Wachsender Einfluss organisierter Kriminalität

Softwarepiraterie bleibt ein großes Problem

16.06.2000
MÜNCHEN (ls) - In Westeuropa sinkt der Anteil illegal kopierter Anwendungen, aber der Industrieverband Business Software Alliance (BSA) beklagt eine Zunahme der durch Programmpiraten bedingten Umsatzausfälle.

In Westeuropa ist der Anteil der so genannten Raubkopien unter den insgesamt verbreiteten Programmen von 36 Prozent im Jahr 1998 um drei Punkte im letzten Jahr gesunken. Gleichwohl sieht die BSA in ihrem neuen Jahresbericht (siehe Grafik, Seite 1) keinen Anlass zur Entwarnung. Denn mit 3,6 Milliarden Dollar seien der Industrie höhere Umsatzverluste (1998: 2,7 Milliarden) entstanden.

Westeuropa hat es knapp unter den Weltdurchschnitt von 36 Prozent illegaler Kopien unter den insgesamt verbreiteten Programmen gebracht. Die geringste Einsicht in den Wert geistigen Eigentums gibt es mit Raubkopierraten von 60 Prozent und mehr in Lateinamerika, Afrika, dem Mittleren Osten sowie vor allem Osteuropa.

Deutlich besser ausgeprägt ist das Rechtsbewusstsein in den klassischen Industrieländern Westeuropas, allerdings sind auch hier nicht weniger als ein Viertel aller Programme geklaut. Auffällig sind die Pirateriequoten in den südeuropäischen Ländern, wo mehr als 40 Prozent aller Programme illegale Kopien sind.

Dabei haben DV-Anwender in Deutschland keinen Anlass, mit dem Finger auf die Südeuropäer zu zeigen. Zwar beträgt hierzulande die Kopierrate "nur" 27 Prozent. Aufgrund der größeren IT-Dichte entstand jedoch der zweithöchste Schaden in Europa: Der Umsatzausfall der Softwareindustrie war 1999 mit 1,25 Milliarden Mark fast 39 Prozent höher als im Vorjahr.

Anzeichen für eine Wende zum BesserenLässt man die Privatanwender außer Acht, gilt laut BSA die Regel: je kleiner die DV-Händler und die Anwenderunternehmen, desto größer das Problem. Außerdem lasse sich immer häufiger das Wirken der organisierten Kriminalität in der Kopiererszene beobachten.

Die BSA sieht allerdings aufgrund einiger Indikatoren nicht schwarz. Auf ihrer Web-Seite www.bsa.de registrierte sie in diesem Jahr schon dreimal mehr Hits als im gesamten Vorjahr, via Internet und telefonische Hotline gingen 2000 bereits 475 Hinweise auf illegale Software ein, 1999 waren es 356. Der Wert der Nachlizenzierungen im laufenden Jahr beträgt 400000 Mark, viermal mehr als im Vorjahr.

In 256 Fällen hat die BSA rechtliche Schritte gegen Softwarepiraten eingeleitet. Die Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaften und der Polizei für illegale Software ist gestiegen. Während früher solche Programme eher zufällig im Rahmen anderer Ermittlungen gefunden wurden, hat es jetzt bereits 45 gezielte Razzien gegeben. Gleichwohl will die BSA, so ihr Chef im deutschsprachigen Raum, Alexandre Salzmann, "weniger mit Gefängnis drohen, sondern mehr Aufklärung betreiben".

Ein besonderes Augenmerk gilt dem Internet als dem wichtigsten Medium zur Verbreitung von Raubkopien. 1999 wurden auf Initiative der BSA in Europa 1150 und in diesem Jahr schon mehr als 500 Websites geschlossen. In über 50 Fällen gab es außerdem Razzien gegen Internet-Piraten.

Die BSA fordert höhere und europaweit einheitliche Strafen. Es bedürfe einer speziellen EU-Ermittlungsbehörde und Urheberrechtsschutz in nationalen Gesetzen der Beitrittskandidaten.