Softwarevorhaben scheitern oft an der fehlenden strategischen Steuerung Ploenzke-Studie zeigt Wege gegen Controlling-Maengel auf Von Con Berner*

14.01.1994

Mit welchen Methoden lassen sich die seit Jahren eskalierenden Kosten fuer die Informationsverarbeitung (IV) endlich nachhaltig senken? Wie kann man insbesondere firmenspezifische Anwendungsentwicklungen zeitlich und kostenmaessig besser in den Griff bekommen? Die Antwort: Durch ein professionelles, an den strategischen Unternehmenszielen ausgerichtetes Controlling.

"Betrachtet man den typischen DV-Alltag in einem Unternehmen, so zeigen sich regelmaessig dieselben Schwachstellen und Ursachen, die Softwareprojekte scheitern lassen", erklaert Thomas Weimar, Organisations- und Computerprofi bei der Ploenzke AG (Kiedrich im Rheingau). Die Beratungsgruppe fasste kuerzlich eine Reihe von Einzelberichten ueber die Praxis intern abgewickelter Softwarevorhaben bei Kundenfirmen unterschiedlicher Branchen zu einer Expertise zusammen. Darin finden sich auch Tips fuer ein effizientes informationstechnisches Controlling.

Aus dem Papier geht zunaechst hervor, dass schon in der Anfangsphase einer Anwendungsentwicklung schwerwiegende Maengel zutage treten koennen. Die Autoren nennen hauptsaechlich unzureichende Planung, unklare Aufgabenteilung und -definition, fehlende Meilensteine fuer Zwischenziele und Mitwirkungsleistungen, nicht dokumentierte Nebenabsprachen, viel zu geringe Erfahrungen mit Tools und ungenuegende Mitarbeiterschulung. Weiter fuehren die Ploenzke- Experten unterlassene vorbeugende Qualitaetssicherungs-Massnahmen, mangelnde Beruecksichtigung der Wiederverwendbarkeit von Teilleistungen und verspaetete Bereitstellung der benoetigten Ressourcen ins Feld.

Waehrend der Projektabwicklung kommt es nicht selten vor, dass es der DV-Stab unterlaesst, mit der auftraggebenden Fachabteilung ueber Abweichungen oder auch Alternativen, die aus der laufenden Projektarbeit heraus notwendig erscheinen, zu sprechen. Man verschiebt Dialoge, die eine Menge Zuendstoff in sich bergen.

In der Durchfuehrungsphase kommt es zudem zu noch gravierenderen Fehlern: So werden vorgegebene Standards zuweilen einfach fallengelassen, um Zeit zu sparen. Auch trifft man bei besonders ausgepraegtem DV-Zentralismus noch an, dass die Fortschrittskontrolle bezueglich Leistungsstandards, Terminen oder Kosten aufgegeben sowie Projektinformationen nicht mehr dokumentiert oder weitergereicht werden und auch die Aenderungsgeschichte nur unzureichend fortgeschrieben wird.

In der Schlussphase von Anwendungsentwicklungen sind schliesslich nicht minder folgenreiche Fehler und Versaeumnisse zu beobachten: Viele Unternehmen meinen, es an einer koordinierten Vorgehensweise beim Testen der Programme fehlen lassen zu koennen. Nur allzu menschlich ist es dann, nach Projektabschluss auf die erforderliche Manoeverkritik ebenso wie auf die systematische Aufbereitung und Dokumentation der Projekterfahrungen und statistischen Kennzahlen zu verzichten. Die Folge: Das waehrend der Softwareproduktion gewonnene Know-how zerrinnt und steht fuer neue Vorhaben kaum noch zur Verfuegung.

Auf welche Aspekte muss die Unternehmensleitung achten, wenn sie informationstechnische Innovationen als Teil einer erfolgs- und wettbewerbsrelevanten Gesamtstrategie realisieren will? Welche praeventiven Ueberlegungen und Massnahmen sind angesagt, um Fehlentwicklungen in der betrieblichen Informatik zu vermeiden? Welche Aufgaben und Kompetenzen obliegen schon heute einem Controlling, das dafuer verantwortlich ist, dass der Produktionsfaktor Information optimal ausgeschoepft wird?

Zehn Praxis-Tips fuer den DV-Controller

Zu diesem Fragenkomplex stellte Weimar zehn Praxisempfehlungen fuer Fuehrungskraefte mit Controlling-Funktionen im Feld der Informationsverarbeitung (IV) zusammen:

1. Das IV-"Vermoegen" eines Unternehmens repraesentiert sich nicht nur in guten DV-Anwendungen und -Infrastrukturen, sondern vorrangig in der taeglichen Nutzung. So betrachtet stellt es einen Wert in mehrstelliger Millionenhoehe dar. Gleichwohl fuehlt sich fuer dieses "Vermoegen" des Unternehmens heute - das zeigt die alltaegliche Praxis - niemand voll und ganz verantwortlich.

