Softwerker sehen im Hardwarekonzern keine ernsthafte Konkurrenz: Expandierende SAP AG zittert nicht vor IBM

12.05.1989

FRANKFURT (ujf) - "Nicht vor Mitte der 90er Jahre" kann die IBM den Anbietern von Standardsoftware gefährlich werden. Diese Ansicht vertritt der Vorstand des größten deutschen Unternehmens auf diesem Sektor, der Walldorfer SAP AG. Tatsächlich wächst das Unternehmen bisher munter weiter - nicht zuletzt dank Erfolgen im Ausland.

Noch erfreulicher als von den eigenen Managern erwartet war das Geschäftsjahr 1988 für das Softwarehaus SAP, das seit einem knappen halben Jahr den Kurszettel deutscher Börsen bereichert. Mit Gesamteinnahmen von 245 Millionen Mark, davon 180 Millionen im Stammunternehmen, wurde der Planumsatz weit übertroffen. Denn die Prognose des Vorstandes hatte noch vergangenen Sommer auf 155 Millionen deutschen und 60 Millionen Mark ausländischen Umsatz gelautet Gegenüber den 1987er Konzernumsatz von 152 Millionen Mark hätte dies bereits ein Plus von 41 Prozent bedeutet ; nun sind es 61 Prozent.

Der Jähresüberschuß der SAP-Gruppe (zu der über die Schweizer Holding SAP International AG auch zwölf Niederlassungen in Europa und Amerika gehören) stieg trotz der auf 68,5 Millionen Mark mehr als verdoppelten Investitionen um reichlich 40 Prozent auf 44,5 Millionen Mark. Davon entfielen 24,9 (Vorjahr: 18,6) Millionen Mark auf die eigentliche AG in Walldorf; die Schweizer Profite können wegen eines Steuerprivilegs nicht nach Deutschland abgezogen und konsolidiert werden.

Stürmisch entwickelte sich auch der Personalstand: Heute beschäftigt das Softwarehaus 1100 Menschen, fast 400 mehr als im Sommer 1988. Dieses Jahr ist allerdings, so Vorstandsvorsitzender Dietmar Hopp, "gedämpfteres Personalwachstum" angesagt. Probleme, gute Softwerker zu finden, habe er nicht, meint Hopp. Etwa die Hälfte der neu Eingestellten komme frisch von de Uni, der Rest bringe Erfahrung mit. Nur zwei Prozent der Belegschaft gingen pro Jahr dem Unternehmen durch Abwanderung verloren; damit dies so bleibt versucht der Vorstand die Beschäftigten über Mitarbeiteraktien an den Betrieb zu binden.

Motiviertes Personal, das sich überdurchschnittlich mit der Firma identifiziert, braucht die SAP, wenn sie ihre ehrgeizigen Pläne für die neunziger Jahre verwirklichen will. Denn schon 1991 Sollen 1600 Angestellte einen Umsatz von einer halben Milliarde Mark erwirtschaften.

Die IBM, die derzeit im Ex-Werk Hannover ehemalige Hardwarebauer er zu Progamm-Schmieden umerzieht, nimmt Hopp derzeit noch nicht allzu ernst als Konkurrenten - Big Blue werde nicht vor Mitte der 90er Jahre so weit sein. Im übrigen hätten die Hardwarehersteller "erkannt ,daß ihre Systeme attraktiver sind wenn unsere Software darauf läuft". Und was die Aktivitäten amerikanischer Software-Riesen Ó la McCormack & Dodge betrifft, die kürzlich ihre Fühler in Richtung Siemens ausgestreckt haben, bleibt der SAP-Chef gelassen: "Wir sehen's nicht mit Schrecken. "

Im Gegenteil nimmt die deutsche Aktiengesellschaft jetzt - wie einst die Software AG - sogar die Heimat der Computer Associates, Cincoms, Cullinets und MSAs ins Visier. Vor einem Jahr noch mit nur einem US Kunden ein absolutes Greehorn in den Staaten, hat SAP inzwischen sieben große Anwender jenseits des Atlantiks auf der Kundenliste stehen; darunter den Chemiegiganten Dow Chemical der das SAP-Produkt R/2 nun auch in der US-Zentrale einsetzt Die drei Umsatzprozente, die 1988 aus dem Amerikageschäft Kamen , sind es noch nicht, aber Dietmar; Hopp ("Wir sehen den Wachstumsmarkt im Ausland.") hat die Zielmarke auf fünf Prozent Marktanteil in den USA gelegt Vizevorstand Hasso Plattner assistierte seinem Kollegen Hopp auf der Bilanzpressekonferenz mit der Bemerkung, Experten der Gartner Group hatten in Hannover dem SAP-Stand besondere Aufmerksamkeit gewidmet und seien zu dem Schluß gekommen, wegen seines Know-how bei der Integration von Workstations in bestehende Anwendungen habe der deutsche Hersteller das Zeug, auch in den USA unter die "major players" aufzusteigen.

Workstations sind bei SAP überhaupt das große Thema in diesen Tagen. Noch 1989, so versprach Plattner, seien auf diesem Gebiet etliche Produktfreigaben zu erwarten, und nannte die Stichworte EDI-Schnittstelle, SAA-Oberfläche, Window-Manager und ABAP/4. Die "Workstations" auf denen die SAP-Software laufen wird, heißen freilich nicht Sun oder Apollo, sondern PS/2: Die Walldorfer verlassen sich hardwaremäßig auch hier voll auf die IBM - und auf ihr vom Markt bisher eher zögerlich aufgenommenes Betriebssystem OS/2 Wobei es Plattner nicht stört Big Blue die Pionierarbeit abzunehmen: Etwas Neues könne man heute doch nicht mehr mit MS-DOS anfangen und überhaupt dürfe man OS/2 wegen der hohen Anforderungen an die Programmentwickler sowieso nicht Damit vergleichen. Und Unix? Das kommt laut Dietmar Hopp erst Anfang 1991.