Sonderpost fuer CW-Abonnenten Dieter Eckbauer

11.11.1994

CW-Abonnenten bekommen in dieser Woche zweimal Post. Neben der aktuellen erhalten sie anlaesslich des zwanzigsten Geburtstages der COMPUTERWOCHE die tausendste Ausgabe. 1974 bis 1994 - das deutet auf Quellensuche und Archivausschlachtung hin: Die Redaktion zieht Bilanz nach zwei Jahrzehnten Marktbeobachtung. Ein Fuellhorn fuer die Autoren war das CW-Archiv allemal; eine Fundgrube fuer die Leser soll und kann die Jubilaeumsausgabe sein. Von einer Bilanz zu sprechen waere jedoch gemogelt. Die Zeit ist nicht danach. Das Sonderheft fuehrt den Beweis. Es zeigt eine DV-Welt im Umbruch, in der nur gewiss ist, dass alle Anwender und Anbieter mit Ungewissheiten leben muessen. Das gilt auch fuer die CW.

Dies ist keine Ausrede dafuer, vor lauter Vorsicht, ja nicht redaktionell anzuecken, ins Unverbindliche abzugleiten. Ganz ohne Schadenfreude muss registriert werden, dass Big Blue ein Altlastenproblem hat. Mit der "Serverisierung" meint die IBM, dass sie am Wachstum in neuen Maerkten teilhaben will, und zwar mit innovativen Produkten, die vorhandene obsolet machen. Sie sagt es ihren Mainframe-Kunden aber nicht. Das wird sich raechen. Technologische Fuehrerschaft kann sie nur erlangen, wenn sie mit Traditionen bricht. Dass es geht, zeigt der Weg, den beispielsweise Hewlett-Packard eingeschlagen hat.

Nicht, dass DV-Geschichte in der CW nur aus IBM-Geschichten bestanden haette. Aber wer die Mainframe-Szene verfolgt, wird kaum widersprechen: Bei vielen Unternehmen besteht das IS-Wissen der Topmanager zum Grossteil aus "Wahrheiten", die von IBM- Repraesentanten oder IBM-nahen Beratern vermittelt wurden. Das ist der Boden, auf dem Vorurteile gedeihen. Ironie des Schicksals: Unser Topmanager versteht den Vorstandskollegen, der sich fuer die Auslagerung der DV entscheidet, weil ihm die Sache suspekt wird. Was sie von der DV wollen, wissen beide nicht.

Informationswirtschaftliches Know-how ist angeblich nicht erforderlich, um sich etwa fuer ein Standardprogramm wie SAPs R/3 zu entscheiden. Von einer firmenspezifischen IS-Strategie ist in den seltensten Faellen noch die Rede, Unternehmer und Geschaeftsfuehrer sind schon zufrieden, wenn sie den Anwendungsbetrieb aufrechterhalten koennen. Der Schein der Individualitaet wird gewahrt.

Darueber muss diskutiert werden. Auf mangelnde Kommunikationbereitschaft der anderen Seite koennen sich die IS- Spezialisten nicht berufen. Eine neue Generation von Anwendern, am PC geschult und der Geheimnistuerei um die Host-DV ueberdruessig, stellt pragmatische Forderungen, was die Serviceleistungen des IS- Bereiches betrifft. IS-Managern, die die Netzhoheit zur Disziplinierung der Anwender nutzen wollen, drohen unliebsame Ueberraschungen.

Wenn man dies doch auch mit Blick auf die Unternehmensleitungen behaupten koennte. Wenn es ein Problem gibt, dann liegt es hier. Nur das Topmanagement selbst kann IS-Management zur Chefsache erklaeren. Ergebnis bisher: informationstechnische Abhaengigkeit von IBM und SAP - nicht gerade schoen, aber sicherlich kein Dauerzustand.