Programmgeschäft kann für Benutzer zum Bumerang werden:

Software-Lizenzwerträge in neuem Licht

26.08.1983

Mitten in einem laufenden Fußballspiel rückwirkend die Regeln zu ändern, würde sicherlich wenig Begeisterung hervorrufen, weder beim Publikum noch bei den Beteiligten. Genau mit solchen Umstellungen müssen jetzt aber Unternehmen fertig werden, die für Computerprogramme Lizenzverträge abgeschlossen haben. Da viele Softwarepakete für die Rechtsprechung nunmehr als urheberrechtsfähig gelten, müssen auch bereits bestehende Lizenzverträge in einem neuen Licht gesehen werden.

Immer mehr Benutzer, die ihre Software selbst entwickeln, bieten neben ihrem täglichen DV-Geschäft von ihnen entwickelte Problemlösungen am Markt an. Oft wird eine kommerzielle Auswertung gleich von Anfang an mit einkalkuliert, da sich sonst die ständig wachsenden Entwicklungskosten nicht mehr amortisieren.

In vielen Fällen wollen die Lizenzgeber die Kontrolle behalten, wer tatsächlich die Programme nutzt und an wen sie weitergegeben werden. Durch einfachen Verkauf von Computerprogrammen, bei dem alle Nutzungsrechte unwiderruflich übergehen, läßt sich solche Kontrolle nicht erreichen. Notwendig ist ein besonderer Schutz von Programmen. Vertraglich kann zwar Jede erdenkliche Schutzform vereinbart werden (auch über das Gesetz hinaus für Algorithmen oder Programme mit nur wenigen Schritten), doch gewähren solche rein zweiseitigen Vereinbarungen keinen allein ausreichenden Schutz gegenüber der Eigenanwendung und den Nachahmungsdrang bei Dritten (wenn ihnen nicht bösgläubiges, wettbewerbswidriges Verhalten vorgehalten werden kann).

Vertragsrechtliche Konsequenzen

Nach allgemeiner Auffassung sind Computerprogramme weder patentnoch gebrauchsmusterfähig. Abhilfe gewähren einige neuere Urteile (vgl. Landgericht München I GRUR 1983, 175 f (VISICALC) im übrigen OLG Karlsruhe Urteil vom 9. 2. 1983 CW vom 31. 3. und 6. 5. 83). Ihnen zufolge sind Computerprogramme dann urheberrechtsfähig, wenn (1) sie eine gewisse Mindestkomplexität aufweisen und insbesondere für eine gestellte Aufgabe mehrere praktikable Lösungswege denkbar sind. Zudem muß (2) das Programm einen eigenen schöpferischen Gedanken enthalten.

Nicht schutzfähig hingegen ist der bloße Algorithmus, wohl aber seine "Einkleidung" in ein fertiges Computerprogramm mit neuen Gedankeninhalten. Diese Rechtsprechung hat fundamentale vertragsrechtliche Konsequenzen, die bisher nur unzureichend deutlich wurden: In Zukunft gibt es zwei Klassen von Lizenzverträgen, eine für urheberrechtsfähige Programme und eine weitere für die übrigen Programme.

Schutzlos gegen Plagiatoren

Begründung: Selbst bei Verkauf von Computerprogrammen bleibt der Verkäufer Urheber. Dieses Recht ist unveräußerlich. Bereits bestehende Verträge sind hiervon nicht ausgenommen. Folge: Urheberrechtlich geschützte Computerprogramme können im bisherigen Sinne nicht mehr verkauft werden. Bisherige Kaufverträge sind als unkündbare Verträge über eine zeitlich und räumlich unbegrenzte Nutzungsüberlassung anzusehen. Die erste Einschränkung zeigt sich sofort: Ohne ausdrückliche Erlaubnis darf der Lizenznehmer ihm überlassene Programme nicht eigenschöpferisch weiterverarbeiten (vgl. °° 37 Abs. 1, 23 UrhG).

Umgekehrt ist der lizenzgebende Urheber nicht verpflichtet, gegen Plagiatoren vorzugehen, wenn er sich nicht ausdrücklich dazu verpflichtet hat (Übertragung eines ausschließlichen Nutzungsrechts).

