Vom Patentrecht nicht abgedeckt, vom Urheberschutz stiefmütterlich bedacht:

Softwareschutz würde Mainframer schwächen

08.05.1981

MÜNCHEN- Computerprogramme sind nur mühsam als geistiges Eigentum ihrer Finder zu schützen. "Die Software-Häuser als Branche sind noch zu wenig etabliert, um vor Gericht zu gehen", überlegt ein Sprecher des Europäischen Patentamtes in München. Seiner Ansicht nach haben sie deshalb keine Lobby in Bonn, um über eine Gesetzesänderung einen wirksamen Schutz ihres geistigen Kapitals durchzusetzen.

Das Übereinkommen über die Erteilung Europäischer Patente legt in seinem Artikel 52 ausdrücklich fest, daß Programme für die Datenverarbeitung nicht schutzwürdig im Sinne dieses Übereinkommens sind. In der Bundesrepublik schuf der sogenannte "Straken"-Beschluß des Bundesgerichtshofes (BGH) endgültig Klarheit darüber, daß Programme für Datenverarbeitung vom Schutz nach dem Deutschen Patentgesetz ausgeschlossen sind (AZ X ZB 24/74 vom 21. April 1977). Danach sind Rechenprogramme für die elektronische Datenverarbeitungsanlagen, bei deren Anwendung nur der "bestimmungsgemäße" Gebrauch von der Datenverarbeitungsanlage gemacht wird, auch dann nicht patentfähig, wenn ein über das Programm erzieltes Ergebnis auf technischem Gebiet verwendbar ist. Der Bundesgerichtshof bestätigte und ergänzte damit das sogenannte Dispositionsprogramm vom 22. Juni 1976. Demnach sind Organisations- und Rechenprogramme für Datenverarbeitungsanlagen nicht patentfähig, wenn bei der Anwendung der Programme nichts außer dem bestimmungsmäßigen Gebrauch von der Maschine gemacht wird.

Hier - wie auch nach der Rechtsprechung in den USA beispielsweise wird das Programm als eine "Anweisung an den menschlichen Geist" begriffen. Ähnlich wie bei wissenschaftlichen Theorien und mathematischen Methoden dominiert das öffentliche Interesse, das "Gefundene" allgemein anwenden zu können.

Das Urheberrecht entsteht mit der Schaffung eines Werkes, seien es eine Folge von Tönen, Buchstaben, Worten, eine Kombination von Farben und Formen. Aus ihm kann die "geistige Substanz" herausgesaugt werden. Wird sie analysiert und in eine andere - im Vergleich zur ursprünglichen - neue Form gebracht, was bei einem Computerprogramm leicht möglich ist, entsteht ein neues, nicht mehr dem Urheber, sondern nur noch dem Nach-Heber zugeordnetes Werk.

In den "Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt" heißt es in dem entsprechenden Passus zur Erläuterung des Artikels 52: "Programme für die Datenverarbeitung können verschiedene Formen haben." Als Beispiele werden genannt: Algorithmen, Flußdiagramme oder Serien kodierter Befehle. Sie können als Sonderfall entweder für eine mathematische Methode oder eine Wiedergabe von

Informationen betrachtet werden. Und dann folgt in dem Text ganz entschieden: "Wenn der Beitrag zum bisherigen Stand der Technik lediglich in einem Programm für die Datenverarbeitungsanlage besteht, ist der Gegenstand nicht patentierbar, unabhängig davon, in welcher Form er in den Ansprüchen dargelegt ist."

Mit einem Patent kann sich also der Mitmensch, der seine schönsten Jahre in die Entwicklung eines Programmes für eine Datenverarbeitungsanlage gesteckt hat, nicht gegen Übergriffe schützen, gleichgültig, wie neu sein Programm ist, wie heftig er die Stirn gekraust und am Bleistift gekaut hat und wie lukrativ die gewerbliche Nutzung des Produktes für den Tüftler ist.

Doch ist der Schutz über das Urheberrecht dem Software-Macher fast sicher. Allein, er taugt nicht allzu viel. Bisher, so erklärte der Experte aus dem Europäischen Patentamt, gab es weder Prozesse noch gerichtliche Entscheidungen, die unverrückbar belegen würden, daß das Urheberrecht auch greift. Die Branche strengte noch keinen Prozeß an. Roland Zahn, Patentassessor, bezweifelt auch, daß Programme unter das Urheberrecht subsumiert werden können.

Die Industrie, allen voran die IBM sichere sich durch vertragliche Bindungen mit dem Nutzer des Programmes in einer Art, die über das Urheberrecht hinausgehe. Die Industrie betreibt nach Ansicht von Dr. Robert Teschemacher die Rechtsmittelverfahren nur mit halber Kraft. IBM zeige sich besonders desinteressiert, Siemens und AEG engagierten sich etwas mehr. "Hardware-Hersteller und Software-Häuser stehen im Bereich der Computerprogramme in Konkurrenz zueinander", erklärt der Sprecher das verhaltene Engagement der etablierten Mainframer. Gäbe es einen wirksamen Schutz der Software würde das eine Schwächung der Hardware-Hersteller bedeuten. Mit den eigenen Aufbauproblemen beschäftigt, dächte die Software-Branche nicht daran, sich durch eine Lobby in Bonn vertreten zu lassen.

_AU:Karin Groth