Software-Kosten Explosion

22.07.1977

Man stelle sich vor: Der Direktor einer kleineren Privatbank will auf Dialog-Verarbeitung umstellen. Die erforderliche Hardware, plattenorientiertes Kleinsystem mit einigen Terminals, dürfte gute 100 000 Mark kosten. Damit muß man sich abfinden. Vor gar nicht langer Zeit war das eine Zehnerpotenz teuerer.

Nun will der Bankier natürlich Chefzahlen, auch neue Anwendungen, beispielsweise Devisen-Geschäft und Wechsel-Abrechnung sollen integriert werden. Die erforderliche Software müßte etwa 250 000 bis 500 000 Mark kosten. Wer hätte das gedacht? Sicherlich nicht unser Privat-Bankier, der vermutlich mit Prozentanteilen des Hardware-Preises gerechnet hat. Aber die Dinge haben sich geändert. Im Verhältnis zu den Hardware-Aufgaben sind die Software-Kosten mittlerweile so gestiegen, daß sie zu einem Bremsschuh für die weitere Verbreitung der Datenverarbeitung werden. Das gilt auch für die Groß-EDV.

Mittlerweile werden zahlreiche Software-Produkte für die computerunterstützte Entwicklung von Anwendungssoftware angeboten. Auf dem Hamburger Anwendergespräch der Gesellschaft für Informatik "Computergestützte Methoden zur Entwicklung kommerzieller Programmsysteme" (siehe Seite 1) wurden die bekanntesten vorgestellt. Ein Wirrwarr von Acronymen: PET, DELTA, DPS, BAS, STICO und so weiter. Es gibt noch viele mehr.

Alle Produkte haben Vorteile und Nachteile. Hier der bessere Entscheidungstabellen-Prozessor, dort die bessere Problemschreibungssprache, hier die bessere Datenbeschreibungs-Unterstützung, dort der bessere Generator für Structogramme, hier der bessere Bedienungskomfort, dort die bessere Möglichkeit für optionale Bit-Fummelei.

Auf einem Gebiet kann jedes der angebotenen Software-Tools immer mehr als die anderen. Aber allesamt sind sie weit davon entfernt, all das zu können, was alle gemeinsam könnten. Die meisten Programmgeneratoren unterstützen nur die Stapelverarbeitung. Nur wenige der Werkzeug-Baukästen enthalten untereinander kompatible Software-Tools. Verträglichkeit zwischen Produkten verschiedener Hersteller ist ohnedies nicht gegeben.

Der Anwender, unterstellt, er sei von der Notwendigkeit überzeugt, maschinelle Verfahren für die Generierung von Software einzusetzen, kann sich immer nur für die am wenigsten schlechte Lösung entscheiden. Da dies auch sonst im Leben meist auch so ist, wäre das nicht weniger schlimm, wenn im Vergleich zu dem, was denkbar und machbar ist, die Abweichung vom Optimum nicht so gravierend wäre. Auch die "zweitbeste Lösung" ist von der besten noch meilenweit entfernt.

Verunsicherung bei der Entscheidungsfindung und damit Aufschub einer Entscheidung bewirkt auch, daß angesichts der zunehmenden Bedeutung der Software-Kosten die Wahl unter einem der angebotenen Programm-Produkte sehr weitreichende Konsequenzen hat. Ob PET oder DELTA, ob STICO oder DPS entscheidet verbindlich, wie für viele Jahre ein sehr großer Teil der Software-Entwicklung bewerkstelligt werden soll. Diese Frage ist gleichgewichtig wie die Wahl unter den Hardware-Herstellern, möglicherweise gar noch Kostenrelevanter. Hinzu kommt, daß eine Entscheidung den Anwender in neue Abhängigkeit zwingt, die der vom Hardware-Hersteller durchaus gleichkommt. Nur, im letzten Fall handelt es sich um Weltfirmen. Die Software-Häuser, für deren Produkt man sich entscheiden muß, sind meist kleiner als die Anwender-Firmen. Aber ihre Entscheidungen, wie weiterentwickelt wird, wie auf Kundenwünsche reagiert wird, wie gewartet wird, bestimmen entscheidend die Software-Zukunft ihrer Kunden.

Andererseits der Sachzwang zur Vermeidung einer Software-Kosten-Explosion, die Möglichkeiten der Computer-Unterstützung bei der Programmentwicklung zu nutzen nimmt ständig zu. Pioniere sind diesen Weg bereits gegangen.

Zu fordern wäre ein Überdenken der BMFT/GMD-Förderpraxis in diesem Bereich. Warum macht man sich nicht systematisch unter Nutzung vorhandener Ansätze an die Entwicklung des dringend erforderlichen, allumfassenden "Super-Tools "?

Statt dessen vermarktet die GMD das schmalspurige, eigenentwickelte Centauri. Wenig Hoffnung bleibt, daß die zahlreichen Anregungen der Praktiker, auf der Hamburger G. I.-Tagung erneut vorgetragen, in absehbarer Zeit entsprochen wird.

Wenn sich überwiegend nichts tut, könnten die Kosten der Software-Entwicklung für die weitere Verbreitung der Datenverarbeitung prohibitiv teuer werden. Siehe oben.