten in der deutschen Industrie jedoch Roboter zum Schweißen und zum Aufsprühen von Lacken immer noch die mit Abstand größten Gruppen dar, dagegen sei der Anteil der Montageroboter noch relativ klein.

Es handelt sich hierbei nach Definition des Branchenberichts um mit Sensoren ausgestattete "intelligente" Roboter der zweiten Generation, die verschiedene aufeinander folgende "Handgriffe" ausführen können. In Westeuropa dürfte ihr Anteil bei sechs bis acht Prozent liegen, für die Bundesrepublik schätzen ihn Experten auf nicht ganz fünf Prozent, während er in den USA bereits 20 und in Japan schon 40 Prozent aller eingesetzten Industrieroboter ausmachen soll.

Beschäftigungspolitische Probleme

Diese immer weitergreifende Technisierung, so die Commerzbank, bringt beschäftigungspolitische Probleme mit sich: Je Roboter rechnen Fachleute mit zwei bis vier freigesetzten Arbeitskräften. Diese für die Automobilindustrie ermittelten Werte setzten voraus, daß ein Roboter zumindest im Zwei-Schicht-Betrieb lauft. Zusätzlich werde jedoch für zwei bis drei Automaten ein Mitarbeiter zur Bedienung, Beaufsichtigung und Wartung der Maschine benötigt. Damit reduziere sich die Freisetzung auf 1,6 bis 2,4 Kräfte. Bei genauerer Betrachtung erweise sich diese Problematik jedoch als wesentlich vielschichtiger und ergibt dem Branchenbericht zufolge für die inzwischen erreichte Roboterdichte und die bereits erkennbaren Perspektiven durchaus unterschiedliche Beurteilungen.

Neue Dimension der Freisetzungsproblematik

Von den in der Bundesrepublik eingesetzten 3500 Industrierobotern haben nach Angaben der Commerzbank etwa 90 Prozent spezielle Aufgaben im Fertigungsprozeß. Dabei handle es sich meist um Tätigkeiten deren Wegfallen man als Beitrag zur Humanisierung der Arbeitswelt verstehen könne. Mit dem sich abzeichnenden Vordringen der "intelligenten" Roboter am Montageband wachse die Beschäftigungs- und Freisetzungsproblematik allerdings in eine neue Dimension. Die bislang für die Bundesrepublik vorliegenden Quantifizierungen bezüglich dieser Frage zielten bei relativ geringer Streuung in die gleiche Richtung. Als hierbei besonders wichtige Punkte hebt der Branchenbericht hervor:

- Die "Roboterisierung" der Fertigung ist kein Selbstzweck, sondern nur Mittel zur Steigerung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Sie ersetzt zwar eine beträchtliche Zahl von Arbeitsplätzen, sichert aber gleichzeitig weitaus mehr Arbeitsplätze, die ohne Robotereinsatz akut gefährdet wären.

- Die Alternative zum Robotereinsatz wäre ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und ein erhöhtes Beschäftigungsrisiko für ganze Unternehmen und Branchen.

- Neue Arbeitsplätze können bei den Herstellern vor Robotern geschaffen werden, wenngleich deren Zahl mit 15000 bis 20000 nur einen unzureichenden Ausgleich für die zu erwartenden Arbeitsplatzverluste bietet. Dabei sind allerdings die positiven Beschäftigungseffekte auf Zulieferbranchen (insbesondere in der Regel- und Steuerungselektronik) noch nicht berücksichtigt.

- Für die Bundesrepublik als ein führendes Exportland speziell für know-how-intensive Investitionsguter wäre es höchst gefährlich, den Anschluß an die modernste Fertigungstechnologie zu verlieren. Exporterfolge lassen sich kaum ohne Abstützung durch das Inland erzielen.

- Mittel- bis längerfristig könnte durch die Automatisierung der Standort Bundesrepublik aufgewertet werden: Die Verlagerung von Produktionsstätten in Niedriglohnländer wird sich verlangsamen. In Einzelfällen könnte sie sich sogar umkehren, wenn in einer zunehmend automatisierten Fertigung das Gewicht der Lohnkosten abnimmt und damit der Standortvorteil von Schwellen und Entwicklungsländern an Attraktivität verliert. Die bessere Infrastruktur sowie das höher qualifizierte Personal in den traditionellen Standorten schlagen dann stärker zu Buche.