Software-Klau: Produktschutz nur bei höherer Qualität berechtigt

22.04.1988

Das Thema "Raubkopieren" ist nicht zuletzt durch einen offenen Brief der Vereinigung zur Förderung der Deutschen Software-Industrie e.V. (VSI) an verschiedene deutsche Bundesminister wieder in die Diskussion geraten. Ziel dieser Vereinigung ist es, durch eine überarbeitete Rechtsprechung den illegalen Vertrieb von Programmen einzuschränken. Schließlich sei auch PC-Software ein hochwertiges Wirtschaftsgut und müsse dementsprechend geschützt werden. Werner Schmidt, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Prüfung von Software in Ulm, bezweifelt dies zwar nicht, stellt allerdings klar, daß der Mikro-Bereich nur auf die schnelle Mark aus sei: "Die Hersteller haben mit ihren Vertriebsstrategien selbst dazu beigetragen, daß so viel Raubkopien gezogen werden." Das Problem ist für ihn nur dadurch zu lösen, daß die Hersteller mit ihren Produkten - wie im Großrechnerbereich üblich - sorgfältiger umgehen und den damit verbundenen Mehraufwand bezüglich der Softwarepflege nicht scheuen. Dr. Klaus Brunnstein, Professor an der Universität Hamburg, äußert sich konkreter: "Rechtlicher Schutz ist nur dann berechtigt, wenn die Softwareprodukte einen bestimmten Qualitätsstandard aufweisen." Erst wenn dies der Fall sei, würde sich auch das Bewußtsein der Anwender dementsprechend ändern.

Werner Schmid, Geschäftsführer, Gesellschaft zur Prüfung von Software mbH (GPS), Ulm

Im Grunde genommen wird im Mikro-Bereich Massensoftware verkauft, die "schnelle Mark gemacht". Den Herstellern kann die Verbreitung gar nicht schnell genug gehen, dabei soll der Aufwand für die Erstellung und Vermarktung der Produkte so gering wie möglich bleiben. Es ist also kein Wunder, daß diesen Programmen nicht genügend Respekt seitens der Anwender zukommt.

Die Hersteller haben durch ihre Vertriebsstrategien, zum Beispiel mit unkontrollierten Vorab- und Beta-Test-Versionen, selbst dazu beigetragen, daß Raubkopien gezogen werden. Man darf auch nicht vergessen, daß grade die illegalen Vervielfältigungen viele echte Anwender nach sich ziehen. Nun soll der Gesetzgeber dafür sorgen, daß der Gewinn der Softwarelieferanten nicht geschmälert wird. Diese Forderung ist meines Erachtens zu einseitig.

Denn mit Gesetzen sind wir schon von Kopf bis Fuß eingedeckt. Zudem hat der Bundesgerichtshof (BGH) 1985 für diesen Fall eine Entscheidung getroffen, die ich für sehr klug halte. Demnach besteht Urheberrechtsschutz nur dann, wenn das Programm eine bestimmte "Erfindungshöhe" und Qualität aufweist: Einem einfachen Fakturierungsprogramm zum Beispiel wird kein urheberrechtlicher Schutz zugestanden, da diese Software von jedem mittelmäßigen Programmierer erstellt werden kann.

Das Bewußtsein kann also nicht mit rechtlichen Schritten geändert werden. Vielmehr sollten die Hersteller mit ihren Produkten und Anwendern sorgfältiger umgehen, wie es zum Beispiel im Großrechnerbereich der Fall ist. Dort wird die Software aufgrund der intensiven Betreuung und Pflege, sowohl der Kunden als auch der Produkte, nicht kopiert. Das gleiche sollte auch für die PC-Programme gelten. Sorgfältiger Umgang bedeutet auch, daß neue Programmversionen nur an registrierte Kunden weitergegeben werden.

Nicht registrierte Anwender würden so nach kurzer Zeit den Anschluß und damit das Interesse an dieser Software verlieren. Ferner könnte die Produktpflege so gestaltet werden, daß ein "Nicht-Kunde" mit einem Update gar nichts anfangen kann. Technisch und organisatorisch ist dies möglich. Es ist auch kein Problem - ähnlich wie im Kfz-Bereich - jeder Kopie eine eigene Registriernummer, eine Art "Software-Schein", mitzugeben.

