Werkzeugunabhängige Umgebung beschleunigt die Entwicklung

Softwareprojekte der LZB bekommen Flügel

09.03.2001
Als sich die Landeszentralbank Bayern (LZB/BY) 1998 für den Wechsel ihrer Entwicklungsinfrastruktur entschied, stand fest, dass das neue System auch umfangreiche Funktionen für das Konfigurations-Management enthalten sollte. Seit nun einem Jahr setzt die Bank eine neue Lösung ein. Damit lassen sich Projekte deutlich schneller, flexibler und kostengünstiger aufsetzen. Von Hans-Peter Wintermayr*

Die Geschäftsprozesse von Banken sind heute zu einem hohen Prozentsatz vom Einsatz neuer Verfahren und Produkte der Informationstechnologie geprägt. Der zunehmende Wettbewerb in einem globalisierten Finanzmarkt verlangt nach einer stetigen Verkürzung des Time-to-Market für Dienstleistungen und Produkte. Die Einführung von neuen Lösungen und deren Anpassung erfolgen daher in immer kürzeren Abständen. Um bei diesem Wettlauf erfolgreich zu sein, müssen bereits mit der Auswahl einer geeigneten Softwareentwicklungsumgebung die Weichen richtig gestellt werden.

Wie in gewachsenen Umgebungen üblich, setzt auch die LZB/BY eine Vielzahl von Betriebssystemen, Zielsystemen und Entwicklungswerkzeugen ein. Als sich die Bank für den Wechsel ihrer Infrastrukturplattform entschied, suchte sie ein Produkt, das alle eingesetzten Entwicklungs-Tools sowie den gesamten Software-Lebenszyklus unterstützt und zudem ein leistungsstarkes Versions- und Konfigurations-Management-System bietet.

Mehr Klarheit, Durchsatz und Qualität

Daher war es das Ziel des hierfür 1998 zusammen mit der Bundesbank ins Leben gerufen Projekts "Merlin", eine Entwicklungsinfrastruktur bereitzustellen, die sowohl der Entwicklung Web-basierter Anwendungen als auch den Anforderungen der modernen Entwicklungsmethoden und -verfahren gerecht wird. Im Vordergrund stand die technische Abbildung des Entwicklungsprozesses und damit die Verbesserung des Entwicklungsverfahrens in Bezug auf Kriterien wie Klarheit, Performance und Qualität.

Die neue Lösung musste in der Lage sein, alle Projekte der Bank durch eine beliebige Anzahl von frei definierbaren Entwicklungsprozessen zu führen. Zugleich sollte dieses Prozessgerüst mit den restlichen Funktionen wie Konfigurations- und Change-Management integriert werden. Wenn beispielsweise ein neues Release einer bereits eingesetzten Anwendung erstellt, getestet und schließlich installiert wird, muss die Plattform prüfen, welche anderen Systeme davon betroffen sind und ob auch dort Änderungen notwendig werden.

Neben der Organisation dieses Prozesses übernimmt eine derartige Infrastruktur auch die Genehmigungs- und Kostenverwaltung und steuert so den gesamten Workflow, der mit der Überarbeitung oder Neuentwicklung einer Applikation verbunden ist. Damit die Entwicklungsinfrastruktur auch die wechselnden Anforderungen des Entwicklungslabors hinsichtlich der eingesetzten Entwicklungs-Tools erfüllen kann, musste die Lösung zudem werkzeugunabhängig sein.

Mit diesen Ansprüchen machte sich die LZB/BY auf die Suche nach einem Standardprodukt, das die fachlichen Anforderungen zu einem möglichst hohen Prozentsatz abbildet. Bei der Produktevaluierung von Oktober bis Dezember 1998 versuchte das Merlin-Team alle bekannten Produkte des Konfigurations-Management-(KM-)Umfelds einzubeziehen.

Dazu gehörten: "Teamconnection" von IBM, "Continuus" vom gleichnamigen Hersteller, "Endeavor for NT" von Computer Associates, "CCC/Harvest" des inzwischen von Computer Associates übernommenen Anbieters Platinum, "PVCS/PVCS Dimensions" von Intersolv (wurde 1998 von dem mittlerweile in Merant umgetauften Unternehmen Micro Focus aufgekauft), "Clear-Case", "Clear-Guide" und "Clear-Quest" von Rational, "Urep" von Unisys, "Cool Gen" von Sterling Software und die Plattform "Enabler blue" mit dem KM-Tool "Enabler aqua" von Softlab. Nach einer zweimonatigen Testphase fiel die endgültige Entscheidung zugunsten der Softlab-Plattform und des darauf aufsetzenden KM-Tools.