2. Richtig plazierte IV-Investitionen erzeugen gerade durch ihre staendige, auf alle Unternehmensprozesse ausstrahlende Wirkung hohe Multiplikatoreffekte und mehren damit das betriebliche "Gesamtvermoegen". Falsche Investitionen im Bereich der Computer- und Kommunikationstechnologien binden hingegen Kapital, beeintraechtigen die langfristige Leistungsfaehigkeit und wirken sich auf die Dauer kontraproduktiv aus.

3. Das IV-Controlling muss zukunftsorientiert auf die Unternehmensziele hinarbeiten. Teure Fehlsteuerungen der Ressourcen des Unternehmens gilt es zu vermeiden. Es reicht nicht mehr aus, wenn ein rein bereichs- oder abteilungsorientiertes Controlling im nachhinein errechnet, was haette gespart werden koennen. Das heute noch vorherrschende isolierte Projekt- Controlling sollte daher - auch angesichts des zunehmenden Kostendrucks - durch ein zielorientiertes, strategisches und uebergeordnetes Controlling ergaenzt werden.

4. Die Kosten-Nutzen-Betrachtung von IV-Vorhaben darf sich nicht mehr allein in der Beurteilung der monetaeren Auswirkungen erschoepfen. Vielmehr sind auch die zum Investitionszeitpunkt nicht monetaer bewertbaren "weichen" Faktoren in die Entscheidung einzubeziehen. Die Investitionsimpulse muessen die Unternehmensstrategie unterstuetzen und sich explizit auf sie ausrichten.

Mit anderen Worten: Das strategische Controlling ist gefordert, "kopierfaehige Blaupausen" fuer ein an die unternehmensspezifischen Erfolgsfaktoren angepasstes Bewertungsraster aufzubauen.

5. Wirtschaftlichkeit und Vorteilhaftigkeit eines Vorhabens werden im Sinne der rollierenden Planung fortgeschrieben und waehrend der Projektrealisierung bestaetigt oder neu entschieden. Keine Frage: Stoerungen aus der Umwelt werden einmal in Auftrag gegebene IV- Vorhaben immer wieder mit den Unternehmenszielen und den betriebsspezifischen Erfolgsfaktoren in Konflikt bringen. Strategisches Controlling muss sich deshalb auch als Komponente im Change-Management-Prozess verstehen.

6. Vergleichbarkeit der Vorhaben und ein effizient funktionierendes Change-Management erfordern die Darstellung in standardisierten Ergebnissen. Eine durchgehende Methodik und ein maschinell gestuetztes Verfahren sind dafuer eine grosse Hilfestellung. Die Verankerung der finanzwirtschaftlichen Aspekte in den Ergebnisrastern zwingt zum kaufmaennischen Denken und erleichtert den Entscheidungsfindungs- und Fortschreibungsprozess. Damit wird das maschinelle Verfahren zum Motor eines nachhaltigen Controllings.

7. Die maschinelle Unterstuetzung ist eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung jeder erfolgreichen Projektbewertung. Der Freiraum zu unternehmerischen Assoziationen darf nicht eingeschraenkt werden. Das Verfahren muss die Akzeptanz der Beteiligten haben und deren Ergebnisse koordinieren. Die Einbindung der Betroffenen in die Ausgestaltung des Verfahrens ist deshalb eine zentrale Voraussetzung fuer das Gelingen eines Projekts.

8. Die zukunftsorientierte Aufgabenstellung des strategischen Controllings lautet, langfristige Zielsetzungen und kurzfristig nutzbare Potentiale des Unternehmens gemeinsam sichtbar zu machen. Damit wird die Basis fuer ein unternehmensweites Ziel- und Massnahmen-Management geschaffen. Erst wenn man den korrelierenden, sich verstaerkenden Zielsetzungen eines DV-Vorhabens folgt, ist es moeglich, Synergie-Effekte zu erzeugen.

9. Manuelle Fall-Back-Optionen gehoeren im IV-Sektor heute der Vergangenheit an. Misslungene Aenderungen lassen sich nicht leichthin manuell auffangen und auf den Status quo ante bringen. Die Moeglichkeit zu DV-gestuetzten Aenderungen und risikoreduzierenden Massnahmen fuer Verfahrensumstellungen muessen deshalb fester Teil jeder Vor- habensauswahl sein.

10. Strategisches IV-Controlling sollte allen Beteiligten im Unternehmen als Leitfaden und Handlungsanleitung an die Hand gegeben werden. Der Controller ist Dienstleister, der hierfuer die Infrastruktur bereitstellt, aktuell haelt und den Entscheidungsprozess koordiniert.

Welche Bedeutung das professionell angelegte Controlling bei der Softwareproduktion hat, wird vielen Anwenderfirmen erst voll bewusst, wenn sie Schaden erlitten haben. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das Tagesgeschaeft von mehreren hundert oder tausend Sachbearbeitern in den verschiedenen Niederlassungen eines Unternehmens lahmlegt.