Die Softwareindustrie hat also viele Chancen und Möglichkeiten, das Erstellen von Raubkopien einzudämmen. Anscheinend ist den Herstellern nur der Aufwand dafür zu groß. Die Anwender dagegen sind sicher bereit, für ein gutes Programm auch mehr zu bezahlen. Software ist schließlich - auch in PC-Anwendungen - ein hochwertiges Wirtschaftsgut und sollte dementsprechend behandelt werden, von den Herstellern und den Anwendern.

Dr. Klaus Brunnstein, Professor für Anwendungen und Informatik an der Universität Hamburg

Die Forderung nach einem rechtlichem Schutz ist nur dann berechtigt, denn die Softwareprodukte einen bestimmten Qualitätsstandard aufweisen. Oft erfüllen aber PC-Programme diese Anforderungen nicht, und so sollte man auch mit einem entsprechenden Rechtsschutz sehr vorsichtig umgehen. Leider schreien viele Softwarelieferanten nach Schutz vor Raubkopien, aber sie scheuen sich, die Qualität ihrer Programme rechtlich zuzusichern. Bei diesem Widerspruch wird sich auch das Bewußtsein der Anwender nicht ändern. Denn ein Hersteller kann für ein Produkt, das schwere Fehler aufweist, doch keinen rechtlichen Schutz verlangen.

Eine vernünftige und justitiable Lösung wäre deshalb, "schlechte" Programme, aber auch Plagiate von jeder Gewährleistung freizusprechen. Sie sollten in die Kategorie "Public Domain" eingeteilt werden; einen Anspruch auf rechtlichen Schutz gäbe es dann nicht. "Gute" Programme mit garantierter Qualität könnten technisch mit Schutzviren und juristisch etwa mit einem Raubkopierverbot geschützt werden. Schwierig ist hierbei sicherlich die Einteilung in "gut" oder "schlecht". Anhand bestimmter Qualitätsstandards ließe sich dies aber feststellen.

Da vielen der derzeit vertriebenen Produkte aber gerade diese Qualitätsmerkmale fehlen, ist es kein Wunder, daß soviel Schindluder in der Branche getrieben wird. Daß das Raubkopieren guter Programme eingeschränkt werden muß, ist keine Frage. Zum Teil tragen aber die Softwarelieferanten durch unakzeptable Vertriebsstrategien die Schuld an der Misere. Wir von der Universität bemühen uns (wie andere Abnehmer vielfach gleicher Software auch) schon lange um Multi- oder Campuslizenzen. Jedoch sind in diesem Bereich viele Hersteller extrem hartnäckig und verweigern eine akzeptable Lösung. Grund dafür dürfte sein, daß die Software, obwohl sie identisch auf allen PCs eingesetzt wird, zu überhöhten Preisen pro Rechner verkauft wird. Die aber nehmen die Anwender nicht so ohne weiteres hin.

Meine Empfehlung ist deshalb daß sich die Hersteller erst einmal selbst an die Nase greifen sollten, bevor sie nach rechtlichem Schutz schreien. Denn nur sie sind in der Lage, das illegale Kopieren und Vertreiben von Software einzuschränken. Eine Lösung bietet zum Beispiel der "Kfz-Brief". Er hat sowohl identifizierenden, verbraucherschützenden als auch einen die Leistungsmerkmale beschreibenden Charakter. Auch sollte das Vertriebsnetz einmal gründlich überprüft werden. Denn nicht nur die Anwender kopieren Software, auch die eigenen Händler vertreiben illegal vervielfältigte Programme. Heutzutage kann sich quasi jedermann als Softwareberater bezeichnen. Voraussetzung hierfür sind oft nur ein Basic-Kurs und "ein wenig Erfahrung im Programmieren"; im Umgang mit Software sind sie selbst oft recht "locker". Gerade diese Freaks ziehen das Niveau der gesamten Branche nach

die Anwender ab.

Dr. Klaus-Albert Bauer, Rechtsanwalt und Vorstand Deutsche Gesellschaft für Informationstechnik und Recht, Frankfurt am Main

Der technische Kopierschutz ist ein unwirksames Instrument zur Vermeidung von Raubkopien. Außerdem entstehen dem Anwender immer wieder Nachteile - etwa durch Fehler beim Überspielen auf die Festplatte. Dies erschwert zum einen den Vertrieb und ist für den Kunden zudem sehr zeitraubend und umständlich. Im übrigen ist es für viele DV-Profis auch kein Problem, die vom Hersteller eingebauten Barrikaden zu überwinden. Das Problem Raubkopieren ist also nicht über diese Art und Weise zu lösen.