Obwohl die LZB/BY zu der BMW-Tochter Softlab eine historisch gewachsene Beziehung hatte, war sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht daran interessiert, mit dem Systemhaus weiterhin zusammenzuarbeiten. Vermisst wurde eine solide Vertriebsstruktur für die Enabler-Produkte. Bei den Tests stellte sich jedoch eindeutig heraus, dass die Plattform Enabler blue technisch das bestgeeignete Produkt war. Die Bank befasste sich daraufhin wieder näher mit Softlab und stellte fest, dass es Anfang 1999 einen spürbaren Wechsel im Unternehmen hin zu mehr Kunden- und Vertriebsorientierung gab.

Eigene Vorstellungen flossen in das Produkt ein

Zur Zeit der Präsentation bei der LZB war Enabler aqua zwar noch im Entstehen, überzeugte aber dennoch. Der noch nicht abgeschlossene Entwicklungsprozess erlaubte der Bank außerdem, in die Fertigstellung des Produkts eigene Vorstellungen einfließen zu lassen. Die hohe Anpassbarkeit der Enabler-Lösung ermöglicht es der Landeszentralbank darüber hinaus, die Plattform künftig auch für andere Anwendungsgebiete - wie zum Beispiel ein entwicklungsorientiertes Wissens-Management - auszubauen.

Anfang 1999 wurden dann ein Gesamtentwicklungskonzept sowie eine Reihe von Einzelfunktionsdesigns erarbeitet, in denen wichtige Teilfunktionen besonders genau analysiert und gestaltet wurden. Die erste Version der neuen Plattform für die LZB wurde nach einer Entwicklungszeit von sechs Monaten planmäßig zum 30. Juli 1999 für den produktiven Einsatz freigegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Landesbank gemeinsam mit Softlab auch das Konfigurations-Management-System weiterentwickelt und in die neue Softwareumgebung eingebettet. Parallel zur Übernahme der laufenden Projekte in die neue Infrastruktur begann die zweite Entwicklungsphase. Deren Ziel war es, das Angebot an Prozessmodellen signifikant zu erweitern.

Seit Herbst 2000 ist Enabler aqua im Einsatz. Bei den LZB-Entwicklern sind neben der Funktionsfülle des Konfigurations- und Change-Managements vor allem die bedienerfreundliche Benutzeroberfläche sowie die Klarheit und Durchgängigkeit des gesamten Konzepts positiv aufgenommen worden. Die Erfahrung zeigt: Die Produktivität der Softwareentwicklung bei der LZB/BY hat sich deutlich verbessert. So ist beispielsweise die Zahl der Wartungs-Releases von bereits eingesetzten Anwendungen zurückgegangen. Dadurch ließen sich mit den gleichen personellen und finanziellen Ressourcen mehr Softwareprojekte umsetzen als vor Einführung der Plattform. Zudem können IT-Projekte jetzt schneller, flexibler und kostengünstiger auf neue Anforderungen von innen und außen reagieren.

*Hans-Peter Wintermayr ist Leiter "Softwaretechnik, -methodik und Entwicklungsumgebung" bei der Landeszentralbank im Freistaat Bayern

Das Unternehmen

Die Landeszentralbank im Freistaat Bayern ist im Rahmen der dezentralen Struktur der Deutschen Bundesbank die für Bayern zuständige Hauptverwaltung. Sie sorgt in Bayern über ihre 22 Zweiganstalten für einen intakten Bargeldkreislauf, betreibt Vertrieb, Markt- und Kurspflege bei öffentlichen Wertpapieren und erfüllt wichtige Aufgaben im Bereich der Aufsicht über Banken und Finanzdienstleister. Die bayerischen Banken haben über die LZB direkten Zugang zum Notenbankkredit- und zu den Zahlungsverkehrsnetzen.

Viele Projekte übernimmt die Landeszentralbank Bayern für die gesamte Bundesbank. So wird in Bayern zum Beispiel die Plattform für die Windows-NT- und Windows-2000-basierenden Server-Systeme der Deutschen Bundesbank entwickelt. Hierbei müssen unterschiedlichste Anforderungen miteinander vereint werden, damit ein reibungsloser Betrieb in den 135 Zweiganstalten der Bundesbank gewährleistet werden kann.

Darüber hinaus hat die LZB/BY ein Open-VMS-basierendes Gateway-System entwickelt, über das sich Geschäftsbanken mit den Zahlungsverkehrseinrichtungen der Bundesbank verbinden können. Auch das Datenkommunikationsnetz der Bundesbank wird von Bayern aus geplant, umgesetzt und betrieben. Derzeit entwickelt die Landesbank ein Online-Interface für das Zahlungsverkehrssystem "RTGSplus" auf Java-Basis.