Software-Outsourcing nach Osteuropa und Asien Die Achillesferse bei globalen Projekten ist das Management

29.10.1993

MUENCHEN (qua) - Osteuropaeische und asiatische Software-Experten versprechen gute Qualitaet zu niedrigen Preisen. Anlaesslich der Systems diskutierten leitende Mitarbeiter grosser Anbieter- und Anwenderunternehmen ueber die Vor- und Nachteile des globalen Software-Outsourcings.

Duestere Aussichten fuer einheimische Programmierer malte Hartfried Wever an die Wand: "Wir haben nur die Wahl, das Geschaeft ueber das Ausland oder ueberhaupt nicht mehr zu machen", konstatierte der Siemens-Nixdorf-Manager. "Denn hier produzieren wir zu Preisen, die sich auf dem Weltmarkt nicht erzielen lassen."

Diese These untermauerte Wever auch gleich mit Zahlen: Ein indischer Software-Experte koste im Heimatland nur 23 Prozent dessen, was fuer einen deutschen Entwickler gezahlt werden muesse. Selbst wenn der Inder in Europa arbeite, spare der Auftraggeber immer noch 31 Prozent der fuer einen deutschen Softwerker zu veranschlagenden Summe. Fazit des fuer die Auslandsentwicklung zustaendigen SNI-Mitarbei-ters: "Die Konkurrenz dort ist nicht zu schlagen."

In fuenf Jahren werden, so Wevers Prognose, mindestens zwei Drittel der fuer Siemens-Nixdorf arbeitenden Software-Experten im Ausland ansaessig sein. Dabei kooperiere SNI jedoch nur mit solchen Unternehmen, die entweder zum Firmenverbund gehoerten oder an denen der DV-Konzern zumindest eine Beteiligung halte.

Allerdings fand sich auch jemand bereit, allzu hohe Erwartungen in die Zusammenarbeit mit den meist hervorragend ausgebildeten Software-Exoten zu daempfen. "Die Rentabilitaet ist nicht immer gewaehrleistet", gab Andreas Duerkop von der Deutschen Lufthansa zu bedenken. Duerkop berichtete von Erfahrungen, die die staatliche Fluggesellschaft machte, als sie die Entwicklung einer Luftfracht- Applikation an das franzoesisch-philippinische Software-Unternehmen Pact vergab.

Das System wurde komplett in Deutschland analysiert und dann als IEW-Enzyklopaedie nach Manila geschickt. Doch die Notwendigkeit, "um die halbe Welt" zu kommunizieren, brachte offenbar etliche Probleme mit sich. Zudem raeumte Duerkop ein, dass das Projekt mit einem Aufwand von 60 Mannjahren fuer den Anfang wohl etwas zu gross gewaehlt worden sei.

Dennoch ist der Lufthansianer davon ueberzeugt, dass der Trend zum globalen Software-Outsour-cing sich nicht mehr aufhalten lasse: "Die zentralen Positionen werden zwar in Deutschland bleiben", erlaeutert er, "aber was das reine Doing angeht, so ist dieser Zug laengst abgefahren - in Richtung ferner Osten."

Peter Wiese, bei Cap Debis SSI fuer das Outsourcing in die GUS- Laender zustaendig, bezeichnete jedoch eine weitere Klippe, die es zu umschiffen gelte: Zwar spraechen Kostengruende fuer eine Auslagerung der Programmierung jenseits der mitteleuropaeischen Grenzen, doch sei es auf der anderen Seite mit Schwierigkeiten verbunden, das exportierte Know-how nach Abschluss des Projekts wieder zurueckzufuehren.

Nach Wieses Ansicht eignen sich deshalb fest umrissene und algorithmierbare Projekte am besten fuer ein Software-Outsour-cing - vor allem dann, wenn sie keine Rueckkopplung mit dem Kunden erfordern. Wie Duerkop ergaenzt, sollte das System auch auf ein Change-Management verzichten koennen.

Voellig andere Gefahren bedingt eine Eigenschaft asiatischer Entwickler, die im allgemeinen positiv bewertet wird. Den in Indien gepflegten "kreativen Umgang mit Vorhandenem" macht Wever dafuer verantwortlich, dass Siemens-Nixdorf bei den in Asien entwickelten Systemen "relativ viel Probleme mit Viren" hat.

Mit dem gegenteiligen Phaenomen hatte die Lufthansa zu kaempfen: Duerkops Andeutungen zufolge musste der Carrier rechtliche Schritte einleiten, um seinen Outsourcing-Partner davon abzuhalten, das im Lufthansa-Auftrag erstellte System auch an andere Airlines zu vermarkten. Um dem Softwareklau entgegenzusteuern, empfiehlt Wiese, eine den Urheberschutz betreffende Formulierung in die Vertraege hineinzuschreiben.