Sourcing-Management zahlt sich aus

07.09.2005
Von Berthold Wesseler
Auch wer nur Teile seiner IT auslagert, sollte immer wissen, was er braucht und bekommt.
Um Sourcing-Managment erfolgreich zu betreiben, muss der Anwender seine Anforderungen kennen, den passenden Provider finden und mit diesem einen flexiblen Vertrag aushandeln.
Um Sourcing-Managment erfolgreich zu betreiben, muss der Anwender seine Anforderungen kennen, den passenden Provider finden und mit diesem einen flexiblen Vertrag aushandeln.

Trotz vieler gescheiterter Projekte hält der Outsourcing-Boom an. Wie eine Umfrage des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter 4400 deutschen Firmen des verarbeitenden Gewerbes zeigt, haben bereits 87 Prozent dieser Unternehmen IT-Dienstleistungen wie Systembetreuung, Wartung, Softwareprogrammierung oder Anwenderunterstützung an einen externen Anbieter vergeben.

Hier lesen Sie …

• welche Gründe für die Zusammenarbeit mit mehreren Outsourcing-Partnern sprechen;

• warum das selektive Auslagern nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken birgt;

• und wie sich diese Risiken durch ein effizientes Sourcing-Management verringern lassen.

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154573: Vorteile des Provider-Managements;

155616: Sourcing-Management bei TLG;

*72072: Umfrage des ZEW.

Selektives Outsourcing im Trend

Die Regel ist dabei allerdings selten das Auslagern des gesamten IT-Betriebs, sondern der gezielte Einkauf ausgewählter IT-Services, was je nach Projektvolumen auch als Outtasking oder selektives Outsourcing bezeichnet wird. Nach Ansicht der Marktforscher von AMR Research bietet diese Vorgehensweise Vorteile für beide Seiten. So versprechen kürzere Vertragslaufzeiten wegen der normal- erweise geringen Anfangsinvestitionen eine bessere Marge für den Outsourcing-Anbieter. Der Anwender wiederum sieht schneller greifbare Erfolge; es kommt selten zu Frustrationen, wie sie in der Anfangsphase langwieriger Outsourcing-Projekte typisch sind.

Zudem eröffnet das selektive Outsourcing dem Kunden größere Wahlmöglichkeiten, da er in der Regel verschiedene Anbieter in die Ausschreibung einbezieht - darunter auch lokale Player, Branchenspezialisten oder Offshore-Dienstleister. Dadurch kann er mehr vom Wettbewerb profitieren - etwa in Form von günstigeren Preisen und/oder besserem Service. Und schließlich sind die Risiken bei weniger umfangreichen Deals für beide Parteien geringer. Kündigt der Kunde die Zusammenarbeit vorzeitig auf - etwa weil er mit den Leistungen des Providers nicht zufrieden ist, weil ein neuer CIO sein Amt antritt oder weil der Dienstleister Insolvenz anmeldet: Die Rückabwicklung eines weniger hoch dotierten Vertrags ist in jedem Fall einfacher.

Die Vorteile des selektiven Auslagerns haben inzwischen die meisten Firmen erkannt. Auf einer Veranstaltung von Infosys erklärten 84 Prozent der Teilnehmer, dass sie nicht nur mit diesem Outsourcing-Anbieter, sondern auch mit anderen Providern Verträge abgeschlossen hätten. Selbst mittelständische Firmen arbeiten einer Befragung von SAP-Kunden zufolge beim Support ihrer ERP-Systeme am liebsten mit zwei oder drei Partnern zusammen.

Multi-Sourcing birgt auch Risiken

Ein Beispiel für den Trend zum selektiven Outsourcing ist der Automobilhersteller Renault, der im März dieses Jahres gleich drei umfangreiche Auslagerungsverträge ankündigte: Atos Origin ist für die Verwaltung von rund 2000 Anwendungen des Konzerns zuständig. Das Vertragsvolumen liegt bei 300 Millionen Euro. Das Management der IT-Infrastruktur-Services im Wert von 176 Millionen Euro hat CSC übernommen. Und Hewlett-Packard (HP) soll für 112 Millionen Euro den reibungslosen Betrieb von 87000 Desktop-PCs sicherstellen.

Allerdings birgt die Multi-Sourcing-Strategie auch Risiken, warnt der Heidelberger Unternehmensberater Jürgen Beust: "Das Auslagern der IT erzeugt zusätzliche Schnittstellen. Und mit jeder Schnittstelle erhöhen sich die Transaktionskosten durch den organisatorischen Mehraufwand - etwa im Service-Level- oder Change-Management sowie am Helpdesk." Um diesen Mehraufwand bewältigen zu können, sind Kenntnisse im Beschaffungs-, Vertrags- und Multi-Service-Provider-Management unabdingbar.

Besser noch - und ab einer bestimmten Unternehmensgröße unerlässlich - ist nach Ansicht von Experten ein fundiertes IT-Sourcing-Management. Gemeint ist, dass der Anwender alle In-, Out- sowie Resourcing-Aktivitäten steuert und kontrolliert und auf Basis dessen entscheidet, welche Aufgaben er in welchem Zeitrahmen an welchen Dienstleister auslagert. "Im Zuge sinkender Margen und des zunehmenden Kostendrucks auf die unternehmensinternen IT-Dienstleister wird die Fähigkeit, ein intelligentes Sourcing-Management mit anpassungsfähigen Preismodellen aufzubauen, zu einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil", ist Andrea Marlière von der Frankfurter Unternehmensberatung Netco Consulting überzeugt.

