IT im Handel/Handel und Hersteller suchen gemeinsam nach Strategien

Sortimentsgestaltung ist das A & O

02.08.2002
Warum verkauft sich eine Joghurtmarke bei der einen Handelskette schlechter als bei allen anderen? Gehört der Cappuccino zu den Heißgetränken oder zu den Süßwaren nach dem Essen? Diese und ähnliche Fragen stellen sich Händler und Produkthersteller bei der Gestaltung des Warensortiments. Das in der Praxis entwickelte "Day-to-Day-Category-Management" und spezielle IT-Instrumente tragen dazu bei, sie zu beantworten. Von Uwe Kerrinnes*

Wenn der Kunde einkauft, möchte er nicht lange nach den benötigten Produkten suchen, deshalb der Primat der Sortimentsgestaltung. Außerdem braucht der Einzelhandel dringend Ideen, wie er den Kunden an sich bindet: Vor allem seit der Einführung des Euro wechseln immer mehr Menschen für den Lebensmittelkauf von Supermärkten und Spezialgeschäften zu Discountern. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) stellt hier einen anhaltenden Trend fest.

"Der Kunde bevorzugt solche Einkaufsstätten, in denen er die von ihm präferierten Produkte dort findet, wo er sie sucht", erklärt Dirk Wagener, Projekt-Manager bei der Centrale für Coorganisation (CCG) in Köln. "Und das in der richtigen Menge und zum richtigen Preis." Die CCG, deren Träger der Markenverband und das Euro-Handels-Institut sind, arbeitet deshalb an einer besseren Efficient Consumer Response (ECR). Ziel ist, Abläufe zwischen Handel und Herstellern auf der Beschaffungs- und Absatzseite so zu koordinieren, dass dem Konsumenten ein Optimum an Qualität, Service und Produktvielfalt geboten wird.

Mehr Wissen über Konsumbedürfnisse

Auf der ECR-Absatzseite steht das Category-Management, das auf die Bedürfnisse des Kunden beim Einkauf eingeht. Wie lassen sich aus seiner Sicht Produkte sinnvoll zusammenfassen? Freut sich der Kunde über die bedarfsgerechte Platzierung und Gestaltung der Produkte, steigen Umsätze und Marktanteile, so die Erwartung der Händler und Hersteller. Handelsfirmen wie die Metro oder DM schwören daher auf Category-Management.

Bis zur Idealsituation ist es allerdings noch ein weiter Weg. "Es ist noch lange nicht so, dass es optimale Sortimente für die entsprechenden Verbraucherzielgruppen gibt", sagt Reiner Stoll, Director Strategic Development Sales beim Lebensmittelkonzern Kraft in Bremen. "Hier gibt es für Handel und Industrie noch Potenzial für die gemeinsame konsumentenorientierte Optimierung von Sortimenten."

Aus Kostengründen können die meisten Handelsunternehmen allein keine aufwändigen IT-Projekte betreiben, mit denen sich gezielt Daten über Kunden und Warengruppen sammeln und aufbereiten lassen. Deshalb arbeiten sie mit den Herstellern der jeweiligen Produktkategorie zusammen. Beide tauschen untereinander wertvolle Daten aus, an die eine Seite alleine nicht oder nur schwer herankommt.

Der Handel vermittelt der Industrie seine Erkenntnisse über die Konsumenten, die er durch Scannerdaten, Bonanalysen oder Haushaltsumfragen gewonnen hat. Im Gegenzug offenbart die Herstellerfirma ihr Wissen über die Warengruppe und über den Absatz ihrer Produkte bei der Konkurrenz. Um das Bild des Kunden oder einer bestimmten Warenkategorie zu vervollständigen, fließen in diesen gemeinsamen Wissenspool auch externe Daten von Marktforschungsunternehmen ein.

Im Idealfall wird das gesammelte Wissen in den Handelszentralen oder beim Hersteller in einem Datenverwaltungssystem (Data Warehouse) zusammengefasst. Damit die Daten aus den unterschiedlichen Quellen jedoch sinnvoll analysiert werden können, müssen sie zunächst auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. So entsteht eine einheitliche Datenbasis, aus der sich allgemeine Erkenntnisse über einzelne Warenkategorien ableiten lassen.

