Sourcing-Beratung: Die Erfahrung zählt

03.03.2008
Vor allem bei der Auswahl und Steuerung der Provider lassen sich Anwender von neutralen Experten helfen.
Sourcing-Berater bieten ihre Dienste über den gesamten Outsourcing-Lebenszyklus hinweg an.
Sourcing-Berater bieten ihre Dienste über den gesamten Outsourcing-Lebenszyklus hinweg an.
Foto: Active Sourcing

Ein Outsourcing muss gut überlegt sein. Nicht nur die Make-or-Buy-Entscheidung, auch die Auswahl des Providers und seine anschließende Steuerung sowie die Vertragsgestaltung haben Einfluss auf den Erfolg. Sich dabei Hilfe von neutralen Beratern zu holen ist heutzutage gängige Praxis, da sich der Markt und die Anforderungen ständig verändern, meint Klaus Holzhauser, Managing Consultant bei Pierre Audoin Consultants (PAC). "Ein externer Berater, der viele Deals kennt, hat immer noch mehr Erfahrung als ein Unternehmen, das bereits sein drittes Auslagerungsprojekt in Angriff nimmt", so der Experte. Und in Deutschland befänden sich die meisten Anwender ohnehin erst in der zweiten Outsourcing-Welle.

Hier lesen Sie ...

wer Sourcing-Beratung anbietet;

welche Probleme die Consultants lösen;

inwiefern Anwender von diesen Leistungen profitieren;

worauf Sie bei der Auswahl der Berater achten sollten.

Wer Sourcing-Beratung anbietet

Bei vielen IT-Strategieberatungen sowie in den Advisory-Abteilungen der Wirtschaftsprüfer gehört Sourcing-Beratung mittlerweile fest zum Portfolio. Während Branchenriesen wie Deloitte, Gartner und Bearingpoint auf globaler Ebene agieren, wird der deutsche Markt von einer Vielzahl lokaler Beratungshäuser dominiert. Beispiele sind das Deloitte-Spinoff Adour Consulting, Pierre Audoin Consultants (PAC),Clearview Consulting oder Corporate Quality Consulting (CQC). Auch Benchmarking-Anbieter wie Compass bieten Sourcing-Advisory an.

Daneben gibt es Beratungshäuser, die ausschließlich Sourcing-Fragen behandeln. Der mit weltweit 400 Beratern größte Vertreter dieser Kategorie ist die US-amerikanische Firma Technology Partners International (TPI), die seit der Übernahme durch den Investor ISG (Information Services Group) im vergangenen Herbst an der Börse notiert und auch in Deutschland präsent ist. Die von zwei ehemaligen TPI-Mitarbeitern gegründete Equaterra beschäftigt weltweit 230 Consultants, die sich vorrangig auf BPO in den Bereichen F&A (Finance & Accounting), HR (Human Resources), Procurement und Logistik fokussieren. Europäische beziehungsweise deutsche Firmen haben die Active Sourcing GmbH aus der Schweiz und die Hamburger Navisco AG im Visier.

Die meisten Anbieter rechnen ihren Aufwand nach Tages- beziehungsweise Stundensätzen ab.

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Was die Consultants mitbringen müssen

Umfassende Marktkenntnisse;

Sourcing-Fachwissen ;

Erfahrungen mit Outsourcing-Alternativen wie Shared Services;

Erfahrungen mit ähnlich aufgestellten Kunden;

Sourcing-Management-Kompetenz, Best Practices;

gute Referenzen;

Tools und Templates;

Risiko-Management-Strategien.

Ähnlich sieht es Martin Haas, Director Research & Consulting bei IDC: "Bei überschaubaren, weitgehend standardisierten Aufgaben - etwa Desktop-Services - brauchen Unternehmen keinen Sourcing-Advisor. Das sollten sie alleine schaffen." Für komplexere Vorhaben sei externe Unterstützung aber zu empfehlen. Speziell deutschen Firmen fehle die Erfahrung. Die meisten verfügten nur über Halbwissen. Allerdings seien Auslagerungen sehr individuell, viele Best Practices gebe es nicht: "Der Kunde will es so individuell wie möglich und der Provider so standardisiert wie möglich - und dazwischen muss der Sourcing-Advisor vermitteln", beschreibt Haas den Anspruch an die Externen.

