Softwarelizenzen: Anwender wollen nicht länger Opfer sein

31.07.1992

Joachim Bluhm, Emerald Software GmbH, Geschäftsstelle Hamburg

Wenn die Anbieter von System- und Anwendungssoftware die Größe der beim Kunden installierten Mainframe-CPU zur Richtschnur ihrer Preispolitik gemacht haben, dann mag dieses Verfahren eine ganze Zeitlang wie die Verwendung eines "natürlichen" Gradmessers ausgesehen haben. Als Knebel empfinden Anwender dieses Verfahren erst, seitdem durch das stark aufkommende Geschäft mit Unix- und PC-Software andere Lizenzierungsverfahren populär wurden.

Besonders ideenreich waren bisher solche Hersteller, die dem Kunden von einer bestimmten Systemsoftware-Version an - sagen wir: MVS/ESA - plötzlich ein vollkommen neues Softwarepaket aufs Auge drückten, weil das bisher eingesetzte Produkt für ein Upgrading ungeeignet war. Doch all diese Verfahren sind mittlerweile zu Recht in Verruf geraten.

Es ist unbestritten, daß auch Softwarelieferanten Einnahmen benötigen, die die Kosten für die Versendung eines Datenträgers übersteigen. Nur sind die Gründe dafür, daß sich viele Anbieter bei ihrem Streben nach Umsatz- und Gewinnmaximierung für die CPU-Größe oder eine Softwareversion als Meßlatte für ihre Preisforderungen entschieden haben, wenig ehrenhaft.

Den einen erschien dies als der bequemere Weg, das rückläufige Neugeschäft zu kompensieren. Anbieter dieses Typs sind solche, die die Weiterentwicklung ihrer Produkte vernachlässigt haben, die nicht in neue Märkte mitgewachsen sind und sich dann eines Tages vom Mitbewerb überrundet sahen.

Den anderen war die Orientierung an den wachsenden CPU-Leistungen und den neuen Softwareversionen deshalb lieber, weil sie sonst ihrer administrativen Wasserkopf und ihr Controlling-Defizit auf schmerzhafte Weise hätten beheben müssen. Viele finanzieren über diese Hochpreise auch heute noch ihren übergroßen Vertriebspersonal-Stamm - nur selten (und dann nur teilweise) fließen diese hohen Preise in Gestalt eines qualifizierten Kundendienstes an die Anwender zurück.

Angenehm an der CPU- und Systemsoftware-Orientierung , der Lizenzpreise ist für viele Anbieter auch der Automatismus, mit dem die Wartungsgebühren bei einem Upgrade "geräuschlos" mitwachsen. Je reichlicher die Einnahmen fließen, desto tiefer kann ein Softwarelieferant in die Tasche greifen, um seinen Betrieb zu "fahren".

Die Kosten der Software-Entwicklung, der Einführung neuer Produkte, des Kunden-Supports, der Administration etc. addieren sich schnell zu erklecklichen Beträgen. Daher muß in der Regel ein sehr hohes Einnahmeniveau erreicht werden.

Es liegt auf der Hand, daß schnell Unruhe entsteht, wenn das Neugeschäft eines Tages nicht mehr floriert. Manche Anbieter erhöhen in einer solchen Situation ihre Preise, sind dann aber meist schnell zu Rabattzugeständnissen bereit, wenn ein Kunde abzuspringen droht. Einige wenige senken ihre Preise in der Erwartung, so ihr Geschäft wieder ankurbeln zu können. Diese Art der Reaktion ist verständlicherweise wenig beliebt, da die angesprochene Zielgruppe in der Regel kaum größer wird, während sich aber die Einnahmen aus Wartungskosten verringern.

Es geschieht also - vordergründig betrachtet - aus einem gewissen Zwang heraus, wenn die Software-Unternehmer auf dem Mainframe-Sektor ihre Einnahmen dadurch absichern, daß sie ihre Preispolitik an die CPU-Größen und die Software-Releases anhängen. Dieses Verfahren ist allzu einfach und vermittelt zudem den Anschein von Objektivität: Bei der Installation eines leistungsfähigeren Rechners oder einer neuen Systemsoftware werden schließlich alle betroffenen Kunden über die Lizenzkosten zur Kasse gebeten.

Warum aber werden eigentlich in unguter Regelmäßigkeit stets höhere Preisklassen eingeführt? Warum stuft man den neuen jumbo nicht in die bestehende Höchstklasse ein und verteilt die kleineren Maschinen auf die niedrigeren Klassen? Das geschieht,

- weil die Verlockung zu groß ist, sich ein schönes Zubrot zu sichern,

- weil die meisten anderen es ja auch so machen und

- weil der Druck nicht mehr so sehr spürbar ist, mehr für die Produktentwicklung tun zu müssen, um am Markt bestehen zu können.

Wahr ist aber auch: Dieses Absahnen - das Hinlangen bei den Wartungskosten inbegriffen - bedeutet letztlich das Ausnutzen einer Zwangslage, in der die Anwender stecken. Ohne den Mainframe und ohne die richtige Software kommt der Kunde nicht aus, so die vorherrschende Meinung bei den Anbietern. Die Geldschneider wähnen den Kunden in der Abhängigkeit und reiben sich die Hände.

Sie sollten sich aber besser die Augen reiben, denn es gibt für viele Anwender inzwischen die Hoffnung, ja die Gewißheit, nicht länger den Goldesel dieser Software-Anbieter spielen zu müssen. Die Zahl der CPU-, ja Site-unabhängigen Software-Lizenzverträge steigt von Tag zu Tag. Der Unix-Markt macht heute vor, daß eine Lizenzierungspolitik auch nach anderen Maßstäben stattfinden kann.

Außerdem reagieren immer mehr Softwarehäuser auf diesen Trend und vertreiben ihre Produkte marktgerecht. Den "Steigerungstrick" mit der CPU-Größe oder der Softwarevariante haben diese Anbieter nicht mehr nötig, und auch die Wartungseinnahmen müssen nicht mehr auf Schleichwegen erhöht werden. Die Anwender sollten heute dort weiter machen, wo sie bereits begonnen haben - den Anbietern deutlich zu machen, daß sie für eine bestimmte Art der Preispolitik kein Verständnis mehr haben. Sie sollten sich nicht weiterhin ins Bockshorn jagen lassen.