Einheitliche Artikelbezeichnung

Um die Daten zusammenzuführen, sind im Wesentlichen vier Punkte zu beachten: Zunächst ist eine einheitliche Bezeichnung des Artikels notwendig. Spricht der Händler von "Rote Traube", während ein Marktforscher das Getränk unter Johannisbeersaft erfasst, ist es erforderlich, die Produkte mit ihren Bezeichnungen abzugleichen. Das sorgfältige Bereinigen und Vereinheitlichen von Daten (Data Cleansing) ist entscheidend, um die Einzelwerte in der zentralen Datenbank weiter zu verarbeiten. Spezielle Software-Tools nehmen diesen Abgleich automatisch vor.

Die zweite Anforderung ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen: Während die Scannerdaten eines Händlers das einzelne Unternehmen mitsamt Adresse erfassen, beziehen sich die Daten eines Marktforschungsinstituts meist auf eine repräsentative Zahl von Supermärkten mit einer Ladenfläche von mehr als 1500 Quadratmetern. Auf Basis bestimmter Schlüsselwerte, die an der Kasse erfasst werden, setzt die Zentrale des Handelsunternehmens die Marktforschungszahlen ins Verhältnis zu den Werten aus den eigenen Geschäften.

Der dritte Punkt betrifft die Zeiträume, in denen Werte erhoben werden. Zum Beispiel übermittelt der einzelne Händler die Information an die Zentrale, dass am Donnerstag um 17.36 Uhr eine Dose Ravioli verkauft wurde. Die Zentrale rechnet die Einzeldaten dann auf Tages- und Wochenwerte hoch. Will sie die Ergebnisse damit vergleichen, wie viele Dosen derselben Marke im Mai insgesamt in Deutschland umgesetzt wurden, zieht sie zusätzlich monatlich erhobene Marktforschungsdaten heran. Ein direkter Vergleich zum eigenen Absatz ist für den Händler nicht immer nachvollziehbar, da in die generell erhobenen Werte auch Sonderangebote der Konkurrenz einfließen. Hier kommt es wieder darauf an, mit einer geeigneten Lösung solche besonderen Daten herauszufiltern.

Schließlich müssen auch die Maßeinheiten angeglichen werden: Der Handel erfasst etwa Möhren und Erbsen in Konservendosen von 150 und 250 Gramm, während Studien eines Marktforschers auf Dosen von 200 Gramm eingehen. Eine Software, die beide Daten miteinander verbindet, muss die Handelsdaten entsprechend umrechnen können.

Category-Management im Alltag

Alle im Data Warehouse gepflegten Daten liefern die Basis für Sortiments- und Preisentscheidungen sowie für die Platzierung der Produktgruppen in den Geschäften. Um das Zusammenspiel von Händlern und Herstellern auf einen gemeinsamen Standard zu bringen, hat die europäische ECR-Interessengemeinschaft zusammen mit der Unternehmensberatung Roland Berger vor einiger Zeit einen Acht-Schritte-Prozess für Handel und Industrie entwickelt, der die Grundlage für das Category-Management bildet. Mit 240 einzelnen Formblättern (Templates) ist er jedoch sehr umfangreich und im Alltagsgeschäft daher kaum realisierbar. "Es gab Fälle, in denen sich die Bearbeitung mit erheblicher Manpower über neun bis elf Monate hinzog", so Kraft-Manager Stoll.

Die ECR-Initiativen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (ECR D-A-CH) haben aus diesem Grund einen "Day-to-Day"-Ansatz für das Category-Management entwickelt. Um anerkannte Prozessstandards zu schaffen, wurden Erfahrungen und Anforderungen verschiedener Handels- und Industrieunternehmen aus den drei Ländern einbezogen. Der Ansatz stellt praktische Leitfäden und Templates bereit, die einem breiten Anwenderkreis den Einstieg in das Category-Management ermöglichen. So erzielen die Anwender, verglichen mit dem bisherigen Acht-Schritte-Prozess, bei 20 Prozent des zeitlichen Aufwands etwa 80 Prozent des Nutzens. "Der Day-to-Day-Ansatz ist eine Art Gebrauchsanleitung für das Category-Management", so Dirk Wagener.