Deren Aufgaben lassen sich in vier Phasen unterteilen. Zunächst arbeiten sie gemeinsam mit dem Kunden die Sourcing-Strategie aus, bestimmen die Ziele und überprüfen, welche Systeme und Anwendungen überhaupt für eine Auslagerung in Frage kommen. Diese Phase ist vor allem für unerfahrene Anwender wichtig: "Am Anfang sind eine Menge Fragen zu klären", so Haas. "Und eine Fehlentscheidung hat meist negative Folgen für den gesamten Projektverlauf

Auswahl des Providers

Anschließend helfen die Berater dem Kunden, Kriterien für die Auswahl des IT-Dienstleisters auszuarbeiten, die Angebote zu beurteilen und den RFI (Leistungsanfrage) und RFP (Aufforderung zur Angebotsabgabe) zu erstellen. In dieser zweiten Phase sind besonders viele Sourcing-Berater anzutreffen, die teilweise absichtlich "Stunden machen". So beobachtet PAC-Consultant Holzhauser, dass einige Anwender auf Anraten ihrer Advisors einen hohen Aufwand betreiben: "Oft wird der RFI an zu viele Provider verschickt, und der Anwender muss erst einmal unzählige Folien durcharbeiten, bis er fünf bis sieben Anbieter auswählen kann", kritisiert der Experte. Besser sei, sich mit dem Berater auf Auswahlkriterien festzulegen: "Daraus ergibt sich dann eine qualifizierte Short List an Providern, die den RFP erhalten, und der Aufwand hält sich in Grenzen", so Holzhauser. Voraussetzung sei allerdings, dass der Sourcing-Advisor den Markt, die Stärken und Schwächen der Anbieter sowie deren Fokussierung und regionale Aufstellung gut kenne.

Wenn der enge Provider-Kreis feststeht, gehen die Consultants die Leistungsbeschreibungen mit dem Auftraggeber durch und führen ihn durch die Verhandlungen. Die Beratungsfirma TPI vertraut dabei auf Tools, standardisierte Methoden und Templates, die auf Erkenntnissen aus Kundenprojekten basieren. Dadurch soll sich diese dritte Phase um Monate verkürzen lassen.

Laut Bernd Schäfer, Deutschland-Geschäftsführer von TPI, kann es auch vorkommen, dass die Berater von einem Outsourcing abraten. "Das gehört zu unserem Ehrenkodex." Dem folgen die Experten aber offenbar nicht immer. So hatte die Hypovereinsbank 2006 ein Projekt ausgeschrieben, das dem Dienstleister äußerst ungünstige Bedingungen bot. Nachdem sich kein Provider auf den Deal einlassen wollte, entschloss sich die Bank, ihr Rechenzentrum nicht wie geplant auszulagern - eine Entscheidung, die ihr die beauftragten TPI-Berater früher hätten nahelegen müssen, um den Aufwand auf beiden Seiten gering zu halten.

Vertrag und Transition

Auch in Phase vier, der Formulierung der SLAs (Service-Level-Agreements), stehen Sourcing-Advisors ihren Kunden zur Seite - bis hin zur Ausarbeitung des Vertrags und der Übertragung der Leistungen an den Provider (Transition). Manche Beratungshäuser übernehmen auch Benchmarks, um die Arbeit des IT-Dienstleisters nach einem bestimmten Zeitraum zu bewerten. Die Leistungen können aber auch einzeln erbracht werden. So erfolgte das Vorhaben bei Premiere ohne Hilfe von Beratern. Aber vor dem Abschluss gab Günter Weinrauch, Vice President Information Management bei dem Fernsehsender, ein externes Assessment des Outsourcing-Modells und des Vertrags in Auftrag.

Neben guten Marktkenntnissen sollten die Consultants langjährige Erfahrungen und entsprechende Referenzen mitbringen, meint Premiere-CIO Weinrauch: "Leute frisch von der Uni sind hier fehl am Platz." Wichtig sei zudem eine pragmatische, individuell am Kunden ausgerichtete Vorgehensweise: "Jedes Sourcing-Vorhaben ist anders."

Erfahrung ist das A und O

Mit Erfahrung werben insbesondere die Sourcing-Spezialisten: "Unsere Berater blicken auf 20 bis 25 Jahre einschlägige Berufstätigkeit zurück", schätzt TPI-Manager Schäfer. Etwa zwei Drittel hätten zuvor im Management eines Providers gesessen, das restliche Drittel seien ehemalige CIOs. Auch TPI-Konkurrent Equaterra stellt nur Berater ein, die auf Anwender- oder Provider-Seite Führungspositionen bekleidet haben. "Dadurch haben wir vor allem in der Umsetzung einen Vorsprung vor breiter aufgestellten Beratungshäusern", glaubt Markus Schäfer, Principal Consultant bei Equaterra. Am wichtigsten seien jedoch Soft Skills: "Die Berater müssen gut zuhören können, um die Anforderungen des Kunden zu verstehen."

Partielle Beratung nimmt zu

Auch wenn der Erfahrungsschatz der Anwender mit der Zeit zunimmt - gute Sourcing-Beratung bleibt wichtig, meint Schäfer: "Vor allem im Mittelstand gibt es noch viel zu tun." Großunternehmen bräuchten eher Hilfe bei der Sourcing-Konzeption und Provider-Auswahl. Ähnlich sieht es Lars Schwarze, Senior Manager CIO Advisory Services bei Deloitte: "Es werden weniger Firmen eine Komplett-Unterstützung benötigen. Aber dafür steigt die Nachfrage nach partieller, methodischer Beratung - vor allem in puncto Sourcing-Management, Provider-Steuerung und Governance."