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Sony BMG kündigt CD-Kopierschutz-Version für Europa an

11.11.2005
Sony BMG will den in den USA umstrittenen Kopierschutz "XCP" für Musik-CDs, gegen den bereits eine Sammelklage angestrengt wurde, in Europa nicht einführen.

"Im Laufe des nächsten Jahres" werde es für Europa ein neues so genanntes digitales Rechtemanagement (DRM) geben, das ein begrenztes Kopieren erlaube, teilte Sony BMG Continental Europe am Donnerstag mit. Europa-Chef Maarten Steinkamp sagte der dpa, so wie in den USA "werden wir es in Europa nicht machen". In den vergangenen Wochen war die in den USA auf einigen CDs des Unternehmens erprobte Schutzsoftware XCP in den Medien unter heftigen Beschuss geraten (siehe "Sony setzt sich mit Rootkit-DRM in die Nesseln").

Derzeit prüfe das Unternehmen noch verschiedene Softwaretypen. Drei bis fünf legale Kopien würden für den privaten Gebrauch eine vernünftige Lösung sein, sagte Steinkamp. "Wir als Unternehmen wollen für Europa eine offene, transparente und klare Lösung." Das Rechtemanagement dürfe dabei nicht zur "Bremse" werden. Den umstrittenen DRM-Schutz auf amerikanischen CDs werde es hierzulande nicht geben.

Sony hatte Medienberichte dementiert, wonach Musik-CDs mit der in den USA erprobten Schutz-Software XCP es erlaubten, beim Abspielen am Computer heimlich Dateien zu verstecken und sogar Nutzerdaten auszuspionieren. Die mit Sonderzeichen versehenen Dateien sollen sich den Berichten zufolge in die Tiefen des Betriebssystems einnisten und nur schwer zu entfernen sein. In Deutschland sind entsprechend bestückte Musik-CDs allerdings nicht verkauft worden.

"Wir möchten es den Konsumenten ermöglichen, private Kopien anzufertigen", sagte Steinkamp. Zu diesem Thema habe es bislang viele Missverständnisse gegeben und große Verwirrung geherrscht. Digitales Rechtemanagement sei derzeit das beste und sinnvollste Verfahren, um das geistige Eigentum des Unternehmens und das der Künstler zu verwalten.

"Das Thema der Privatkopie ist durchaus ein Problem, aber wir müssen in erster Linie an die Konsumenten denken", sagte Steinkamp. In Europa werde das Unternehmen deshalb nur Technologien einsetzen, "die für den Käufer sicher und fehlerfrei sind".

Nach Angaben des Antiviren-Spezialisten Kaspersky Labs soll ein erster Software-Spionagevirus unter der Tarnung des umstrittenen XCP-Kopierschutzes im Umlauf sein. Das so genannte Hintertür-Programm "Backdoor.Win32.Breplibot.b" sei in der Lage, sich mit Hilfe des Kopierschutzes zu tarnen und unbeobachtet im Computer festzusetzen.

Laut Trend Micro handelt es sich dabei um ein bereits bekanntes Schadensprogramm, das sich die Technik von XCP als Trittbrett zu Nutze macht. Häufig werden solche Schädlinge genutzt, um etwa durch das zeitgleiche Aussenden von massenhaften Anfragen einen Server in die Knie zu zwingen. Der Virus dürfte derzeit nur Nutzer von entsprechenden Musik-CDs aus den USA betreffen.

"Sonys Kopierschutz ist so gestaltet, dass es sehr missverstanden werden kann", sagte der Karlsruher Virenexperte Christoph Fischer. "Damit haben sie sich sicherliche keine Freude gemacht." Die bislang nur theoretisch denkbare Möglichkeit, dass das Verfahren von Viren-Schreibern für eigene Zwecke missbraucht werden könnte, habe sich mit dem Auftauchen des jüngsten Schädlings jetzt bestätigt. Nutzer, die eine solche CD auf ihrem Rechner abgespielt hätten, sollten die versteckten Dateien umgehend entfernen. Die meisten Antiviren-Programme seien inzwischen in der Lage, die entsprechenden Dateien zu erkennen.

In Kalifornien wurde einem Bericht der "Washington Post" zufolge bereits eine erste Sammelklage verärgerter Opfer des XCP-Kopierschutzes eingereicht. Zwei weitere sollen ebenfalls in den USA in Vorbereitung sein. (dpa/tc)