IT-Dienstleister wie beispielsweise SAP, T-Systems oder Wincor Nixdorf haben eigens Softwarewerkzeuge entwickelt, mit denen die standardisierte Vorgehensweise abgebildet werden kann. T-Systems hat unter anderem mit dem auf Geschäftsprozesse in der Konsumgüterindustrie spezialisierten IT-Unternehmen CAS, Kaiserslautern, eine spezielle Lösung entwickelt, die die acht Schritte aufgabenbezogen in drei übergeordneten Schritten zusammenfasst: strategische Vereinbarung, Kategoriebewertung und -taktiken. (bi)

*Uwe Kerrinnes ist Autor für IT-Themen in Köln.

Alle profitieren

- Handel und Hersteller können beim Consumer Responce zusammenarbeiten,

- Category-Management kommt den Kundenerwartungen entgegen,

- der Handel vermittelt Erkenntnisse über den Konsumenten,

- der Hersteller liefert sein Wissen über Warengruppen und den Absatz bei der Konkurrenz,

- externe Marktdaten fließen in den Wissenspool ein.

Die acht Stufen im Day-to-Day-Category-Management

- Definition: Bei der Definition der Kategorie ist die Frage entscheidend, wie der Konsument eine Kategorie anhand seiner Bedürfnisse bestimmen und strukturieren würde.

- Rolle: Die Rolle, die die Kategorie im Gesamtunternehmen einnimmt, ist ein wichtiges Kriterium für die Abgrenzung zu Wettbewerbern und für die Verteilung der Warenressourcen auf die einzelnen Geschäfte des Handelsunternehmens.

- Bewertung: Sie dient unter anderem dazu, die Bereiche mit den größten Umsatz- und Gewinnpotenzialen zu identifizieren. Hierzu sind Kennzahlen wichtig, die einen Überblick über die Marktverhältnisse einer Kategorie im Vergleich zum Wettbewerb und zum Gesamtmarkt geben.

- Leistungsanalyse: Sie untersucht, wie nahe die zurzeit angebotenen Warengruppen an den Wünschen der Verbraucher ausgerichtet sind. Das Ergebnis dieser Analyse ist unter Umständen eine Umstellung oder Neugruppierung des Sortiments sowie ein veränderter Preis.

- Strategie: Händler und Hersteller entwickeln gemeinsam die Möglichkeiten der Differenzierung, bestimmen die Zielgruppe und treffen strategische Vereinbarungen für die künftige Zusammenarbeit.

- Taktik: Dieser Schritt identifiziert und bewertet Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie. Beispiele für taktische Ziele sind die Sortiments- und Preispolitik, die Regalpräsentation sowie Maßnahmen zur Verkaufsförderung.

- Planumsetzung: Hier geht es hauptsächlich darum, Termine und Verantwortlichkeiten für das Umsetzen der Pläne festzulegen.

- Überprüfung: Die Ergebnisse sollten nach Ansicht von Experten jährlich auf ihre Zielerreichung überprüft und die wichtigsten Kennzahlen mindestens vierteljährlich kontrolliert werden.

Beispiel: Ecat 2 Day

Die Web-fähige Software von T-Systems und CAS leitet aus eingehenden Bestelldaten Empfehlungen für die Sortimentsgestaltung ab, schlägt die Platzierung der Ware vor und analysiert die Entwicklung von Kategorien. Dabei berücksichtigt die Lösung Marktforschungsdaten der Gesellschaft für Konsum-güterforschung (GFK) und von Nielsen. Die Software führt Informationen von Herstellern und Handel aus unterschiedlichen Datenquellen zusammen und erstellt daraus Analysen, Reports und Umsetzungskontrollen. Sie arbeitet unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche von Microsoft SQL mit Olap Services, die Teil von Windows 2000 sind. Die weitere Entwicklung sieht unter anderem eine automatische Sortimentsoptimierung, einen Promotion-Kalender für Verkaufsförderungsmaßnahmen und die Anbindung an elektronische Marktplätze vor. Außerdem wird der Acht-Schritte-Ansatz nach CCG-Standard zukünftig vollständig abgebildet.