Möglichkeiten, Raubkopien zu verhindern, sind in unserer Rechtsordnung durchaus gegeben. Im Gegensatz zum amerikanischen Copyright ist das deutsche Urheberrecht aber wenig flexibel ausgelegt, es läßt sich auch nicht ideal für den Bereich der Software anwenden. So geht zum Beispiel die deutsche Rechtsprechung davon aus, daß erst eine . "persönliche, geistige Schöpfung" gewährleistet sein muß, bevor das Programm gegen Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützt ist. Welches Programm diese Schwelle nun aber überschreitet und welches nicht, weiß man gerade bei wenig komplexen Programmen erst hinterher.

Dieser Zustand ist auf Dauer nicht hinzunehmen: Die Hersteller können nicht immer teuere Gutachten erstellen lassen und dann auch noch aufwendige Prozesse führen bis ihnen endlich ein eindeutiger Rechtsschutz gewährleistet wird. Es muß klar sein, daß das Kopieren und Vertreiben "fremder" Software gegen das Vervielfältigungsverbot verstößt - und das sollte alle Programme betreffen.

Das Bewußtsein, eine strafbare Handlung zu begehen, liegt bei vielen Erstellern von Raubkopien nicht vor. Das könnte sich dann ändern, wenn in Deutschland eine entsprechende Gesetzesänderung vorgenommen wird. Gesetzesänderung würde in diesem Fall heißen, daß in das Urheberrechtsgesetz ein neuer Paragraph aufgenommen wird, der den Schutz sämtlicher Programme gewährleistet.

Ich bin kein Freund von drakonischen Strafmaßnahmen, und so sollte das Strafrecht immer als die letzte Sanktionsmöglichkeit gesehen werden. Es muß aber auch gesagt werden, daß ein Mißverhältnis zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums an der Software und den Schutz von materiellen Gütern besteht. Wenn heute ein Kunde ein Waschmittel in einem Supermarkt entwendet, wird er angezeigt und muß mit einer Geldstrafe rechnen. Wenn dagegen ein Zahnarzt eine von ihm verwendete Standardsoftware, die von einem Dritten aufwendig entwickelt wurde, für einen Kollegen kopiert, wird dies bis heute in den seltensten Fällen verfolgt.

Wulf Upmeier, Hauptabteilungsleiter Informationssysteme und Organisation, BAT GmbH Hamburg

Es ist sicherlich seitens der Softwarehersteller verständlich, daß sie den illegalen Vertrieb von Programmen einschränken wollen. Inwieweit aber zu zusätzlichen juristischen Mitteln gegriffen werden sollte, kann ich nicht beurteilen. Sinnvoll wäre sicherlich, daß die Lieferanten mit Großunternehmen individuelle Arrangements treffen. Sie sollten primär dazu dienen, daß neue Programmversionen aus Pflege- und Wartungsgründen mit Einmalgebühren, die den Installationen entsprechen, freigegeben werden. Meistens sind ja bei den Großanwendern zwischen 200 und 500 Personalcomputer im Einsatz, so daß der Release-Wechsel von PC-Software für die DV-Abteilung ein relativ großes Wartungsproblem darstellt. Denn jeder einzelne Rechner muß von der DV-Abteilung gewartet werden. Es sollten also im Sinne der Anwender Möglichkeiten für ein zentrales Update geschaffen werden, damit der Versionswechsel erleichtert und innerhalb eines Unternehmens ein einheitlicher Release-Stand gefahren werden kann. Dies könnte sich in Form von Multi-Lizenzen äußern, die leider von den Softwarelieferanten nur sehr ungern vergeben werden. Weiterhin ist für größere Unternehmen nicht tragbar, daß bei Neubestellung von Software meistens übergangslos ausschließlich nur noch die jeweils neueste Version ausgeliefert wird und somit die Unternehmen gezwungen werden, mehrere Programmvarianten parallel einzusetzen.

Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, daß im großen Umfang Raubkopien im Umlauf sind. Denn für viele Anwender stimmt das Preis/Leistungs-Verhältnis nicht mehr, und so werden aufgrund der Arbeitserleichterung illegal Kopien gezogen. Durch die zunehmende Dezentralisierung der Datenverarbeitung hat die DV-Abteilung praktisch keinen Einfluß mehr darauf, ob jetzt irgendwo im Unternehmen ein Mitarbeiter für private Zwecke Raubkopien erstellt und weitergibt. Dieses Problem läßt sich aber nicht alleine durch eine verschärfte Rechtsprechung in den Griff bekommen. Meines Erachtens reicht von der juristischen Seite der Schutz in Form von Copyrights und anderen Gesetzen vollkommen aus.