Open-Source-Gemeinde gefährdet

Softwarefirmen bekämpfen Patentrecht-Initiative der EU

29.10.1999
MÜNCHEN (CW) - Vor der Einführung eines europäischen Patentrechts für Softwareprodukte haben jetzt Vertreter der Nürnberger Suse GmbH, der Infomatec AG aus Augsburg sowie der italienischen Open-Source-Company Prosa gewarnt. Die EU-Initiative bedeute einen enormen Papierkrieg und hemme Innovationen, so der Tenor.

Bislang gilt für Software in Europa das Urheberrecht. Patentrechte an Programmen beschränken sich dagegen meist auf Industrieprozesse, wo Software und Elektronik die Mechanik ersetzt haben. Die EU plant jetzt eine Ausweitung des Patentrechts auf sämtliche Software, also auch auf den Office-Bereich beziehungsweise die kommerzielle DV und den Internet-Handel. Zu welchen Auswüchsen eine derartige Rechtslage führen kann, schildern die Kritiker mit Verweis auf die USA, wo das Patentrecht trotz starker Opposition bereits zu Beginn der 90er Jahre auf Software ausgeweitet wurde. Derzeit soll es in Amerika über 100000 Softwarepatente geben. Viele davon erweisen sich im Laufe langwieriger Prozesse als ungültig, weil die Behörden zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht in der Lage waren, die Voraussetzungen im Detail zu überprüfen.

Eine ähnliche Situation befürchten die Kritiker jetzt in Europa, wenn die EU ihr Patentrecht ausdehnen wird. Erschwerend kommt hinzu, daß derzeit lediglich eine Ausweitung des allgemeingültigen Patentrechts auf Computerprogramme diskutiert wird, nicht aber dessen Anpassung an die spezielle Situation im Softwaregeschäft. Zwar soll die Formulierung der Gesetze weitgehend in die Hände der einzelnen Staaten gelegt werden, Suse-Mitarbeiter Hartmut Pilch bemängelt jedoch, daß die nationalen Gremien meist hinter verschlossenen Türen tagen, ohne dabei die "interessierten Kreise", also die Software-Industrie, einzuladen. Statt dessen kommen fast ausschließlich Patentanwälte zu Wort, die wie im Fall Frankreichs klar zu erkennen gegeben haben, daß Auswirkungen auf die Industrie nur am Rande interessieren.

Anders als die Patentlobbyisten befürchten die drei Hersteller künftig einen unüberschaubaren Papierkrieg, der vor allem die Open-Source-Gemeinde treffen könnte. Wer wisse schon, ob ein Algorithmus oder Quellcode bereits vor zehn bis 20 Jahren in den USA patentiert wurde. Es drohe eine immense Patentrecherche, die besonders kleineren Firmen zu schaffen machen wird.