Infratest sagt kurzfristig gute Marktlage, langfristig Konkurrenz der Hardwarehersteller voraus:

Softwarebranche agiert zu sehr im Stillen

23.10.1981

MÜNCHEN (je) - Wenn die Softwarebranche sich auf der SYSTEMS mit ihrem Produkt- und Dienstleistungsangebot präsentiert, kann sie mit einer ungebrochenen Nachfrage der DV-Anwender rechnen. Dies prophezeit die Münchener Infratest GmbH. Langfristig gesehen, warnt das Institut, werden die unabhängigen Softwarehäuser zunehmender Konkurrenz durch die Hardware-Hersteller ausgesetzt sein und sich nur durch verstärkte marktstrategische Maßnahmen dagegen wehren können.

Im laufenden Jahr, hat Infratest ermittelt, werden die deutschen DV-Anwender an die 1,7 Milliarden Mark für externe kommerzielle Anwendungssoftware ausgeben. Davon wird ein Drittel den Hardware-Herstellern, zwei Drittel der Softwarebranche zufließen. 40 Prozent ihrer Software-Ausgaben werden die Anwender für Standard-Produkte aufwenden.

Die für die Softwarebranche günstige Nachfragesituation beruht nach den Beobachtungen von Infratest auf folgenden Ursachen: Die eigenen Entwicklungskapazitäten der DV-Anwender sind beschränkt; es fehlt qualifiziertes DV-Personal. Die Chancen, diese Mitarbeiter zu bekommen, schätzen die DV-Verantwortlichen äußerst gering ein. Ihren Personalbestand von heute rund 150 000 Software-Entwicklern mit einer Wertschöpfung von neu entwickelten Anwendungssoftware-Programmen in Höhe von etwa drei Milliarden Mark per annum werden sie daher nach eigener Einschätzung in den nächsten Jahren nicht ausbauen können und sind froh, Fluktuationsverluste auszugleichen.

Dies erhöht nach der Infratest-Untersuchung zwar die Nachfrage nach externer Software, reicht aber nicht dazu aus, den sich verstärkenden Wettbewerbsdruck in diesem Markt abzufangen. Die Softwarebranche, haben die Marktforscher ermittelt, gibt sich derweil optimistisch, die wachsende Nachfrage befriedigen zu können. Zwar erkennen auch die Manager der Software-Häuser die Gewinnung geeigneter Mitarbeiter als ihr zentrales Wachstumsproblem, dennoch rechnen sie damit, ihren Mitarbeiterstamm weiter ausbauen zu können. Insbesonders die größeren Software-Häuser von einer Million Mark Umsatz an aufwärts planen ein Wachstum ihres Mitarbeiterbestandes um durchschnittlich zehn Prozent in den nächsten Jahren.

Noch mehr Bedeutung - so Infratest - messen die größeren Software-Anbieter allerdings einer steigenden Produktivität in der Software-Erstellung durch bessere Fertigungsmethoden bei. Sie rechnen daher auch mit einem Umsatzwachstum, das mit jährlich 15 bis 20 Prozent über dem geplanten Ausbau der Personalkapazität liegt.

Dennoch warnen die Münchner auch ein qualifizierter Personalaufbau und Verbesserung der Produktionsmethoden werden in Zukunft nicht genügen, die Marktposition der Software-Anbieter zu sichern. Denn: Bei sinkenden Hardware-Preisen und wachsender Bedeutung des Software- und Dienstleistungsangebots konzentrieren sich auch die großen Computer-Hersteller mehr als bisher auf den Ausbau des Angebots an Standard-Anwendungssoftware sowie an software-technologischen Methoden und Werkzeugen.

Es besteht daher eine Tendenz zur Ausweitung des Anwendungssoftware-Marktes durch die großen Computer- Hersteller.

Wollen die Software-Häuser sich in ihrem Markt behaupten und ihre Position ausbauen, so wurden sie in den nächsten Jahren nicht nur ihr technologisches und wirtschaftliches, sondern auch ihr marktstrategisches Potential ausbauen müssen, unterstreicht Infratest. Heute verlasse sich der Großteil der Software-Anbieter vor allem auf bestehende Kundenbeziehungen; Der Anteil des DV-Umsatzes mit "Neukunden" liegt bei drei Viertel der größeren Software-Häuser unter 50 Prozent; knapp die Hälfte "Marketingbudgets " entfällt daher auf direkte Kundengespräche und Angebots-Präsentationen, nur 13 Prozent auf breitgestreute Informationen wie Anzeigenwerbund oder Direct-Mailing.

Die Aufwendung der Software-Häuser (mit mehr als einer Million Mark Jahresumsatz) für Marketingmaßnahmen verteilen sich nach der Infratest-Analyse folgendermaßen(Angaben in Prozent der gesamten Werbungs- und Vertriebskosten):

Kundengespräche 25 Prozent

Präsentationen 20 Prozent

Messeteilnahme 6 Prozent

Werbebriefe(Direct-Mail) 6 Prozent

Anzeigenwerbund 7 Prozent

Entwicklung/Druck von Prospekten

(Firmenbroschüren, Produktbeschreib.) 15 Prozent

PR-Aktivitäten wie Vorträge auf

Fachveranstaltungen, Artikel 11 Prozent

Wie wenig effizient ein derartiges Marketing ist, wird nach Infratest-Ansicht deutlich, wenn man die Tabelle "Bekanntheitsgrad führender deutscher Softwarehäuser" betrachtet. Fazit der Münchner: Wenn die Software-Anbieter die neuen Kunden (Fachabteilungen und Zweibetriebe der Großunternehmen, kleine und mittlere Anwender) künftig mit bedarfsgerechten Angeboten versorgen wollen, so müssen sie sich weit mehr als bisher bei diesen Anwendergruppen bekannt machten .

Informationen: Infratest Wiftschaftsforschung GmbH, Landsberger Str. 338, 8000 München 21 Telefon: 089/56 0012 71