Allgemeine Rechtsunsicherheit

Hier ist noch vieles klärungsbedürftig. Nicht zuletzt steuerlich von Belang ist die Frage, ob ein Kauf urheberrechtlich geschützte Programme in Wahrheit als Nutzungsüberlassung anzusehen ist. Zu empfehlen sind hier vertragsergänzende Nachverhandlungen, bei denen das Kostenrisiko gleich verteilt werden sollte. (Der Verfasser bittet hierzu um Mitteilung, wenn Lesern einschlägige Entscheidungen bekannt geworden sind.) Die hier vorauszusehende Rechtsunsicherheit hat noch keineswegs ihr volles Ausmaß erreicht, so daß die ihr entgegenwirkende, notwendige rechtliche Beratung auf Hinweise aus der Praxis angewiesen ist.

Vertragsgestaltung im Einzelfall entscheiden

Neben der urheberrechtlichen Problematik ist festzuhalten: Wird eine Lizenz ausschließlich einem Lizenzgeber übertragen, steht diesem das Nutzungsrecht allein zu. Der Lizenzgeber darf die vertragsgegenständliche Lizenz nicht an Dritte weitervergeben, wie dies bei einem nicht ausschließlichen Lizenzvertrag der Fall ist. Schließlich ist noch der Fall denkbar, daß zwar der Lizenzgeber ein ausschließliches Nutzungsrecht an die Lizenznehmer verleiht, diese aber frei über dieses Recht weiterverfügen können. Welche Form der Vertragsgestaltung gewählt wird, läßt sich nur im Einzelfall entscheiden. Der Lizenzgeber muß prüfen, ob ihm durch eine ausschlie(...)che Lizenzvergabe mit höheren G(..)bühren oder eine mehrfache Lizenzvergabe mit geringeren, aber ebenfalls mehrfachen Gebühren eher gedient ist.

Rechte werden verschenkt

Geltungsdauer und -bereich von Lizenzverträgen sollten vom Lizenzgeber auf die zu erwartende Verwertbarkeit am Markt ausgelegt werden. Einschlägige Gutachten geben hier im voraus gewisse Anschlüsse. Sind Laufzeiten zu kurz und Geltungsbereiche zu eng definiert, werden einträgliche Rechte verschenkt. Bemißt man sie jedoch zu lang oder zu ausgedehnt, können sie nicht ausgeschöpft werden und verlieren ihren finanziellen Reiz für den Lizenznehmer. Da bei der Überlassung urheberrechtsfähiger Computerprogramme das Lizenzrecht mit Vertrags(...)lauf (anders als bei Veräußerung (...) Computerprogrammen, die nicht urheberrechtsfähig sind) erlischt und vom Lizenzgeber neu vergeben werden kann, sollten Verlängerungsoptionen im Vertrag enthalten sein.

Urheberrechtsschutz nicht automatisch

Wichtig sind weiter Regelungen zu (zeitlich und räumlich definierten) Wettbewerbsverboten, denen zufolge Vertragspartner und ehemalige Mitarbeiter nach Vertragsbeendigung dem Lizenzgeber nicht mit gleichen oder ähnlichen Programmen Konkurrenz machen dürfen sowie Bestimmungen über die Berechtigung zur Weiterentwicklung von Computerprogrammen und die Schutzrechte an diesen Entwicklungen. Der Lizenzgeber kann gegen eine finanzielle Beteiligung durchaus zu seinem und zum allgemeinen Vorteil solche Entwicklungsmöglichkeiten freigeben.

Nicht übersehen werden sollten zwei wesentliche Details: In Druckschriften (Zeitschriften, Betriebsanleitungen) publizierte Computerprogramme genießen natürlich in jedem Fall als Druckwerke Urheberrechtsschutz. Dies gilt auch für an sich nicht schutzfähige Algorithmen. Werden außerdem mit urheberrechtsfähigen Computerprogrammen Texte verarbeitet, erlangen diese Texte nicht automatisch ebenfalls Urheberrechtsschutz.

*Dr. Frank Koch ist als Rechtsanwalt in München zuständig für DV-Fragen.