Informationen verlassen den Desktop

Softwarearchitekt Gates ruft neue Phase des Internet aus

09.06.2000
MÜNCHEN (CW) - Die "dritte Phase" des Internet ist angebrochen, und das Schlagwort heisst "Profit". Diese Meinung vertrat Microsofts Chairman Bill Gates vergangene Woche in einer Rede vor CEOs in Redmond.

Bereits zum vierten Mal fanden sich Chefs diverser Unternehmen auf dem Microsoft-Campus ein, um den Visionen des obersten Softwarearchitekten zu lauschen. Vor rund 160 Entscheidungsträgern machte Gates deutlich, dass das Internet erneut vor einem tief greifenden Wandel stehe. Hieß es einst "Haben Sie eine Website?", gehe es gegenwärtig vor allem noch darum, dort auch Umsätze zu erzielen - beinahe um jeden Preis.

Serviceorientiertes NetzKünftig jedoch, so der Microsoft-Chairman, stelle man sich die Frage: "Wo bleiben eigentlich die Profite?" Dadurch verändere sich das Internet von einer "ultimativen Bibliothek" in ein serviceorientiertes Werkzeug, das die Anbieter und Kunden näher zusammenbringe. Kommunikation in beide Richtungen sowie steigende Personalisierung, Automatisierung und die Erkennung von Sprache oder Handschriften seien Kennzeichen dieser von "Vernunft" geprägten Phase.

Auch wenn Gates es nicht direkt aussprach, bedeutet dies im KlarteXT:Desktop-Rechner für den privaten Gebrauch haben keine Zukunft mehr. Nicht zufällig arbeitet Microsoft deshalb mit Hochdruck an einem tastaturlosen PC-Tablett für Heimanwender und dem "E-Book" als Transportmedium für Texte verschiedenster Art (siehe auch Seite 35). Bereits im Jahr 2008, so Microsoft-Schätzungen, übertreffe die Zahl elektronisch verteilter Bücher die Auflage ihrer Ahnen auf Papier, der so genannten P-Books. Auch die Internet-zentrierten "Next Generation Windows Services" (NGWS) des Unternehmens, die im Juni näher vorgestellt werden, sollen den Trend anheizen.

Das Ziel sei es, die Informationen vom Desktop-Computer auf das Internet zu verlagern. Nach einer Authentifizierung via Passwort oder Smartcard könne jeder Nutzer die für ihn relevanten Daten auf das gerade verfügbare Endgerät laden. E-Mails oder Bookmarks erscheinen dann im jeweils passenden Ausgabeformat. "In drei Jahren wird jeder Teilnehmer dieser Konferenz ein drahtloses Handheld-Gerät einsetzen", so die Prognose des Microsoft-Gründers. Dies mag sogar zutreffen, denn Microsoft verteilte anschließend an jeden Zuhörer einen Pocket-PC von Hewlett-Packard.