Soll man sein Prognosesystem selbst entwickeln? Vorsicht vor "Zauberlehrlingen"

16.09.1977

MÜNCHEN (uk) - Die Auswahl eines guten Prognosesystems oder einer guten Prognosetechnik ist ein äußerst wichtiges Problem. Zwei Wege bieten sich an, ein integriertes Absatzanalysesystem zu installieren: Erstens die Entwicklung eines eigenen Systems, da entsprechend dem speziellen Interessenprofil des Unternehmens entworfen und realisiert wird, und zweitens der Kauf eines standardisierten Systems. Sicher gibt es für gewisse Unternehmen noch eine Zwischenlösung: Diese besteht darin, sich ein System "maßschneidern" zu lassen und auf diese Weise die beiden Alternativen zu verbinden. Aber in den meisten Fällen wird das Problem sich auf die oben erwähnte Alternative beschränken: Eigenentwicklung oder Kauf.

"Maßanzug" paßt nicht

Die Entwicklung eines eigenen Prognosesystems bietet als wichtigsten Vorteil die Möglichkeit, die Eingaben und Ausgaben sowie die Struktur des Systems "ad hoc" und genau angepaßt an die Bedürfnisse des Unternehmens zu entwerfen. Dieser Vorteil erweist sich jedoch als nur scheinbar stark, wenn man die folgenden Punkte berücksichtigt:

- Die genauen Anforderungen an Eingaben, Ausgaben und Struktur sind zu Beginn nur sehr schwer vom späteren Anwender zu definieren und entwickeln sich zumeist erst im Laufe der Zeit. Daher sind Umprogrammierungen in der Folge notwendig.

- Alle Programme für die kurzfristige Prognose sind sich in der Struktur sehr ähnlich, unabhängig von dem Typ der auf behandelnden Zeitreihe. Man kann also nicht von einem kurzfristigen Prognosesystem als einem im eigentlichen Sinne unternehmensspezifischen System sprechen.

Eigenentwicklung kostet bis zu 400 000 Mark

Die Entwicklung eines Prognosesystems bringt die Notwendigkeit zu beträchtlichen Investitionen mit sich:

- Ein operationales und effektives Prognosesystem verlangt eine Investition in Analyse, Entwurf, Programmierung, Test Dokumentation, Verbesserungen etc. von zwischen zwanzig und fünfzig Mann - Monaten, so daß zwischen dem Startschuß und der endgültigen Inbetriebnahme eine Zeit von 1,5 bis 4 Jahren vergeht.

- Die Gesamtkosten eines selbst erstellten Prognosesystems belaufen sich daher in der Regel auf zwischen 150000, - und 400 000, - DM.

- Die Entwicklung eines integrierten Prognosesystems erfordert eine gewisse fachliche Kompetenz und Qualifikation, nicht nur vom mathematischen Standpunkt aus, sondern auch in der Systemtheorie und der Programmierungstechnik. Der Erfolg des Unterfangens, ein kurzfristiges Prognosesystem aufzubauen wird jedoch nicht nur von der Qualifikation der beteiligten Mitarbeiter abhängen, sondern auch von ihrer Fluktuation. Bei Systemen dieser Art kann dies schon oft den Tod des gesamten Projekts bedeuten.

- Ungeachtet der Qualifikation des Programmiererteams und unabhängig von dem methodischen Raffinement des Systementwurfs kennt man zu Beginn niemals den Grad der Praktikabilität des endgültigen Systems, welches man entwickelt. Man weiß meistens sogar nicht einmal sicher, ob der Prognoseansatz, den man verfolgt, überhaupt funktionieren wird. In diesem Fall läuft das Unternehmen Gefahr, "das Rad noch einmal zu erfinden", das heißt auf seine Kosten werden Erfahrungen gemacht, die bereits (an anderer Stelle) sehr viel Geld gekostet haben.

Vorteile beim Standardsystem

- Niedrige Investitionskosten im Vergleich zu denjenigen eines selbstgeschriebenen Systems. Die Kosten eines standardisierten Systems schwanken zwischen 50 000, - und 120 000, - DM je nach den Möglichkeiten des Systems und den angebotenen Serviceleistungen.

- Sicherheit bezüglich des endgültigen Ergebnisses. Es ist in der Regel möglich die in die nähere Wahl gekommenen Prognosesysteme zu testen. Man kann also diejenigen sehr gut eliminieren, die nicht den gestellten Ansprüchen entsprechen, und so Kosten und noch wertvollere Zeit einsparen.

- Die Sicherheit, daß das System unabhängig von der Personalfluktuation funktioniert. Die Gesellschaften, die Prognosesysteme anbieten, verpflichten sich zumeist vertraglich, die gelieferten Systeme während deren Lebenszeit zu warten.

- Die Möglichkeit der Weiterentwicklung. Einige Gesellschaften, die Prognosesysteme auf dem Markt anbieten, bieten ihren Benutzern die Möglichkeit, an der ständigen Weiterentwicklung der Prognosetechniken teilzunehmen, indem sie eine Aktualisierung der bereits installierten Systeme anbieten.

- Reduzierung der Anwendungsschwierigkeiten auf ein Minimum, da bei standardisierten Prognosesystemen die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches Zwischen den Benutzern besteht.

Berater muß Erfahrung haben

Trotz der oben angeführten Vorteile beim Kauf eines standardisierten Systems gibt es auch einige Schwierigkeiten die jedoch oft eher bei der Entscheidungsfindung vor der Auswahl des Systems als bei seiner Anwendung auftreten. Hierbei ist vor allen Dingen auf zwei Punkte hinzuweisen: Einmal gibt es leider viele Beratungsunternehmen, die Dienstleistungen in der Prognose anbieten, ohne selbst über die entsprechenden notwendigen Erfahrungen zu verfügen. Oft handelt es sich hierbei um Unternehmen, die zum ersten Mal ein Prognosesystem für einen speziellen Kunden entwickeln und dieses dann als "normiertes System" auf dem Markt anbieten. Zum zweiten muß die Wahl eines integrierten Prognosesystems sich nicht nur an der Prognosegenauigkeit ausrichten, sondern auch an den allgemeinen vom System angebotenen Anwendungsmöglichkeiten. Diese stellen sich jedoch leider meist erst während der laufenden Benutzung des Systems heraus und nicht schon zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung.

Die Entwicklung eines eigenen Prognosesystems erscheint mir als zu teuer und zu ungewiß, um sie empfehlen zu können.

Geschäftsführer der Firma Marketing Systems, Essen