Ähnlichkeiten bewerten

Software zur Erkennung von Musik-Plagiaten

29.09.2009
Von pte pte
Eine Software aus bekannten Algorithmen analysiert Musikstücke und erkennt mit hoher Wahrscheinlichkeit, ob es sich um Plagiate handelt.

In Zukunft werden abgekupferte Melodien wohl noch schneller als Plagiate erkannt als heute. Denn Forscher haben eine Software entwickelt, die eine Reihe kognitiver Ähnlichkeitsalgorithmen kombiniert und auffallende Parallelen zwischen Musikstücken sucht. "All diese Algorithmen wurden in anderen Bereichen schon länger genutzt", meint Daniel Müllensiefen vom Institut für Psychologie der Goldsmiths University of London gegenüber pressetext. Dass auch die Anwendung zur Jagd auf Musik-Plagiate funktioniert, hat er gemeinsam mit dem Hamburger Musikwissenschafter Marc Pendzich anhand von US-Gerichtsentscheiden illustriert. Die Software der Wissenschaftler konnte in 90 Prozent das Urteil korrekt voraussagen. In Zukunft könnte sie im Kampf gegen den Ideenklau bei Musik zum Einsatz kommen.

"Die Softwareumsetzung ist sehr einfach und kann auf jedem Desktop-Rechner genutzt werden", meint Müllensiefen. Der Ansatz zur Plagiatssuche nutzt dabei Algorithmen, welche mit mathematischen Ansätzen Parallelen zwischen Melodien suchen und dann eine Bewertung für die Ähnlichkeit der Stücke geben - in der Regel ein Wert zwischen null (völlig verschieden) und eins (exakt identisch). Überschreitet der bei einem Vergleich erhaltene Wert eine gewisse Schwelle, bedeutet das einen Plagiatsverdacht. Dem Wissenschaftler zufolge wurden die für diese Aufgabe erfolgreichsten Algorithmen 1977 von Amos Tversky vorgeschlagen und kamen bislang in diversen Bereichen der kognitiven Psychologie zum Einsatz.

"Gewissermaßen könnte man behaupten, dass die Software Plagiate bei Popmusik automatisch aufspüren kann", so Müllensiefen. Freilich wäre dazu eine entsprechend große Wissensdatenbank erforderlich. An der Goldsmiths werde derzeit etwa eine Datenbank von etwa 14.000 Songs als Vergleichsbasis genutzt, die kommerzielle westliche Popmusik von den 1950ern bis heute enthält. "Im Prinzip könnten wir ein Geschäft entwickeln, bei dem Songschreiber oder Musikverlage Stücke einreichen", sagt der Forscher. Diese würden dann mit der Datenbank verglichen, um so festzustellen, ob es bereits existierende, sehr ähnliche Musikstücke gibt. Ein Interesse daran wäre durchaus vorstellbar - immerhin ist die Musikindustrie milliardenschwer, und mehr als einmal waren selbst große Stars wie etwa Madonna in Plagiats-Fälle verwickelt.

Fraglich ist natürlich, ob eine solche Software nicht von einem großen Label zur ungezielten Massenanalyse eingesetzt werden könnte. Das hätte möglicherweise eine wahre Klagsflut zur Folge. "Das wäre möglich, ist aber ein sehr unwahrscheinliches Szenario", meint Müllensiefen auf Nachfrage von pressetext. Denn würden alle Branchengrößen so vorgehen, würden letztendlich alle verlieren und die Gerichte mit eingereichten Klagen überlastet. "An so einem Szenario hat, denke ich, keiner wirklich Interesse", meint der Wissenschaftler. Außerdem müsste man dann Ähnlichkeiten aufgrund von unabhängiger Schöpfung - ungewollte Nachahmung - von absichtlichen Plagiaten unterscheiden.

Noch sind all diese Ideen vor allem hypothetisch, denn die erste Studie zur Effektivität der Software hat lediglich 20 Gerichtsfälle berücksichtigt. Nun wird daran gearbeitet, in weiteren Tests nicht nur zusätzliche US-Fälle zu berücksichtigen. Auch für britische und deutsche Rechtsstreitigkeiten wollen die Forscher nun prüfen, ob ihre Software den Ausgang korrekt vorhersagen kann. (pte)