Voraussetzung für effizientes Sourcing-Management ist ein strategischer Rahmen wie zum Beispiel der "Sourcing Lifecycle" der Gartner Group (siehe Grafik: "Der Sourcing-Lebenszyklus"). Demzufolge sollte der CIO des auslagernden Unternehmens in einem ersten Schritt die Vorteile und Risiken der internen beziehungsweise externen Beschaffung von IT-Leistungen abwägen. Anschließend folgt die Phase "Evaluierung und Auswahl", in der der Anwender seine Anforderungen möglichst genau definiert und die Anbieter ermittelt, die diesen Ansprüchen gerecht werden. Danach gilt es, einen strukturierten Vertrag zu gestalten, der auch Service-Level-Agreements (SLAs) und Zahlungsmodalitäten festschreibt. Mit dem eigentlichen Sourcing-Management, der laufenden Überwachung der Lieferantenbeziehungen und der angemessenen Reaktion auf Veränderungen schließt sich der Kreis.

Transparenz ist wichtig

Um ein fundiertes Sourcing-Management zu betreiben, müssen zudem die firmeneigenen Prozesse und Schnittstellen sowie die damit verbundenen Kosten möglichst transparent sein. Konkret heißt das, "dass die IT-Prozesse und -Ressourcen zu Leistungen verdichtet werden", führt Marlière aus. Diese Leistungsbündel wiederum bildeten die Bausteine für die IT-Produkte, also die aus Kundensicht wahrgenommene Leistung ("Quality of Experience"). Daraus entsteht ein Produktkatalog, der anschließend als Grundlage für die Preisstellung dient und der überhaupt erst die Qualitätskontrolle sowie den Kosten- beziehungsweise Leistungsvergleich möglich macht.

Schwierig wird es, wenn ein Unternehmen versucht, außer Kontrolle geratene Prozesse durch das Auslagern wieder in den Griff zu bekommen. Erfahrungsgemäß ist es dann schon zu spät, warnt Unternehmensberater Beust: "Outsourcing ist nur erfolgreich, wenn beherrschte Prozesse auf Basis von Standards ausgelagert werden." Damit sei gewährleistet, dass der Auftraggeber genau das erhalte, was er brauche, und ausschließlich für das bezahle, was er tatsächlich in Anspruch nehme.

Lastenheft von Vorteil

Beust empfiehlt daher, den Auftrag auf Basis eines Lastenheftes zu erteilen: "Was ausgelagert wird, sollte gut verstanden und vor allem auch zählbar sein," so der Experte. Lohnen könne sich Outsourcing nur, wenn es um Produkte gehe, das der Dienstleister in großen Mengen erzeugt. "Nur dann gibt es auch einen Markt, der für reelle Preise sorgt, und Konkurrenz, die Alternativen schafft."

Die IT-Produkte - nicht die Produktionsprozesse - müssen folglich in hoch standardisierten Service-Level-Areements (SLAs) beschrieben werden. Diese Produkte definieren die zu erbringenden Leistungen (Output), deren Qualitätsmerkmale (Service Levels) sowie die Mitwirkungs- und Beistellpflichten (Input) des Anwenders. Erst die "Verpackung" der Produkte in SLAs versetzt den Kunden in die Lage, seine IT-Dienste auch unter dem Kostenaspekt in Auftrag zu geben. Damit kann er seinen finanziellen Aufwand beeinflussen, ohne im Detail verstehen zu müssen, warum und wie er entsteht. Und das wird letztlich zu einer Anpassung der in der Vergangenheit häufig - unwissentlich oder wissentlich - überhöhten Serviceniveaus führen.

Speziell für konzerninterne IT-Dienstleister oder die IT-Töchter von Großunternehmen ist ein effizientes Sourcing-Management zu empfehlen. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, ihre Services stärker auf die Wünsche des Konzerns zuzuschneiden und die Kosten transparenter und beeinflussbarer zu machen. Der CIO wiederum kann durch den Vergleich mit marktüblichen Serviceangeboten und Preisen die Qualität und Wirtschaftlichkeit seiner Abteilung nachweisen. Bei der internen Leistungsverrechnung und Preisstellung beginnt sich daher auch ein Trend durchzusetzen, den Beraterin Marlière mit "Kostenbeeinflussbarkeit ist wichtiger als Kostentransparenz" beschreibt. Transparente Preise an sich haben aus Kundensicht keinen Eigenwert, so die Expertin: "Warum soll ein Kunde wissen wollen, wie viel CPU-Zeit, Netzkilometer oder Swift-Gebühren für Leistungen in den IT-Bereichen anfallen?" Weitaus wichtiger sei es, "beeinflussbare" Verrechnungspreise zu schaffen, die auch die steuerlichen Rahmenbedingungen und Dokumentationspflichten berücksichtigten. Ein systematisches Sourcing-Management sichert nicht nur die Wirtschaftlichkeit bei der Beschaffung und Erbringung von IT-Services. Durch klar definierte Zielvorgaben und Vorgehensweisen erleichtert es auch die Wahl der Outsourcing-Partner. Andererseits können die Beurteilung der internen IT sowie der Kosten- sowie Qualitätsvergleich mit externen Anbietern aber auch zur Folge haben, dass die Outsourcing-Diskussion schnell wieder vom Tisch ist. (sp)